
Wer am Samstagabend noch schnell seine Tickets für das Sisters-of-Mercy-Konzert in der Würzburger Posthalle verkaufen will, der hat im wahrsten Sinne des Wortes schlechte Karten. Denn die Tickets gibt's hier rund eine halbe Stunde nach Einlassbeginn sogar geschenkt. "Schließ mich in dein Nachtgebet ein", sagt eine Dunkelhaarige und drückt einem verdutzt dreinschauenden Anfang-50er ihr Ticket in die Hand.
Woher der Großmut? Keiner weiß so genau, ob die Sisters of Mercy heute Abend überhaupt spielen werden. Oder ob wieder nach der Vorband Schluss ist so wie neulich in Köln. Oder ob das Konzert nach 40 Minuten abgebrochen wird wie in Berlin. Die Termine in Wiesbaden und Frankfurt wurden bereits im Vorfeld abgesagt: gesundheitliche Probleme. Sänger Andrew Eldritch wird für seine Gigs bei der laufenden Tour regelmäßig verrissen: Er wirke verwirrt, der Gesang sei bodenlos, eine einzige Demontage der eigenen Marke.
Eldritch ist da - und vielen reicht das schon
Und in Würzburg? Da liefern die zwei Jungs von der britischen Band VirginMarys im Vorprogramm erst einmal eine wirklich gute Show ab. Ehrlicher Rock, Gitarre, viel Schlagzeug. Das sitzt und entschädigt für das, was da noch kommen könnte. Die Umbaupause dauert lange, dann gehen die Spots doch noch an - und die Erwartungen werden voll erfüllt: Eldritch, schwarze Hose, schwarzes T-Shirt, wirkt wie ein Fremdkörper auf der Bühne.
Immer wieder muss Gitarrist Ben Christo am Mikrofon für den 64-Jährigen einspringen. Eldritch bewegt sich wie in Trance. Dunkle Sonnenbrille im Gesicht, der Kopf gesenkt, der Funkempfänger fürs Mikrofon baumelt irgendwo zwischen den Kniekehlen herum. Er murmelt, er grummelt, fuchtelt mit den Armen, wandert fahrig von links nach rechts und verschwindet immer wieder hinter der Bühne. Aber er ist da. Und vielen reicht das schon.
"Mother Russia",, "Alice" und "More" - die Songs sind bekannt
Der Gesang kommt im Halbplayback daher, die intensive Beleuchtung übertüncht, was auf der Bühne nicht passiert. Aber das tut der Stimmung keinen Abbruch. Immer dann, wenn das Gemurmel und Gebrummel von Eldritch gnädig von der Musik verschluckt wird, singen die rund 2000 Fans eben mit den beiden Gitarristen im Chor. "Mother Russia", "Alice" und "More" - die Songs sind bekannt, es gibt ja auch seit Jahren kein neues Futter für die Ohren mehr.
Erst das Ende des Konzerts haucht dem Sänger von der traurigen Gestalt doch noch etwas Leben ein. Bei "Temple of Love" und "This Corrosion" wendet sich Eldritch erhobenen Hauptes dem Publikum zu. Vielleicht ist er aber auch einfach nur froh, den Abend irgendwie überstanden zu haben. Die dunkelhaarige Kartenverschenkerin ist nicht der einzige Mensch, für den an diesem Abend noch ein Nachtgebet angemessen wäre.