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Ochsenfurt
Ochsenfurt: Wie ein Ärztenetz junge Mediziner anlocken will
Was tun, wenn Ärzte keine Nachfolger finden? Die "MainArzt" mit Sitz in Ochsenfurt hat als erstes Ärztenetz in Bayern ein medizinisches Versorgungszentrum gegründet.
Im Mainärztehaus in Ochsenfurt wurde ein MVZ für Kinderheilkunde gegründet. Das Ungewöhnliche: Träger ist ein Ärztenetz.
Foto: Claudia Schuhmann | Im Mainärztehaus in Ochsenfurt wurde ein MVZ für Kinderheilkunde gegründet. Das Ungewöhnliche: Träger ist ein Ärztenetz.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:51 Uhr

Das Problem ist vor allem im ländlichen Raum bekannt: Ein niedergelassener Arzt will in Ruhestand gehen, sucht einen Nachfolger für seine Praxis - und wartet vergeblich auf Interessenten. Als Ursache sehen viele die Belastungen, die ein Leben als freiberuflicher Arzt und Einzelkämpfer mit sich bringt: lange und unregelmäßige Arbeitszeiten, Wochenenddienste, zusätzlicher Zeitaufwand durch Bürokratie und Praxisorganisation. Dr. Daniel Knelles, Gründungsmitglied des Ärztenetzes "MainArzt", ist davon überzeugt, dass sich junge Ärzte ein anderes Arbeitsumfeld wünschen. Und er glaubt, dass es eine Lösung gibt: das medizinische Versorgungszentrum (MVZ). Ein solches hat die "MainArzt" für den Bereich Kinderheilkunde gerade erst gegründet und betritt damit Neuland.

"Medizinische Versorgungszentren gibt es schon lange" erklärt Knelles. Üblicherweise würden sie von Kliniken, Klinikverbünden oder auch Kommunen gegründet. Dass ein Ärztenetz wie "MainArzt" als Träger eines MVZ auftritt, sei noch selten. In dem seit 2004 bestehenden und in Ochsenfurt ansässigen Ärztenetz mit derzeit 44 Ärzten und Psychotherapeuten im Bereich Mainfranken hatte sich genau so ein Fall ergeben: Die im Ochsenfurter Mainärztehaus praktizierende Kinderärztin wollte aufhören und stand vor dem Problem der Nachfolge. "Das war für uns ein Wink des Schicksals", schildert Knelles den Ausgangspunkt der Überlegungen.

"Der klassische Einzelkämpfer funktioniert nicht mehr."
Dr. Daniel Knelles, Gründungsmitglied von "MainArzt"

Die "MainArzt" entschied sich für die Gründung eines MVZ, und das Vorgehen war erfolgreich. Der Arztsitz blieb erhalten, drei Kinderärztinnen arbeiten nun in einem Angestelltenverhältnis. "Die Welt der niedergelassenen Ärzte ändert sich", erklärt Daniel Knelles. Knapp 70 Prozent der Medizinstudenten seien mittlerweile Frauen. "Der klassische Einzelkämpfer funktioniert nicht mehr." Junge Ärztinnen hätten meist berufstätige Partner und bräuchten Arbeitszeitmodelle, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Die eine Lösung seien Gemeinschaftspraxen, die andere medizinische Versorgungszentren.

Dort teilen sich die angestellten Mediziner die Sprechzeiten nach einem festen Zeitplan und sind dann ausschließlich mit den Patienten beschäftigt. Vom nervtötenden und zeitraubenden Drumherum wie Praxisorganisation, Abrechnung, Steuer oder EDV bleiben sie verschont. Diese Aufgaben übernimmt in Ochsenfurt Heiner Redeker, der auch Geschäftsführer der "MainArzt" ist, gemeinsam mit einer Mitarbeiterin. Trägerin des MVZ ist die eigens dafür gegründete MainArzt MVZ GmbH.

Die Patienten merken keinen Unterschied

Dr. Elisabeth Mutterer ist die ärztliche Leiterin und eine der drei Kinderärztinnen im neuen MVZ Pädiatrie. Sie sieht in der Befreiung vom Organisatorischen einen großen Vorteil. "Es bleibt immer noch genug Bürokratie übrig", sagt sie. Aber durch die gute Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer hätten sie und ihre Kolleginnen den Kopf frei für das Medizinische. Dass das MVZ in ein Ärztenetz eingebunden ist, hält sie ebenfalls für sinnvoll. Im Bedarfsfall könne man sich an andere Ärzte im Netzwerk wenden und unkompliziert und niederschwellig Lösungen finden.

Dass sie in einem medizinischen Versorgungszentrum behandelt werden, bekommen die Patienten gar nicht mit. Einziger Unterschied: In akuten Fällen kommen sie nicht zu ihrem "angestammten" Arzt, sondern zu dem Mediziner, der gerade Dienst hat. Das neue MVZ für Kinderheilkunde sehen Daniel Knelles und Heiner Redeker durchaus als Startschuss für weitere Einrichtungen dieser Art, sollte sich im Umfeld des Ärztenetzes ein solcher Bedarf bei Praxen anderer Fachrichtungen abzeichnen.

Die Zahl der MVZ nimmt bayernweit zu

Prinzipiell können nur anerkannte Arztnetze ein MVZ gründen, teilt die kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) auf Nachfrage der Redaktion mit. Das trifft für das Ärztenetz "MainArzt" zu, das diese Anerkennung erhalten hat und das erste und bislang einzige Ärztenetz in Bayern ist, das Träger eines MVZ ist. "MVZ aus Ärztenetzen sind eine weitere Möglichkeit, dass Ärztinnen und Ärzte aus dem ambulanten Sektor heraus ein MVZ nach klaren Kriterien gründen können", schreibt die Pressestelle der KVB.

Insgesamt bestätigt die KVB im Freistaat einen Trend zur Gründung medizinischer Versorgungszentren: 2016 seien es 432 gewesen, danach sei die Zahl kontinuierlich gestiegen auf mittlerweile 758 MVZ in ganz Bayern.

MainArzt

Das Ärztenetz "MainArzt" wurde 2004 in Ochsenfurt gegründet. Dem Verbund gehören mittlerweile 44 niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten in Mainfranken an. Die beteiligten Ärzte arbeiten dabei vernetzt über das gemeinsame IT- und Informationssystem.
Quelle: csc
 
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  • Arcus
    Die Idee über MVZs die ärztliche Versorgung sicherzustellen find ich gut. Vor allem gibt es den Ärzt*innen die Möglichkeit Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Aber auch ein effizienteres Praxismanagement dürfte bei den Patienten Gefallen finden.
    Auf der anderen Seite besteht die große Gefahr, dass internationale Konzerne zukünftig auch das Gesundheitssystem in diesem Segment dominieren.
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