Ihr Vater bereitete sich in einem Kurs im Exerzitienhaus Himmelspforten gerade auf die Weihe zum Diakon vor. Seine damals 17-jährige Tochter begleitete ihn. Was dann geschehen sein soll, erzählte sie über ein Vierteljahrhundert später dem Spiegel-Redakteur Peter Wensierski.
Er stellte den Kontakt zu Alexandra Wolf her, die schriftlich auf die Fragen antwortete. Peter Wensierski veröffentlichte seinen Artikel unter dem Titel „So ein bisserl liebevoll“. Der Satz stammt aus dem kirchlichen Untersuchungsbericht. „... vielleicht hast du so ein bisserl liebevoll den Arm um sie gelegt oder so“ soll der Generalvikar dem Beschuldigten gesagt haben, als er ihn mit dem Missbrauchsvorwurf konfrontierte. Im Herbst 2012 erfuhr der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann erstmals davon. Im Dezember 2015 wurde der Fall zu den Akten gelegt.
Alexandra Wolf: Ich war in einer sehr ohnmächtigen und hilflosen Situation, die mich bewog, einen Weg an die Öffentlichkeit zu suchen. Ich habe Frau Adams Blog schon viele Monate still beobachtet und dachte mir, da wäre jemand, der sich in auskennt und dem ich vertrauen kann. Sie wusste dann, dass es jemanden im ,Spiegel‘ gibt, der sich schon seit Jahren mit Missbrauchsfällen befasst hat. Ich hab noch etwas überlegt, mich dann aber gemeldet, und es war eine gute Entscheidung. So etwas ist nicht so einfach für jemanden, der das, was er erlebt hat, eigentlich für immer verdrängen wollte.
Wolf: Ich hatte mich seit dem Ereignis von der Obrigkeit in der Kirche entfernt, während ich in meiner Gemeinde dabei war. Erst als 2010 andere Missbrauchsopfer ihr Schweigen brachen, und es durch alle Medien ging, habe ich realisiert, wer in Würzburg seit 2002 der Missbrauchsbeauftragte war.
Ich meinte dann, man kann sich wohl schlecht bei seinem eigenen Täter als Opfer melden. Ich fand, ohnmächtiger kann man sich gegenüber der Kirche kaum fühlen. Ich hab damals sogar versucht, so eine Hotline in einem anderen Bistum anzurufen, in Freiburg. Aber da gab es nur den bürokratischen Hinweis, ich möge doch jemand in meinem Heimatbistum ansprechen. Da wusste ich nicht weiter.
Wolf: Nun, nach der Veröffentlichung fühle ich mich befreit – es gibt aber auch Momente, in denen mich die Reaktionen und Meldungen des Bistums verletzen. Der Weg, in die Öffentlichkeit zu gehen, war nicht einfach, aber die Kirche möchte am liebsten immer alles verschwiegen regeln, das funktioniert nicht. Geholfen hat mir aber auch die Zusammenarbeit mit einem bei diesem Thema erfahrenen ,Spiegel‘-Redakteur, Peter Wensierski, der die Geschichte recherchiert und aufgeschrieben hat. Es ist wichtig, dass die Medien in Deutschland nicht aufhören, sich für Missbrauch und uns Betroffene zu interessieren. Es betrifft ja doch so viele Menschen.
Wolf: Für mich ist es keine kirchliche Aufarbeitung, was das Bistum Würzburg in meinem Fall gemacht hat. Es ist nur ein Versuch, den Beschuldigten und das Ansehen der eigenen Institution mit allen Mitteln zu schützen. Opferschutz, seelischen Beistand, Anerkennung von Leid, finanzielle Hilfe für Therapien habe ich als Opfer nicht gefunden. Echte Aufarbeitung würde für mich Unbefangenheit, Transparenz, Wahrheitsliebe und Gerechtigkeit bedeuten und nicht Abwehr. Sie müsste vor allem unter dem Stern christlicher Barmherzigkeit für Hilfesuchende stattfinden. Ich habe vom Bistum Würzburg das Gegenteil erlebt und daher mein Vertrauen verloren. Jetzt fühle ich mich von der Kirche wie erneut missbraucht.
Wolf: Bei der momentanen Praxis würde ich jedem Opfer abraten, auf diese Institution zu hoffen. Stattdessen würde ich raten: Macht die Taten öffentlich, schreit sie heraus und schließt euch zusammen – nicht nur gegen Täter, sondern gegen ihre Helfer, die Vertuscher in den Institutionen, übrigens nicht nur in den Kirchen.
Wolf: Es wurde mir ein Gesprächsangebot von Seiten des Bistums Würzburg erst gemacht als die kirchliche Akte geschlossen war. In einer meiner ersten E-Mails an den Bischof Hofmann bitte ich ihn um seelsorgerlichen Beistand für meine betroffene Familie und mich, so wie es die bischöflichen Leitlinien vorsehen. Bischof Hofmann hat 2010 versprochen, den Kontakt und die Hilfe für Missbrauchsopfer in den Mittelpunkt zu stellen. Er hat all die Monate geschwiegen, statt seiner ureigensten Berufung nachzukommen. Ich bin durch dieses Schweigen von einem Geistlichen tief verletzt und mit meinem Trauma, dass mir der Beschuldigte Priester zufügte, bis heute alleine gelassen. Der innere Schaden ist inzwischen so immens groß, dass ich mir im Moment nicht vorstellen kann, ein sinnvolles Gespräch zu führen, solange ich nicht das geringste Zeichen einer Entschuldigung für das mir zugefügte Unrecht bekomme.
Wie bereits weiter unten zitiert, berichtet der Spiegel, dass der Generalvikar den vertraulichen Bericht von Laubenthal einem "befreundeten" Richter am OLG vorlegte.
Hierbei dürfte es sich um Norbert Baumann handeln, den ehem. Vorsitzenden des 1. Strafsenats, der auf das Engste mit dem damaligen Generalstaatsanwalt Lückemann verbandelt ist. Beide CSU-Funktionäre.
Sowohl Baumann als auch Lückemann sind von mir wegen Freiheitsberaubung im Amt angezeigt. Schrecken diese davor zurück, einen katholischen "Kumpel" vor einem Strafverfahren zu schützen? Wenn die Staatsanwaltschaft jedoch vorher von dem Verdacht wusste und dennoch erst jetzt aufgrund des Spiegel-Berichts und des öffentlichen Drucks ein Ermittlungsverfahren einleitet, dürfte es hier auch um - nicht verjährte - Strafvereitelung gehen.
Und noch etwas: würde es sich hier um eine Falschbeschuldigung handeln, müsste gerade der Beschuldigte Interesse an Aufklärung haben!
Hosentürl nicht zuhalten kann. Was mir aber auch missfällt, wie gleich eine Meute selbsternannter Richter über den vermeintlichen Täter herfällt. Er wird aufgrund von
Vermutungen und nicht von erwiesenen Fakten bereits medial hingerichtet und gesteinigt. Was ist, wenn es sich doch etwas anders darstellt. Hat man sowenig Vertrauen in die rechtsstaatlichen Wege der Wahrheitsfindung? Würde die MP genauso die Sache groß ausschlachten, wenn es sich nicht um einen Kirchenmann handeln würde? Tiefpunkt einer seriösen Berichterstattung ist der Titel heute" Misssbrauch unter dem Kreuz" das ist nicht Berichterstattung , sondern mediale Kirchenhetze.
Kirche könnte lernen, dass die Aufklärung in staatliche Hände gehört. Und wenn dort nur noch die Verjährung festgestellt werden kann (was bei sexueller Gewalt - zumal durch einen Priester - durchaus normal ist), dann sollte Kirche unabhängige Fachleute ermitteln lassen.
Wenn Kirche auf eigene "Ermittlungen" verzichtet, könnte sie sich dem Opfer oder dem mutmaßlichen Opfer seelsorglich zuwenden, wie die Leitlinien das vorsehen – und was ihre ureigene Aufgabe ist. Solange sie die unvereinbare Doppelrolle als ermittelnde Institution und als Seelsorge-Verantwortliche innehat, wird das weder mit der Aufklärung was noch mit der Seelsorge mit einem sehr verletzten Menschen.
Ich habe in meinen Kinder- und Jugendjahren wirklich geglaubt, dass "die Kirche" incl. ihrer irdischen Vertreter ihrer Verantwortung i.S. der Bibel nachkommen würde. Ich wurde spätestens während meiner Zeit im Diözesanrat eines Besseren belehrt. Konsequenterweise trat ich damals (vor nunmehr über 40 Jahren) aus diesem, wie ich es empfand, "Scheinheiligen- Verein" aus! - Jegliche Religion, Glaubensgemeinschaft o.ä. ist für mich seitdem ERLEDIGT!
Frau Wolf wünsche ich viel Kraft und Ausdauer und danke für ihre Offenheit. Wenn sie dadurch sowohl für sich selbst eine gewisse Aufarbeitung schafft UND ggf. andere Opfer dazu bringt ihr Schweigen zu brechen, dann LOHNT sich jeder Aufwand!
Interessant auch von Frau Wolf zu hören wie und wann Gesprächsangebote von Seiten der Diözese gemacht wurden. In der Stellungnahme der Diözese vorgestern in der MP hat sich das noch anders angehört. (Nun gut dafür gibt es Pressesprecher. Die allerdings haben nie die Absicht alle Seiten der Medaille zu betrachten.)
Es hat ganz den Anschein, dass sich in der katholischen Kirche erst dann Dinge ändern, wenn massiv öffentlicher Druck ausgeübt wird. Dann aber geht die katholische Kirche 2 öffentlichkeitswirksame Schritte nach vorne um später, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, wieder einen Schritt zurückzugehen.
Ist sich Bischof Hofmann eigentlich bewusst wieviel Glaubwürdigkeit er selbst bei treuen Gläubigen in der Diözese durch die jüngsten Veröffentlichungen verloren hat?
Hier jedoch ist es m.E. genau umgekehrt: ein Opfer wendet sich aus Not an die Presse, weil die originär zuständigen Stellen versagen und Vertrauen nicht mehr besteht. Im SPIEGEL stand bspw. auch, dass ein OLG-Richter mit dem Generalvikar erörterte, wie man dem Angeschuldigten "helfen" könne - und die Anschuldigungen diskreditieren, die Frau als unglaubwürdig hinstellen könne....das sind bekannte Muster bei unliebsamen Anzeigen.
"Im SPIEGEL stand bspw. auch, dass ein OLG-Richter mit dem Generalvikar erörterte, wie man dem Angeschuldigten "helfen" könne" ... das ist doch blanker Unsinn. Wer soll dieser OLG-Richter gewesen sein?? Der Missbrauchsbeauftragte?? Das ist schlichte eine reine Erfindung!!
..."Generalvikar Hillenbrand händigte hinter dem Rücken des Missbrauchsbeauftragten dessen vertraulichen Bericht einem befreundeten Richter am Oberlandesgericht Bamberg aus. Er bat diesen ehemaligen Diözeseanratsvorsitzenden um Tipps, was gegen die Frau und für den beschuldigten Klerikerfreund sprechen könne"...
Es dürfte sich hierbei um den ehem. Vorsitzenden des 1. Strafsenats des OLG Bamberg handeln, Norbert Baumann, ein Freund des Generalstaatsanwalts.
Zitat aus Mainpost-Artikel aus 2002:
"Norbert Baumann ist als Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Würzburg bestätigt worden. Bei der konstituierenden Vollversammlung des Diözesanrats am Freitag und Samstag wählten die Delegierten den 54-jährigen Schweinfurter Richter für weitere vier Jahre an die Spitze des Laiengremiums, teilte der Pressedienst des Bischöflichen Ordinariats mit."....
Wenn er an Fasching dabei ist (was dieses Jahr nicht einmal der Fall war), ist das nicht scheinheilig. Er drängt sich, anders als manche Politiker, nicht in den Vordergrund. Ich nehme an, dass er geladen wird und auch nicht unbedingt freie Platzwahl hat.
Auch bei den sonstigen Aktionen tritt er nicht besonders vorpreschend auf. Es ist für mich ein eher unauffälliger Bischof, der seinen Dienst zuverlässig, aber unspektakulär tut.
Dass er zunächst einmal den Beteuerungen seines MItarbeiters Glauben schenkt, kann ich ihm auch nicht verübeln.
Sollte sich eine Vertuschung herausstellen, wäre das allerdings ungut - aber das sehe ich erst einmal als harten Vorwurf, den es zu beweisen gäbe.
Vielleicht liegt's aber auch an Ihnen, dass Sie keine guten Kirchenleute kennen, vielleicht wollen Sie sich da gar nicht um Fairness bemühen?