Wer Anfang des Jahres die Facebook-Seite von Colonel Ciro Stefano besuchte, entdeckte dort flüchtlingsfeindliche und hetzerische Beiträge, die der US-Offizier auf seinem privaten – damals noch öffentlichen – Profil verbreitete. Mittlerweile sieht es dort wie ausgestorben aus, der 52-Jährige hat sein Profil für die Öffentlichkeit geschlossen.
Stefano ist der erste und einzige amerikanische Soldat mit einer Führungsposition bei der Bundeswehr in der Balthasar-Neumann-Kaserne in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg). Einige seiner fremdenfeindlichen Beiträge auf dem sozialen Netzwerk hat er nach einem Bericht in der Main-Post entfernt. Wie aber gehen die Bundeswehr und die US-Army mit Fällen wie diesem um? Hat Stefanos Verhalten Konsequenzen?
Dem Bundesministerium für Verteidigung sei der Fall zwar bekannt, laut einem Pressesprecher wolle man sich aber in keiner Art und Weise kommentierend dazu äußern. Die Begründung: Stefano sei formell kein Angehöriger der Bundeswehr, sondern der US-Army. Ob sein Verhalten Konsequenzen habe, liege im Verantwortungsbereich der amerikanischen Armee.
US-Army sammelt Fakten
„Wir wurden auf den Artikel hingewiesen. Daraufhin hat die Führung unserer Einheit damit begonnen, Fakten zu den Behauptungen des Artikels zu sammeln, um eine Vorgehensweise zu bestimmen“, teilt Pressesprecherin Cathy Brown von der US-Army Europa mit Hauptquartier in Wiesbaden mit. Zur Nutzung von Sozialen Medien gebe es Leitlinien, die besagen: „Soldaten, die Soziale Medien nutzen, müssen sich jederzeit an den Uniform Code of Military Justice (UCMJ) halten, auch wenn sie nicht im Dienst sind.“
Dieses einheitliches Gesetzbuch der Militärgerichtsbarkeit besteht aus 159 Artikeln und regelt unter anderem, welche Verhalten strafbar sind. Ob Colonel Stefano gegen Artikel des UCMJ verstoßen hat, ließ die Pressestelle der US-Army auf Nachfrage unbeantwortet.
Verhaltenskodex gilt auch online
Allgemein gelte: das Kommentieren, Veröffentlichen oder Verlinken von Material, das gegen die UCMJ oder Grundregeln des Verhaltenskodex verstoße, sei verboten. „Wir empfehlen Soldaten, Zivilisten und Familienmitgliedern immer, sich daran zu erinnern, dass unsere Armeewerte genau so online wie auch im wirklichen Leben gelten“, sagt die Pressesprecherin.
Auch bei der Bundeswehr gehören Belehrungen im Umgang mit journalistischen und sozialen Medien zur Grundausbildung der Soldaten, sagt Pressesprecher Torsten Stephan. Leitlinien für das Verhalten in Sozialen Netzwerken orientieren sich am allgemeinen Soldatengesetz, das Soldaten auch außerhalb des Dienstes zur Zurückhaltung verpflichte. Paragraph 17 „Verhalten im und außer Dienst“ besagt: „Sein Verhalten muss dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert.“
Grundvertrauen in die Soldaten
Soldaten haben demnach, so Stephan, alles zu unterlassen, was ihre Stellung beeinträchtigen könnte – auch in sozialen Medien. „Schwarze Schafe gibt es immer, die über das Ziel hinaus schießen“, sagt der Pressesprecher. Als Beispiele nennt er die Verbreitung von rechtsradikalen Symbolen oder rassistischen Äußerungen in sozialen Netzwerken – was auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne.
Zudem sensibilisiere die Bundeswehr regelmäßig ihre Soldaten im Umgang mit Facebook, Twitter & Co., um Verstößen vorzubeugen und die Privatsphäre der Soldaten und deren Angehörigen zu schützen. Stephan betont in diesem Zusammenhang: „Es ist nicht unser Ziel alle Soldaten unter Generalverdacht zu stellen, wir haben ein Grundvertrauen in unsere Soldaten.“
Video zweifelhaften Ursprungs
Mit Beiträgen wie „Danke Frau Merkel, dass Sie Deutschland ruinieren“, wetterte Colonel Stefano im Dezember 2016 auf Facebook gegen die deutsche Politik. Dazu verlinkte er ein Video einer offensichtlich islamkritischen Facebook-Seite namens „Our Eye On Islam“. Die Aufnahme zeigt, wie angebliche Flüchtlinge ein deutsches Kind verprügeln – sämtliche Quellenangaben fehlen, weder der Ort noch der Urheber wird genannt. Zu dem Video kommentierte Stefano: „So zeigen Muslime ihre Wertschätzung für eine Freifahrt in Deutschland.“
Zu Beiträgen wie diesen, die Colonel Stefano verbreitete, sagt Doris Wagner (München), Mitglied des Verteidigungsausschusses für Bündnis 90/ Die Grünen auf eine Anfrage der Redaktion: „Dass ein US-Offizier privat die Bundeskanzlerin kritisiert, ist sein gutes Recht, solange er dabei nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstößt.“
Höchst besorgniserregend findet die Politikerin aber, dass Ciro Stefano in der Bundeswehr ausgerechnet an der Einsatzvorbereitung der Soldatinnen und Soldaten beteiligt sei. Für den Einsatz benötigen die Soldatinnen und Soldaten differenzierte Informationen über die politische Lage im Einsatzland, über Ziele und Hintergründe des Einsatzes. Und sie müssen ein Mindestmaß an interkultureller Kompetenz erwerben, um den Einsatz erfolgreich durchführen zu können. Wagner: „Nach allem, was in der Presse zu lesen war, habe ich starke Zweifel daran, dass Ciro Stefano für eine solche Einsatzvorbereitung steht. Insofern stellt sich schon die Frage, ob er der richtige Mann am richtigen Ort ist.“
„Viel Bedarf für eine Annäherung“
Darüber hinaus sei der Fall für die Politikerin auch insofern interessant, als er verdeutliche, wie sinnvoll und erfolgreich das deutsche System der Offiziersausbildung sei. Und zugleich zeige sich hier, wie groß die Herausforderung der internationalen Zusammenarbeit im militärischen Bereich tatsächlich sei. Erhebliche Unterschiede zwischen den Streitkräften existieren laut Wagner eben nicht nur in der technischen Ausstattung. „Auch in puncto Selbstverständnis und in der politischen Bildung der Militärangehörigen besteht noch viel Raum und viel Bedarf für eine Annäherung.“