
Bis 2009 war dort die US-Armee zuhause. Heute ist das frühere Kasernengelände der Leighton Barracks am Würzburger Hubland eine riesige Entwicklungsfläche für Stadt und Hochschule. Auf dem Campus Nord hat die Julius-Maximilians-Universität (JMU) nun auch ihren ersten Forschungsneubau eröffnet – das Zentrum für Philologie und Digitalität "Kallimachos" (ZPD).
Es verbindet Geisteswissenschaften und Informatik unter einem Dach. Die Philologie als Wissenschaft von Sprachen und Literatur hat heutzutage mit digitalen Werkzeugen ganz neue Möglichkeiten zu Erforschung und Verständnis des kulturellen Erbes. Binnen weniger Sekunden sind mit Computerprogrammen Millionen Texte zu durchforsten, Künstliche Intelligenz kann bei der Analyse helfen.
17,7 Millionen Euro haben Freistaat und Bund investiert
Damit dies funktioniert, sollen die Philologen eng mit den Informatikern zusammenarbeiten. Interdisziplinarität heißt das Zauberwort. Und genau dafür schafft der Neubau auf 2600 Quadratmetern großzügige Büro,- Besprechungs- und Begegnungsräume. 17,7 Millionen Euro wurden dafür in die Hand genommen – 10,6 Millionen Euro vom Freistaat, 7,1 Millionen vom Bund.
Besonderer Clou: In die Weißbetonteile der Außenfassade wurde ein zahlenbasierter Binärcode geprägt – übersetzt ist dort "Philologie" und "Digitalität" zu lesen. Rund 100 Arbeitsplätze sind in dem dreigeschossigen Gebäude entstanden. Uni-Präsident Paul Pauli ist überzeugt: "Das wird ein Aushängeschild für unsere Universität."

Mit maschinellen Erkennungsverfahren lesen Wissenschaftler zum Beispiel 5000 Jahre alte Keilschriften auf Tontafeln ein, übertragen sie und bereiten sie auf. Andere Projekte befassen sich mit Dialektdokumenten aus Franken oder Festritualen der vorchristlichen Hethiter. Auch Audioaufnahmen von Musikstücken werden mit digitaler Hilfe analysiert.
"Für das Verstehen gibt es nie ein Ende", mahnte Musikwissenschaftler Prof. Ulrich Konrad vor Festgästen aus Wissenschaft und Politik. Konrad war seit Gründung des Zentrums im Jahr 2017 dessen geschäftsführender Vorstand – das Amt übergibt er in Kürze an seinen Nachfolger, den Philosophen und Historiker Prof. Dag Nikolaus Hasse. Geleitet wird das ZPD von einem kollegialen Direktorium, dem Vertreter der verschiedenen Disziplinen angehören.
Rabbiner und Imam segneten mit christlichen Vertretern den Neubau
Wie wichtig das Verstehen und die Verständigung von Kultur und Religion sind, das wurde bei der Eröffnung in einem – mit Blick auf die Schrecken in Nahost – sehr bewegenden Moment greifbar: Neben dem evangelischen Dekan Wenrich Slenczka und dem katholischen Domkapitular Helmut Gabel segneten der jüdische Rabbiner Shlomo Zelig Avrasin und der muslimische Imam Zahir Durakovic gemeinsam das neue Gebäude. Eine Geste mit Symbolkraft, die auch Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt würdigte.

Der OB dankte dem Freistaat für die Investitionen ins Uni-Gelände. Mit dem neuen Zentrum wurde ein weiterer Baustein des städtischen Masterplans auf den ehemaligen Leighton Barracks umgesetzt – nach Campus-Brücke, Mensateria und Graduiertenschule.
Trotz Corona- und Ukraine-Krise mit ihren Lieferengpässen ist das ZPD "Kallimachos", benannt nach dem griechischen Dichter und Begründer der Philologie, wie geplant in drei Jahren fertig geworden und im Kostenrahmen geblieben. Ein Umstand, den Rolf-Dieter Jungk, Amtschef im bayerischen Wissenschaftsministerium, als nicht selbstverständlich hervorhob. Aufgrund der Unwägbarkeiten auf dem Bausektor sei "staatliches Bauen ein kaum mehr kalkulierbares Abenteuer" geworden.
Im Falle des ZPD mit einem guten Ausgang. Möglicherweise auch deshalb, weil auch Bauen immer digitaler wird, wie Michael Fuchs, Leiter des Staatlichen Bauamts Würzburg erklärte. Man verarbeite heute riesige Datenmengen und brauche immer weniger Papier: "Das ist gut so, wir werden damit schneller und besser."
Student Valentin Leistner hat den Bau des neuen Zentrums in einem Video festgehalten: