Warum wurde ein maskierter 27-jähriger Mann nicht in Haft genommen, nachdem er am vergangenen Samstag in der Sanderau Autofahrer mutmaßlich mit einer Machete bedroht und zum Verlassen ihres Fahrzeugs gedrängt hat? Der Mann trug trotz sommerlicher Temperaturen Handschuhe und eine Skimaske. Die Polizei hatte den 27-Jährigen nach einem kurzen Fluchtversuch festgenommen. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Haftbefehl wegen Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer. Der Ermittlungsrichter am Amtsgericht lehnte den Antrag ab.
Der Fall wirft Fragen auf. Fragen, die die Staatsanwaltschaft im Zuge der weiteren Ermittlungen klären will, wie ihr Sprecher Thorsten Seebach gegenüber der Redaktion erklärt. Doch wann überhaupt kann ein Verdächtiger in Untersuchungshaft genommen werden? Und was wiegt schwerer? Die persönlichen Freiheitsrechte des Verdächtigen oder der Schutz der Öffentlichkeit vor einem potenziellen Gefährder?
Dringender Tatverdacht und Verhältnismäßigkeit
Als erfahrener Strafverteidiger hilft Rechtsanwalt Norman Jacob sen., den Fall einzuordnen. "Ein Haftbefehl setzt einen dringenden Tatverdacht voraus, und er muss verhältnismäßig sein", so Jacob im Gespräch mit der Redaktion. Verhältnismäßig, das heißt, der Tatvorwurf und die daraus abzuleitende Strafandrohung muss eine Verhaftung rechtfertigen.
"Nötigung und Bedrohung sind keine Verbrechen, sondern Vergehen", sagt Norman Jacob, "das reicht, um einen Platzverweis zu erteilen oder einen Verdächtigen vorläufig festzunehmen, aber nicht für eine Verhaftung." Außerdem müssen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr als Haftgrund vorliegen. "Wenn man weiß, wo der Verdächtige wohnt, und es nichts zu verdunkeln gibt, scheiden diese Gründe aus."
Vermummter war Augenzeugen schon im Stadtteil Grombühl aufgefallen
Doch welche Rolle spielt die psychische Konstitution des Verdächtigen? Laut Polizei war er schon am Samstagvormittag im Stadtteil Grombühl Zeugen aufgefallen, weil er komplett vermummt gewesen sei und eine Skibrille und Handschuhe trug. Wie Rechtsanwalt Norman Jacob erklärt, obliegt es dem Ermittlungsrichter zu beurteilen, ob von einem Verdächtigen eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht und er deshalb untergebracht werden muss. "Ich bin sehr dafür, dass man da genau hinschaut", so Jacob.
Doch bisher könne auch die Staatsanwaltschaft noch nicht genau abschätzen, was dem 27-Jährigen vorgeworfen werden kann. Hat er die Machete nur bei sich getragen, oder hat er damit gedroht, sie auch als Waffe einzusetzen? Die Frage sei Gegenstand der Ermittlungen, so Thorsten Seebach. Die Staatsanwaltschaft behalte sich deshalb vor, Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts einzulegen.