Es war ein skurriler Anblick unterhalb der Festung in Würzburg – und der Aufreger an den Weihnachtstagen, vor Ort und im Internet: Zwei Tage lang hat ein havariertes Güterschiff den Main blockiert. Wie ein Riegel lag es zwischen Löwenbrücke und Alter Mainbrücke quer zur Fahrrinne. Nichts ging mehr auf dem Fluss, die Schifffahrt war für 48 Stunden eingestellt.
Güterschiff hatte sich vor der Schleuse Würzburg verkeilt
Erst am Sonntagnachmittag konnte die 110 Meter lange "Hosta" nach mehreren gescheiterten Versuchen aus ihrer misslichen Lage befreit werden. Das Frachtschiff hatte sich an der Schleuseneinfahrt vor der Alten Mainbrücke mit dem festliegenden Restaurantschiff "Mainkuh" auf der anderen Flussseite verkeilt. Am Sonntagabend gegen 18 Uhr wurde der Schiffsverkehr wieder freigegeben.
Die Mainkuh, in der ein chinesisches Lokal und eine Spielothek untergebracht sind, wurde durch die Kollision und die Rettungsaktion demoliert. Wie groß der Schaden ist, müssten erst die Gutachter prüfen, sagte am Montag Martina Michel, die für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Main den Einsatz leitete.
Nach Eigner-Angaben war die Hosta mit rund 2000 Tonnen Asphaltgranulat beladen und auf dem Weg von Roth bei Nürnberg nach Rotterdam. Das Gütermotorschiff gehört der Binnenschifffahrts-Verwaltungsgesellschaft in Marktheidenfeld (BVG) und wurde 2019 in den Niederlanden gebaut. Es ist zugelassen für eine Ladung von knapp 3000 Tonnen.
Erste Erkenntnisse: Polizei geht von Fahrfehlern des Schiffsführers aus
Fahrfehler des 35-jährigen Schiffsführers, so die Polizei, hätten zu der Havarie am Freitagnachmittag geführt. Es passierte kurz vor der Einfahrt in die Schleuse Würzburg: Wegen eines entgegenkommenden Güterschiffes setzte der Kapitän zu einem Ausweichmanöver an. Dabei geriet die Hosta quer zur Fließrichtung, schlug mit dem Bug an der Schleusentrennung an, verkeilte sich und drohte mit der Mainkuh zu kollidieren. Dies konnte durch sofortige Sicherungsmaßnahmen zunächst noch verhindert werden. Das China-Restaurant wurde evakuiert.
Ein Schiff in Querlage zum Fluss – das käme gelegentlich vor, sagte BVG-Geschäftsführer Christian Hochbein im Gespräch mit der Redaktion. Normalerweise könne man korrigieren. Pech in diesem Fall, dass ausgerechnet an der Unglücksstelle das schwimmende Restaurant lag.
Noch am Freitagabend hatten Helfer versucht, das havarierte Schiff mit einem Schlepper frei zu ziehen. Vergeblich. An dem Rettungseinsatz bis in die Nacht waren rund 150 Kräfte von Polizei, Feuerwehr, DLRG, Wasserwacht, Rettungs- und Sanitätsdienst sowie des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes beteiligt.
Den ganzen Heiligabend über lag die Hosta wie ein Staudamm quer über den Main, in der Nacht auf den 25. Dezember stieß sie dann doch gegen die Mainkuh und schlug eine sichtbare Delle. Zwischenzeitlich waren zur Verstärkung die beiden Schleppschiffe "Paul" und "Paula" eingetroffen - mit vereinten Kräften versuchten sie zusammen mit dem Eisbrecher "Angermünde" am Sonntag die Hosta aus der Verkeilung zu bringen. Doch der Frachter rührte sich weiter nicht vom Fleck, stattdessen riss das Seil zwischen den Schleppschiffen.
Seit Freitagabend war der rechtsseitige Mainkai nach der Löwenbrücke für Fußgänger und Radfahrer gesperrt. Aus Sicherheitsgründen musste auch die Alte Mainbrücke mehrfach dicht gemacht werden.
Dennoch sammelten sich vor allem am ersten Weihnachtsfeiertag zahlreiche Schaulustige in der Nähe und auf der Löwenbrücke. Um 14.49 Uhr brandete von allen Seiten Applaus auf: Eine weitere Rettungsaktion war geglückt – diesmal ein Versuch mit statt gegen die starke Strömung.
Fluss-Restaurant wurde "gelockert" – dann klappte es
Schlosser hatten an der Mainkuh Verankerungen sowie Stege und Geländer zum Mainkai hin abmontiert, Ver- und Entsorgungsleitungen wurden gekappt. Dadurch erhielt das Fluss-Restaurant etwas Spiel und bewegte sich geringfügig auf den Kai zu. Folge: Das Heck der havarierten Hosta setzte sich mit der Strömung in Bewegung.
Während das Heck der Hosta Richtung Alte Mainbrücke trieb, zogen am Bug die drei bereits am Vormittag eingesetzten Schleppschiffe. Im Ergebnis stand die Hosta dann mit dem Bug in Fahrtrichtung Randersacker. Die Position war damit zwar entgegengesetzt der eigentlichen Fahrtrichtung, aber die Fahrrinne des Mains war wieder frei.
Laut Martina Michel vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt untersuchten noch vor Ort herbeigeholte Berufstaucher die Hosta auf mögliche Schäden – und gaben Entwarnung: Gegen 18 Uhr konnte der Frachter am Sonntagabend zunächst in falscher Richtung weiterfahren und begab sich auf einen Übernachtungsplatz im oberen Vorkanal in Randersacker.
Binnenschiff jetzt unterwegs nach Rotterdam
Wie BVG-Geschäftsführer Hochbein auf Anfrage mitteilte, fuhr die Hosta am Montagmorgen zunächst weiter bis nach Marktbreit. Dort konnte sie wieder drehen, dann ihre geplante Fahrt Richtung Rotterdam wieder aufnehmen - und diesmal erfolgreich die Schleuse in Würzburg passieren.
Sicher war nicht geplant, dass sich die Host mit einem Knall selbst losreist, ein potenziell tödliches Seil 2 Meter vor dem Reporter ins Wasser peitscht und sich die Schiffe mit tausenden Tonnen Druck aneinander vorbeischieben. Leckage nicht auszuschließen.
Das soll den Einsatz der Helfer nicht schmälern, aber wenn etwas unter die Kategorie "gerade noch mal gutgegangen" fällt, warum darf man das nicht so schreiben?