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Würzburg
NS-Vergangenheit? Straßennamen werden immer noch überprüft
Seit drei Jahren gibt es eine Kommission, um Straßennamen zu überprüfen. In einem Jahr sollen die Ergebnisse vorgestellt werden. Warum dauert das so lange?
Auch die Vergangenheit Hermann Zilchers wird überprüft. Der Direktor des Musikkonservatoriums gründete das Mozartfest.
Foto: Daniel Peter | Auch die Vergangenheit Hermann Zilchers wird überprüft. Der Direktor des Musikkonservatoriums gründete das Mozartfest.
Wolfgang Jung
Wolfgang Jung
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:18 Uhr

Zwei Jahre Zeit habe die Kommission zur Überprüfung der Straßennamen, so hat der Stadtrat im Oktober 2015 beschlossen. Nach mehr als drei Jahren liegt immer noch kein Bericht vor.Kulturreferent Achim Könneke kündigt den Abschluss der Arbeit für den Herbst 2019 an.

Die Kommission prüft das Tun und Lassen von Personen in der NS-Zeit, nach denen die Stadt Straßen benannt hat. Auslöser waren mehrere Berichte dieser Redaktion über die NS-Verstrickung des ehemaligen Würzburger Oberbürgermeisters Helmuth Zimmerer. Das spätere FWG-Mitglied und OB von 1956 bis 1968, hatte in der NS-Zeit der SS angehört und war Rechtsberater einer SS-Standarte gewesen. Mit seiner Dissertation zum Thema "Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft - ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff" schuf Zimmerer ein völkisches, antisemitisches und demokratiefeindliches Werk.

Zimmerer hat sich bis zu seinem Tod 1984 nicht davon distanziert. 1985 gab der Stadtrat, in Kenntnis von dessen Vergangenheit, einer Straße in Lengfeld seinen Namen. 2015, nach der Enthüllung der Vorgänge, benannten die Ratsmitglieder die Straße um, nach dem katholischen Antifaschisten Georg Angermaier.

Kommission prüft 120 Würzburger Straßennamen

Rund 120 Namen hat die Kommission in Würzburg zu prüfen. 30 wertete sie sofort als unbelastet, zum Beispiel Willy Brandt und Leonhard Frank. 90, berichtet Axel Metz, der Leiter des Stadtarchivs, werden untersucht. Darunter sind 45 bereits fertige biografische Beurteilungen, zu denen aber noch die abschließende Entscheidung fehlt.

Könneke begründet die Säumnis mit dem Wechsel des Kulturreferenten und der zeitweiligen Vakanz der Stelle. Sein Vorgänger Muchtar al Ghusain ging zum 1. März 2018 nach Essen - da hätte die Überprüfung schon erledigt sein sollen.

"Die Emotionalität ist riesig"
Kulturreferent Achim Könneke

Das Prüfen der Namen, die Recherche und das Aufarbeiten der Biografen, erledigen, so Könneke, Historiker. Akten aus dem Stadt- und dem Staatsarchiv Würzburg würden ebenso studiert wie Unterlagen von anderen regionalen und überregionalen Stellen, etwa dem Bundesarchiv. Die Öffentlichkeit ist in diesen Prozess nicht eingebunden, sagt Könneke, "wir wollen mit Fakten arbeiten". Ist die Untersuchung abgeschlossen, will die Kommission die Ergebnisse veröffentlichen.

Das weitere Prozedere ist noch nicht geklärt. Möglich ist, dass die Kommission jeden Namen mit einem Beschlussvorschlag versieht, über den der Stadtrat entscheidet. Denkbar ist aber auch, dass sie sich "völlig raushält" (Könneke) und der Stadtrat die Beschlüsse selbst entwickelt. Geht es nach dem Kulturreferenten, wird er den Ratsmitgliedern "konkrete Vorschläge unterbreiten".

Noch in den 1980er Jahren wurden Straßen nach Männern mit Nazi-Vergangenheit benannt

Könneke nennt die Kommission ein wichtiges Projekt der Erinnerungskultur, das nur wirksam sei, wenn öffentlich diskutiert werde. "Zentraler Gewinn der Arbeit sind  Vermittlung und Verlebendigung und der Diskurs über die Stadtgeschichte". Dazu gehöre auch die Frage, wie es kommen konnte, dass der Stadtrat noch in den 1980er Jahren Straßen nach Männern mit Nazi-Vergangenheit benannt hat.

Der Kulturreferent kennt ähnliche Prozess aus seiner Zeit in Hamburg, wo er als Leiter des Referats Bildende Kunst und Design unter anderem für die Kunst im öffentlichen Raum zuständig war, und aus Freiburg, wo er das Kulturamt geleitet hat. "Die Emotionalität ist riesig", berichtet er, zu keinem anderen Thema hätten Badische Zeitung und Stadtverwaltung so viel Post bekommen. Familien, Nachfahren, Berufskollegen seien betroffen, "das zieht wahnsinnig große Kreise. Das muss man aushalten, wenn man sich seiner Geschichte stellt."

Nicht still und leise austauschen

In Freiburg sei "jede Umbenennung, jede einzelne Entscheidung im Stadtrat, immer mit entsprechenden Bürgeranhörungen" verbunden gewesen. Die meisten Einwände gegen Umbenennungen "resultierten aus dem Aufwand, den die Bürger haben".

Beschließt der Stadtrat Namensänderungen, will Könneke "nicht einfach still und heimlich Straßenschilder austauschen". Er stellt sich Schilder vor, auf denen ob der neue Name steht und darunter ein erklärender Text.

 
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  • R.Silber
    Ja unbedingt müssen wir in allen Bereichen suchen, wo es nach "Vergangenheit" stinken könnte. Und sollte auch nur der leisteste Verdacht bestehen, sofort ändern. Dies hat ja sozusagen auch etwas mit der deutschen Gründlichkeit zu tun, wenigstens sind wir hier Weltmeister. Ich kann mir ohnehin nicht erklären, wie unser Duden nach wie vor Wörter wie "Führerschein" oder "Führerhaus" beinhaltet, also hier sollten Linke und Grüne noch einmal etwas genauer hinsehen, da besteht Handlungsbedarf.
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  • mppthi
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  • KlausR
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar: Es geht hier nicht um die Begnadigung von Straftätern, sondern um die Benennung von Staßen.
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  • Mainheini
    Wen interessiert denn das überhaupt noch (außer Stadtrat Jüstel)? Wer zahlt die Kommission und vor allem, wer die ganzen Änderungen, die auf die Hausbesitzer zukommen (alle Formulare, Policen, Ausweise, Steuererklärungen, u.v.m. müssen geändert werden). Schwachsinn hoch drei, den wirklich niemand will und mehr braucht. Wir haben doch wirklich ganz andere Sorgen.
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  • sepele
    Menschen mit Nazivergangenheit nicht mehr weiter mit Straßenbenennungen zu ehren ist also Schwachsinn? Ganz im Gegenteil. etwas Verwaltungsaufwand hängt sicher damit zusammen, sowohl für die Stadt als auch für die Bürger die dort wohnen. Das ist aber so dramatisch nun auch wieder nicht. Die Sache, keine Naziverbrecher öffentlich zu ehren, ist wichtiger.
    Bedanken für den Aufwand können sie sich bei den Stadträten, die offensichtlich noch in den 80er Jahren Naziverbrecher mit Straßennahmen geehrt haben.
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  • Baetz_Johannes@t-online.de
    Ja ja es ist schon immer wieder interessant in welchen Ecken usw rum gewühlt wird, um dann groß raus zukommen weil man wieder jemanden an den Pranger gestellt hat. Das ganze ohne dabei gewesen zu sein um beurteilen zukönnen wie es für den-diejenigen wirklich war, bzw welche Möglichkeiten Er/Sie gehabt hätten das zu verhindern. Ich - wir waren nicht dabei + können daher vieles wirklich nicht richtig beurteilen + Hand aufs Herz- wer hat denn den Mut, wenn es einen persönlich "unangenehm" treffen würde einzuschreiten? Es soll keine Entschuldigung sein - einfach darüber mal nachdenken. Hat aber schonmal jemand bei Großkonzernen rum geschnüffet? Nein das traut man sich nicht, denn was da rauskommen würde, wäre ja geschäftsschädigend. Da bleibt man ja lieber bei Leuten die sich nicht mehr wehren können. Nicht dass ich da falsch verstanden werde - diese Zeit war mit Sicherheit schrecklich, unmenschlich + darf sich auch nicht/niemals mehr wiederholen. Auf eine friedliche, menschliche Zeit
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  • sepele
    Und deswegen Schwamm drüber, interessiert keinen mehr?
    Zum Glück haben wir in Deutschland einen anderen Umgang mit unserer Geschichte. Wer sich schuldig gemacht hat im 3. Reich kann nicht mit Straßennamen geehrt werden. Irgendwelche aktuelle Großkonzerne haben damit nichts zu tun, das ist doch eine andere Baustelle.
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  • fuzzy1
    Es ist schon bezeichnend, da arbeitet eine Kommission jahrelang, um festzustellen, ob irgendwer, auch wenn er sich noch so verdient um unsere Stadt gemacht hat, eine Nazi-Vergangenheit hat. Das ganze über 70 Jahre nach Kriegsende. Ich bin nur gespannt. ob ich es noch erleben werde, daß dieser ganze Blödsinn aufhört, aber die Hoffnung ist, glaube ich, sehr gering. Die ach so guten Weltenretter sind ja leider sehr zahlreich. Es gibt auf der ganzen Welt keine Nation, die ihre Vergangenheit so in den Dreck tritt, wie wir. Armes Deutschland.
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  • sepele
    Wie kann jemand, der sich im 3. Reich schuldig gemacht hat im ernst mit einem Straßennamen geehrt werden? Und die Beschäftigung damit ist alles andere als "in den Dreck ziehen". Die AFD und ihres gleichen ("Vogelschiss") haben in unserer Stadt zum Glück kaum Anhänger, sieh die letzten Wahlen. Das sollten Sie sich bewusst machen.
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  • peterlesbub
    Wenn man es ernst meint, sollte man zuerst in der Zellerau anfangen, in der ein ganzes Karree nach Militär und Feldschlachten in Frankreich benannt sind. (Sedan, Weissenburg etc.). Man traut sich ja gar nicht, Franzosen dort hinzuführen.
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  • Alfred.E.Neumann
    Das ist gar nicht so abwegig, dass die Straßen so benannt sind. Schließlich waren in der Zellerau mehrere Kasernen ansässig. Warum Franzosen mit den Namen Probleme haben sollten, kann ich nicht nachvollziehen. Die Schlachten des 1. Weltkrieges haben auf beiden Seiten unzählige Menschenleben gekostet. Für die Franzosen ist der 1. Weltkrieg der "Große vaterländische Krieg", während für uns deutsche von den Nazis nur auf der "Schande des deutschen Volkes" und der Dolchstoßlegende herumgeritten wurde.
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  • peterlesbub
    Mit dm Unterschied zu den Franzosen, das es sich im 1.Weltkrieg um einen Angriffskrieg unserer Vorfahren handelte, auf den, ich zumindestens, nicht stolz bin.
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  • Einwohner
    Na ja, wenn die Straßennamen das größte Problem in Würzburg sind, dann ist es ja gut.
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  • Markustan
    Wenn Hermann Zilcher NS-Vergangenheit hat müsste konsequenterweise auch das Mozartfest gestrichen oder umbenannt werden da es immer an Herrn Zilcher erinnert.
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  • kej0018@aol.com
    @Markustan

    Es heißt aber Mozartfest und nicht Zilcherfest.

    Was allerdings die Haltung Zilchers in der Nazizeit angeht so ist Zilcher alles andere als beispielhaft, immerhin hat er Hitler gut genug getaugt um in die Begnadetenliste des Dritten Reichs, verbunden mit einer fetten Sonderzahlung, aufgenommen zu werden - wäre ihm als Regimegegner sicherlich nicht zuteil geworden...

    Insofern halte ich eine Ehrung, was die Benennung einer Straße nach einer Person ja datstellt, auch nicht für angebracht, schließlich sollen solche Persönlichkeiten ja ein Vorbild sein.
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