Worin der Luxus des Beginnens liegt? Zum Beispiel darin, einen Topjob im Rathaus zu haben und trotzdem an einem Juliabend unerkannt über die Alte Mainbrücke schlendern zu können: keine Anfrage hier, kein Kopfnicken dort. Doch Achim Könneke, Würzburgs neuer Kultur-, Schul- und Sportreferent, ist am Montagabend auf der Brücke unterwegs zum Spitäle, um genau das zu ändern.
Denn auch wenn Würzburg rund 100 000 Einwohner weniger hat als Freiburg, wo Könneke zuletzt das Kulturamt leitete: Es dauert eben schon ein bisschen, bis der Neue in den Köpfen der Menschen angekommen ist, mit denen er ab sofort zu tun hat. Einige von ihnen, rund 100, sind zum "Kulturmontag" ins Spitäle gekommen, wo die Vereinigung Kunstschaffender Unterfrankens (VKU) ihre Galerie hat.
Keine "belanglosen Nettigkeiten"
Dort will man an diesem Abend vor allem eines wissen: wohin die Reise hingehen soll in Sachen Kulturpolitik in Würzburg. Und genau hier überrascht Könneke zu Beginn seines Vortrags mit einer "Enttäuschung", wie er selbst sagt. Denn jetzt,erst 14 Tage nach seinem Start im Rathaus, wolle er sich nicht anmaßen, über konkrete Vorhaben zu sprechen - und auch noch nicht über Würzburg: "Belanglose Nettigkeiten" möchte er seinen Zuhörern ersparen.
Stattdessen liefert der 55-Jährige einen Rundumblick auf sein Verständnis von Kunst und Kultur, als deren "Vermittler und Ermöglicher" er sich sieht. Und er bekennt: "Ich bin ein Kind der Neuen Kulturpolitik der 70er-Jahre."
Dieser Neuen Kulturpolitik ging und geht es um die Einbindung von Breiten- und Laienkultur, von Alltags- Stadtteilkultur und der freien Kunstszene. "Deren Entfaltung in einer offenen und demokratischen Gesellschaft muss gleichberechtigter Anspruch kommunaler Kulturpolitik sein." Und gleichzeitig sieht Könneke den Zugang aller Schichten zu Kunst und Kultur schlicht als demokratische Aufgabe von Kulturpolitik. Dieser Anspruch sei auch heute noch wegen der sozialen Unterschiede "längst nicht eingelöst".
Könneke sieht "aktiven Gestaltungsanspruch"
Seine eigene Rolle hat er dabei im Blick: Ihm geht es um eine "Kulturpolitik, die nicht nur verwaltet und reagiert, sondern mit aktivem Gestaltungsanspruch agiert". Mit diesem Anspruch wolle er auch in Würzburg "nerven", sagt Könneke und blickt ins Auditorium, wo neben Kulturschaffenden auch OB Christian Schuchardt und Mitglieder des Würzburger Stadtrates sitzen.
Die Stadt sieht Könneke hier in der Pflicht: "Kulturförderung ist keine freiwillige Leistung der Kommunen, die gegenüber den gesetzlichen Pflichtaufgaben nachrangig ist." Dazu genüge schon ein Blick in die Bayerische Verfassung. Welche Schwerpunkte man dabei setze, liege allerdings in der Verantwortung vor Ort: "Entscheidend ist also das Wie und nicht das Ob."
Lokale Gestaltungshoheit als Chance
In der lokalen Gestaltungshoheit sieht Könneke auch die Chance für Würzburg, denn "Kultur ist hier schon immer ein zentraler Motor der städtischen Entwicklung". Er wünscht sich eine dynamische Kulturentwicklung, in der Neues entwickelt wird, ohne das Alte zu vernachlässigen.
Dafür brauche es nicht nur eine starke Kulturpolitik in Stadtrat und Bürgerschaft, sondern auch "Risikokapital", das Könneke aber gut angelegt sieht. Kulturpolitik sei immer auch Bildungs- und Sozial-, Tourismus- und Wirtschaftspolitik: Was man in Kultur investiere, komme also auch anderen Bereichen zugute. Daraus folge: "Kultur ist nicht nur das Sahnehäubchen."
Würzburgs neuer Kulturreferent hat jetzt gut 20 Minuten geredet, und es wird langsam klar, dass er seine kulturpolitischen Vorstellungen wohl eher nicht aus konservativen Quellen schöpft. Dann setzt Könneke aber noch einen drauf: "Ich bin ja im Freistaat gelandet, und da kann ich gar nicht anders, als über Leitkultur zu reden", sagt er und beschreibt ein kurzes Publikumslachen später den umstrittenen Begriff als ein "Zurück zu einem Früher, wie es nie war".
Brücken zwischen den Kulturen bauen
Lacher im Publikum hin oder her, Könneke ist es hörbar ernst. "Schon seit der Aufklärung, seit Herder, ist es eine zentrale europäische Erkenntnis, dass Kultur immer primär die Anerkennung von Unterschieden ist." Eine Leitkultur - der Begriff steht u. a. im CSU-Grundsatzprogramm - sei dagegen eine "nicht einlösbare Idee mit giftigem Beigeschmack", die zu falschen Erkenntnissen, falscher Politik - und zu Zwang führe. Stattdessen "sollten wir den Anspruch haben, immer wieder neue Brücken zwischen den Kulturen zu bauen".
Am Montagabend im Spitäle dürfte Achim Könneke damit die meisten seiner Zuhörer erreicht haben. Bei Wein und Häppchen wird nach dem Vortrag im und vorm Spitäle noch eifrig diskutiert.
"Könneke vermittelte klar seinen Willen, Kulturpolitik in enger Zusammenarbeit mit den Kulturschaffenden deutlich stärker in den Fokus der politischen Willensbildung zu stellen. Seine Absage an eine wie auch immer geartete Leitkultur klang wie eine Kampfansage, sie hat meinen großen Beifall!", sagt Daniel Osthoff von "Würzburg liest". Für die Leseaktion kann sich Osthoff "gut vorstellen, dass mit Achim Könneke nochmal ein Schub nach vorne gelingen kann".
OB Christian Schuchardt hebt das "Bekenntnis zur Subsidiarität (Eigenverantwortung - d. Red.) in der Kulturpolitik" hervor, und Gunther Schunk (Vogel Stiftung) findet einen Kulturbegriff "stark", der auf der Anerkennung von Unterschieden beruht: "Das ist die Essenz in unserer ungestümen Welt des Wandels."
Nach der Theorie kommt für Achim Könneke freilich die Praxis. Wie er die nächsten Wochen und Monate angeht? Gleich zu Beginn hat ihm Andi Schmitt namens der VKU jedenfalls ein kleines Bild überreicht. "SUM-SI-MIT-PO" steht darauf. Man muss das rückwärts lesen: Optimismus.