
Gerade gab es noch Glückwünsche zum 80. Geburtstag, jetzt ist Walter Kolbow gestorben - ein kleiner Großer der deutschen Sozialdemokratie. Einer, auf den der Titel "treuer Parteisoldat" zutraf wie auf wenig andere.
Eine Begegnung mit Walter Kolbow 2002 in Berlin: Bei einer Gedenkfeier für in Kabul getötete Bundeswehr-Soldaten zeigte er sich beeindruckt von der Ansprache von Bundespräsident Johannes Rau. Der hatte betont: "Der Staat kann nicht trauern, aber das Vaterland kann Dank sagen für gelebtes Leben und geleisteten Dienst." Besser hätte man es nicht formulieren können, sagte Kolbow damals tief beeindruckt. Worte, die jetzt auch zu seinem Tod passen.
Unter Kanzler Schröder war Walter Kolbow sieben Jahre Staatssekretär
Als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium befand sich Kolbow seinerzeit auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Das Amt hatte er die komplette Regierungszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder inne - von 1998 bis 2005.
Schon bei Cowboy- und Indianer-Spielen in den Steinbrüchen bei Ochsenfurt habe sich der junge Walter Kolbow mehr als andere für das militärische Manövrieren im Gelände interessiert, sagt ein Genosse, der zu Jugendzeiten in der SPD dabei war. In Würzburg besuchte Kolbow das Röntgen-Gymnasium, hier studierte er Jura. In Ochsenfurt, wo er vor 37 Jahren in die SPD eintrat, verdiente er sich erste politische Sporen als Stadtrat.
Das Thema Militär hat den Hauptmann der Reserve niemals losgelassen - mit Tiefen und Höhen: 1982 wurde er von Parteifreunden ausgepfiffen, weil er, wie Bundeskanzler Helmut Schmidt, überzeugt war von der Nato-Nachrüstung. 1999 applaudierten ihm Genossinnen und Genossen für seine aufrechte Arbeit für die Flüchtlinge aus dem Kosovo.

Als Mitglied des Seeheimer Kreises war der Würzburger Abgeordnete, der dem Bundestag von 1980 bis 2009 angehörte, verlässlich auf dem rechten Flügel der SPD zu finden. Dort, wo die Partei fest in den Gewerkschaften, in der Arbeiterwohlfahrt oder bei den Naturfreunden verankert war, wo es um "die kleinen Sorgen der Menschen an den Resopaltischen" geht. Den „Mann fürs Kommissbrot“ nannte ihn einmal eine Berliner Zeitung.
Wie SPD-Urgestein Herbert Wehner Kolbow im Bundestag begrüßte
"Du gehst in den Verteidigungsausschuss, die anderen sind zu alt oder zu faul" – soll SPD-Urgestein Herbert Wehner dem Neuling im Bundestag 1980 befohlen haben. Nach erster beruflicher Erfahrung in der Kämmerei der Stadt Frankfurt hätte sich Kolbow in den Haushaltsausschuss gewünscht. Dafür, dass der junge Würzburger seiner Ansage folgte, steckte Wehner später seinem Nachfolger Jochen Vogel einen Zettel in die Jackentasche: "Kolbow fördern" stand dort.

Tatsächlich ist die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zur politischen Lebensaufgabe des Würzburger Abgeordneten geworden, der die rechte Hand zweier Verteidigungsminister war, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: Rudolf Scharping und Peter Struck.
Sein Lebenswerk krönte aber die Aufgabe als Koordinator der Flüchtlingshilfe im Kosovo – eine Tätigkeit, die ihn heraushob aus der Menge der kleinen Rädchen in der politischen Maschinerie in Bonn und Berlin.
Kolbow und eine Handvoll Mitarbeiter ernteten viel Lob für dieses Amt, das ihm auch gesundheitlich einen hohen Preis abverlangte. Dennoch versicherte er seinerzeit Besuchern aus Unterfranken in seinem Büro in Skopje in Mazedonien: Nie habe er sich als Politiker nützlicher gefühlt als in jenen Monaten. Er habe das Gefühl gehabt, persönlich etwas bewirken zu können.

Kolbow war zeitlebens keiner jener ideologischen Überflieger, „die schon beim Frühstück danach trachteten, den Zipfel der Weltgeschichte zu erhaschen". Vielmehr derjenige, der sich um die Winterkleidung der Soldaten, um den Beförderungsstau bei den Hauptfeldwebeln oder die Qualität des Kantinenessens bei der Bundeswehr kümmerte.
Warum Walter Kolbow dem fränkischen Silvaner ähnelte
Ein Freund scherzte einst: Der SPD-Politiker ähnele dem fränkischen Silvaner. Wer den Verwaltungsjuristen Kolbow nicht kenne, dem erscheine er zunächst ungewohnt trocken, manchmal bis hart an die Grenze des Genießbaren. Doch je besser man ihn kennenlerne, umso mehr schätze man seine herbe Art, sein häufig ironisches Lächeln.
Seine letzten Monate genoss er still dort, wo ein halbes Jahrhundert zuvor seine Karriere begonnen hatte: in Ochsenfurt, umsorgt von wenigen zuverlässigen Freunden. Politisch blieb er sich bis zuletzt treu: Wenn es um die Abschaffung der Wehrpflicht (hielt er für falsch) oder der Agenda 2010 (hielt er für richtig) ging, kannte er keine Kompromisse. Er sei "Sternzeichen Stier", sagte er dann: "Die gelten als stur, verfolgen aber unbeirrbar ihr Ziel."