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Würzburg
Versuchter Mord: Todesdrohung gegen Zeugin
Erhöhte Sicherheitsstufe im Strafjustizzentrum, weil eine Zeugin massiv bedroht wird. Dabei hat der Angeklagte die Tat längst gestanden. Die Kripo ermittelt.
Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt.
Foto: Gisela Schmidt | Der Angeklagte wird in den Gerichtssaal geführt.
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:52 Uhr

Der Prozess wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Würzburg gegen einen 33-Jährigen beginnt mit Verspätung. Der Grund ist ein Brief, den eine Zeugin am Morgen des ersten Verhandlungstages vor ihrer Wohnungstür gefunden hat: "Wenn du aussagen tust, passiert dir was und deinem Sohn auch", steht drin. Die Frau solle "am besten" gar nicht erst zu der Verhandlung kommen.

Die Zeugin ist eine Halbschwester des Angeklagten, das Tatopfer war damals, am 20. Januar, ihr Freund, heute sind die beiden verheiratet. Die 27-Jährige war dabei, als das geschah, was die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord angeklagt hat.

Ein Messer mit 13 Zentimeter langer Klinge in den Unterleib gestoßen

An jenem Januarabend gegen 19.30 Uhr sei der Angeklagte zu der Wohnung der Halbschwester in Würzburg gekommen, sagt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen. Und zwar mit einem Messer mit gezackter, 13 Zentimeter langer Klinge in der Hand. Der 33-Jährige habe geklingelt, der Partner der Frau habe die Tür geöffnet - und sofort habe der angehende Schwager ihm das Messer tief in den Unterleib gestoßen. Die Folge: "konkret lebensgefährliche Verletzungen". Das Motiv für die Tat sollen laut Anklage "ehrenrührige Äußerungen" des Opfers über die verstorbene Mutter des Angeklagten gewesen sein.

Der 33-Jährige wurde kurz nach dem Stich festgenommen. Er hat das Verbrechen eingeräumt und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Wegen des Drohbriefs, den die Zeugin dem Vorsitzenden der Schwurgerichtskammer, Claus Barthel, kurz vor Prozessbeginn am Telefon vorgelesen hatte, werden die Personalausweise aller Prozesszuhörer fotografiert. Er gehe davon aus, dass der Verfasser des Briefes im Zuschauerraum sitze oder jemand geschickt habe, der die Verhandlung verfolgt, sagt Barthel. Auf jeden Fall müssten sich alle, die mit dem Schreiben zu tun haben, "warm anziehen". Die Kripo ermittelt.

Seit dem 13. Lebensjahr Alkohol , Ecstasy und Amphetamin konsumiert

Derweil erzählt der Angeklagte, ein kleiner, drahtiger Mann mit kurzen Haaren im Schwurgerichtssaal sein Leben: Dass er in Heimen aufgewachsen ist und bei Pflegeeltern, dass er im Jugendarrest und in der Jugendstrafanstalt war, dass er eine Lehre abgebrochen habe und seit seinem 13. Lebensjahr Alkohol , Ecstasy und Amphetamin konsumiere. Von Alkohol sei er "nicht mehr abhängig", sagt er. Aber Amphetamin sei sein Problem: "Ich will dieses Ziehen in meiner Nase haben und wenn ich jetzt was hätte, würde ich es nehmen."

Zwei Entzugstherapien hat er abgebrochen. Die letzte sollte er machen, als er wegen versuchten Totschlags zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Weil er nicht durchgehalten hat, musste er die komplette Freiheitsstrafe verbüßen.

"Die sollen mir helfen und mir keine Vorschriften machen."

Wieder in Freiheit habe er immerzu "Arbeit gesucht", sagt der 33-Jährige. Weil das Gericht ihm das nicht so ganz glaubt, redet er weiter: "Wenn ich fertig damit war, hab ich auch mal gechillt." Und dann bricht es aus ihm heraus: "Ich war nicht vorbereitet auf die Entlassung, das war wie ein Schlag ins Gesicht, ich hätte mehr Hilfe gebraucht." Später konkretisiert der Mann, der zur Tatzeit unter Führungsaufsicht stand und eine Bewährungshelferin hatte, wie er sich Unterstützung vorstellt: "Die sollen mir helfen und mir keine Vorschriften machen."

Die Tat selbst lässt er seinen Verteidiger Hanjo Schrepfer schildern. In der Einlassung gibt der Angeklagte zu, dass er mit seinem "wuchtigen Stich" den angehenden Schwager habe schwer verletzten oder töten wollen. Nur weil seine Halbschwester dazwischen gegangen sei, habe er von dem Opfer abgelassen. Zu seinem Motiv sagt der 33-Jährige nichts. In einem Brief an Gericht und Staatsanwaltschaft hat er allerdings geschrieben, dass er seine Familie "über alles" liebe und für sie "über Leichen" ginge.

Polizeischutz für die Zeugin

Die Halbschwester des Angeklagten wird unter Polizeischutz ins Gericht gebracht. Die zierliche, kleine Frau ist nervlich am Ende. Der aktuelle Drohbrief sei bereits der sechste, den sie bekommen habe, erzählt sie dem Gericht unter Tränen. Die 27-Jährige wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen.

Die Verhandlung wird am Freitag, 9. November mit der Vernehmung des Tatopfers fortgesetzt.

 
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