Als „glühenden Verfechter der Selbstjustiz“ hat das Schwurgericht einen 33-Jährigen aus Würzburg bezeichnet und ihn wegen versuchtem Mord und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.
Unter Hinweis auf seine Gefährlichkeit wurde für die Zeit danach Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Angeklagte hatte dem damaligen Lebensgefährten, inzwischen Ehemann seiner Halbschwester, an der Wohnungstür ein Messer mit gezackter 13 Zentimeter langen Klinge in den Bauch gestoßen, weil der seine verstorbene Mutter beleidigt haben soll.
Erst kurz vorher war der Angeklagte nach Verbüßen einer Strafe von sechs Jahren und sechs Monaten in die Freiheit entlassen worden. Auch bei dem Verbrechen, einem versuchten Totschlag, ging es um „Familienehre“, die mit dem Messer gerächt wurde, in dem Fall soll die Schwester beleidigt worden sein.
Elf von 15 Jahren hinter Gittern
Regeln für das Zusammenleben akzeptiere der Angeklagte nach den Feststellungen des Gerichts überhaupt nicht, er sei der einzige, „auf den er hört“. Von den letzten 15 Jahren habe er knapp elf hinter Gittern verbracht. Weisungen und Empfehlungen, zum Beispiel seiner Bewährungshelferin, seien beim Angeklagten „abgeprallt wie Gummibälle an einer Betonwand“.
Bereits bei der Polizei, kurz nach seiner Festnahme, beim Ermittlungsrichter und später noch bei einem psychiatrischen Gutachter hat der Angeklagte zugegeben, dass er töten wollte und bedauert, dass es nicht „geklappt“ hat, weil seine Halbschwester und die Mutter des Opfers dazwischen gingen. Ein vergleichbares Geständnis habe er vor dem Schwurgericht, so Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen in seinem Plädoyer, in den letzten 15 Jahren, wenn es um Tötungsdelikte ging, nicht erlebt.
Beim Öffnen der Wohnungstür zugestochen
Mit Besuch des Angeklagten konnte das Opfer am 20. Januar 2018 gegen 19.30 Uhr nicht rechnen. Der Mann habe, so das Gericht, beim Öffnen der Wohnungstür nicht die geringste Chance gehabt, den Angriff zu erkennen und entsprechend zu reagieren: Ohne ein Wort zu sagen, habe der Angeklagte sofort zugestochen. Nur weil die Halbschwester sich vor das schwer verletzte Opfer (30) stellte und dem „Besucher“, der „weitermachen“ wollte, sagte, „dann musst du erst mich stechen“, habe der „aufgehört“.
Das sei , so der Vorsitzende Richter Claus Barthel, aus Respekt vor einem Familienmitglied geschehen und kein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch. Den hatte der Verteidiger, Rechtsanwalt Hanjo Schrepfer angenommen und daher nur eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung beantragt. Ein damals drei Jahre altes Kind war Zeuge der Tat und ist seitdem - so Rechtsanwalt Christian Mulzer als Nebenkläger - traumatisiert. Wenn der Vorname des Angeklagten, seines Onkel, fällt, beginne das Kind zu weinen.
Gericht: Das Urteil bedeutet nicht lebenslänglich
Beim Strafmaß war das Gericht von verminderter Schuldfähigkeit unter anderem wegen langjährigem Drogenkonsum und Alkoholmissbrauch ausgegangen. Abschließend hat der Vorsitzende dem Angeklagten noch zu erläutern versucht, dass das Urteil nicht lebenslänglich bedeuten müsse.
Sicherungsverwahrung sei vorsichtshalber angeordnet worden, wenn er Therapieangebote im Strafvollzug erfolgreich nutze, könne die Frage der Gefährlichkeit nach Strafverbüßung durchaus anders beurteilt werden. Dem steht derzeit noch die Aussage des Angeklagten entgegen, dass er es nicht haben könne, wenn sich jemand in sein Leben „einmischt.