Warum muss Ochsenfurt Mittelzentrum bleiben? Braucht es dazu einen deutlichen Zuwachs an Einwohnern? Und wenn ja, reicht es nicht aus, kleinere Baugebiete zu entwickeln und Baulücken zu schließen, statt in einem großen Wurf den Oberen Dümmersberg zu besiedeln und dabei 20 Hektar fruchtbaren Ackerlands zu versiegeln. Es sind die Kritiker des städtebaulichen Entwicklungsvorhabens aus den Reihen von SPD und Grünen, die diese Fragen in der jüngsten Sitzung des Stadtrats stellten und dafür den Applaus von rund 20 Zuhörern ernteten.
Doch die Mahnungen blieben erfolglos. Nach dem Grundsatzbeschluss vom September 2018 machte der Stadtrat mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit aus CSU und UWG den nächsten Schritt zur Entwicklung der neuen Südstadt, zur Erweiterung des Gewerbegebiets Hohestadt und zum gleichzeitigen Bau einer neuen Südumfahrung. Eine Münchner Fachkanzlei erhielt den Auftrag, die Ausschreibung für einen Generalübernehmer vorzubereiten. Dieser soll das Vorhaben in enger Abstimmung mit der Stadt treuhänderisch in die Tat umsetzen, über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahrzehnten.
"Innenentwicklung und Nachverdichtung sind die Instrumente zeitgemäßer Stadtentwicklung", meint hingegen SPD-Fraktionssprecher Bert Eitschberger und fürchtet, dass ein neuer Stadtteil eher zur Verödung weniger attraktiver Wohnlagen führen kann. Zudem beweise der zuletzt positive Trend, dass auch ohne eine "gigantische Neubausiedlung" die Einwohnerzahl ansteigt. Grünen-Sprecherin Britta Huber hält die Innenentwicklung, die Bestandssanierung und die Abrundung kleiner Baugebiete ebenfalls für das geeignetere Mittel, um die Einwohnerzahl zu stabilisieren.
Als Mittelzentrum hat Ochsenfurt einen Versorgungsauftrag für sein Umland. Diesem Auftrag könne die Stadt auf Dauer nur mit einem deutlichen Bevölkerungswachstum gerecht werden, meint Norbert Geiger von der BayernGrund GmbH, die die Stadt mit vorbereitenden Untersuchungen für das geplante Projekt beauftragt hatte. "Der dafür erforderliche Wohnraum kann nur auf dem Dümmersberg geschaffen werden", so Geiger in der Sitzung.
Den jüngsten Bevölkerungsanstieg schreibt Bürgermeister Peter Juks (UWG) unter anderem dem Zuzug anerkannter Flüchtlinge zu und der großen Bereitschaft der Ochsenfurter, die Neubürger zu integrieren. Auch er setze auf die Entwicklung vorhandener Siedlungsflächen, "aber die reine Innenentwicklung wird nicht ausreichen", so Juks.
Unterstützung erfährt der Bürgermeister dabei von CSU-Sprecher Wolfgang Karl. Dazu zitiert Karl eine Erhebung, wonach bis 2035 allein 350 zusätzliche Wohneinheiten nötig seien, um den aktuellen Bevölkerungsstand zu halten. Statt zunächst ein kleineres Baugebiet auf dem Dümmersberg auszuweisen, wie von der SPD vorgeschlagen, plädiere auch die CSU für eine Gesamtplanung, deren Umsetzung dann in sinnvollen und bedarfsgerechten Schritten und sehr wahrscheinlich über ein Zeitraum von zwei Generationen erfolgen soll.
"Wichtig ist, dass der Stadtrat dabei jederzeit Handlungsspielräume behält", fordert Karl. Schließlich sei heute noch nicht abzusehen, wie sich die Ansprüche und Lebensgewohnheiten der Menschen über diesen langen Zeitraum hinweg ändern werden. "Darauf muss die Stadt reagieren können", so Karl.
Diese Handlungsspielräume auszuloten und vertraglich zu fixieren ist nun die Aufgabe von Andreas Pannier. Der Rechtsanwalt und Spezialist für Vergaberecht informierte über das komplizierte Verfahren, das der Auftragserteilung an einen sogenannten Generalübernehmer vorausgehen muss. Später soll dieser Generalübernehmer das gesamte Projekt in enger Abstimmung mit der Stadt umsetzen, vom erforderlichen Grunderwerb über die Detailplanung und Bauabwicklung bis zum Verkauf der erschlossenen Flächen.
Die meisten Eigentümer sind verkaufsbereit
Etwa zehn Hektar muss die Stadt am Dümmersberg noch erwerben, um im Eigentum der Gesamtfläche zu sein. Norbert Geiger von der BayernGrund GmbH sieht darin kein Problem. In Eigentümerversammlungen und Einzelgesprächen habe sich die überwiegende Zahl der Eigentümer bereit gezeigt, ihre vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen zu verkaufen oder einzutauschen. Alternative zum normalen Grunderwerb wäre die Einleitung einer sogenannten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, in deren Verlauf Grundstücke auch gegen den Willen ihrer Eigentümer enteignet werden könnten. Ein solches Verfahren wäre allerdings zeitaufwendig und konfliktbeladen.
Nachdem auf dem Dümmersberg Spuren jungsteinzeitlicher Besiedelung nachgewiesen sind, wird bei den weiteren Planungen auch die Denkmalpflege ein Wörtchen mitzureden haben. Unterstützt vom Landesamt für Denkmalpflege hat die Stadt deshalb archäologische Voruntersuchungen in Auftrag gegeben, über deren Ergebnis Benjamin Spies vom Laudaer Büro ADW informierte.
Neben Begehungen hat das Büro Funde, Luftaufnahmen und digitale Geländemodelle ausgewertet. Unter anderem sind die Archäologen dabei auf Siedlungsstätten aus der Jungsteinzeit, an denen auch Gräber vermutet werden, und auf eine quadratische Struktur aufmerksam geworden, die auf eine Keltenschanze aus dem ersten Jahrhundert nach Christus hindeuten könnte, so Spies. Weitere Forschungen seien also zu empfehlen und die Planungen gegebenenfalls den Fundorten anzupassen. Dass die Erschließung des Dümmersbergs und die Erweiterung des Gewerbegebiets in Hohestadt grundsätzlich infrage gestellt werden, sei aber nicht zu erwarten.