
Fast die Hälfte aller Frauen weicht laut Verbraucheranalyse Deutschland von der vermeintlichen Norm ab und trägt Konfektionsgröße 40/42. Rund ein Drittel hat Größe 44 oder mehr."Doch während schlanke Frauen ihre Lieblingsmode einfach kaufen können, fühlen sich kurvige Frauen oft vergessen", sagt Christine Scharf aus Himmelstadt (Lkr. Main-Spessart). Auch sie fühlte sich von der Modeindustrie schlichtweg ignoriert. Und mehr noch: "Ich hatte sogar den Eindruck, dass manche Textilgeschäfte keine übergewichtigen Kundinnen haben möchten."
Die Auswahl in den meisten Geschäften sei minimal, sagt Scharf. Die "Plus Size"-Abteilung oft in die letzte Ecke der Verkaufsfläche verbannt. So kam die 56-jährige Verlagskauffrau und Inhaberin einer PR-Agentur vor sieben Jahren auf die Idee, mit "PlusPerfekt" ein Online-Magazin für schicke Mode und stylische, trendige Outfits für Frauen jenseits der Konfektionsgröße 44 ins Leben zu rufen. Mittlerweile ist ihre Tochter Ann-Christin (28), die grade ihren Master in Marken- und Medienmanagement an der FH Würzburg macht, auch mit im Team. "PlusPerfekt" erscheint mittlerweile nicht nur online, sondern drei Mal im Jahr als Printmagazin. Mit den beiden Frauen haben wir über Wohlfühlgewicht, Curvy Models und die positive Einstellung zum eigenen Körper gesprochen.
Christine Scharf: Es ist schade, dass es in der heutigen Zeit noch eine Sendung gibt, bei der Frauen nur auf ihre Schönheit und ihre Figur reduziert werden. Wir Frauen werden ständig verglichen, von der Gesellschaft, von den Medien. Als würde unser Äußeres unseren Wert bestimmen. Zu viele Mädchen und junge Frauen sind sowieso mit ihrem Aussehen unzufrieden, da braucht es kein TV-Format, das diese Selbstzweifel befeuert.
Ann-Christin Scharf: Es ist wichtig, jungen Frauen zu zeigen, dass jede auf ihre Art schön ist. So gesehen ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dass bei dieser Art Sendung auch Plus-Size-Models dabei sind. Es hilft die Vielfalt der Frauen zu zeigen. In dem wir verschiedene Körperformen in den Medien repräsentiert sehen, hilft es uns Schönheit nicht mehr so eng zu definieren.
Ann-Christin Scharf: Auf jeden Fall, warum nicht? Der Ruf nach Diversität bei GNTM ist schon lange laut. Es würde damit sicherlich ein Raunen durch die Medien gehen und der Sendung neuen Aufwind verleihen.
Ann-Christin Scharf: Der Interpretationsspielraum für den Begriff "Plus Size" ist riesig. Auf den Laufstegen der "Fashion Weeks" werden Models meist schon ab Konfektionsgröße 38 als Curvy oder Plus Size bezeichnet. Die Modeindustrie definiert Plus Size ab einer Größe von 40/42. Viele bekannte Marken produzieren nur bis Größe 42/44. Manche halten ihre Schnitte bewusst sehr eng, weil sie schlanke Kundinnen möchten, die dann das Bild ihrer Marke prägen.

Christine Scharf: Es gibt mittlerweile viele modische Plus-Size-Label, die aber nicht den Weg in die Ladengeschäfte finden. Leider! Das liegt häufig an den Textileinkäufern der Modegeschäfte, die für ihre "Große Größen"-Kundin eher vorsichtig ordern. Vor Ort ist es meist schwierig, stylische Kleidung zu finden. Modischen Plus-Size-Frauen bleibt oft nichts anderes übrig als online zu bestellen, obwohl sie sehr gerne im stationären Handel einkaufen würden. Beispielsweise ist in Dänemark, Holland und England die Auswahl für Curvys deutlich größer. In Unterfranken, nämlich in Volkach (Lkr. Kitzingen), gibt es übrigens mit Sallie Sahne eine bekannte Marke für große Größen.
Christine Scharf: Viele Frauen stehen zu ihrem Körper. Noch nicht alle – aber es werden immer mehr. Immerhin acht von zehn Frauen mit Konfektionsgröße 42 oder größer, sind mit ihrem Körper zufrieden. Das ergab eine Emnid-Umfrage für Studio Untold, ein Unternehmen der Popken Gruppe. 63 Prozent würden zwar gerne ein bisschen abnehmen, fühlen sich aber dennoch in ihrem Körper wohl. Frauen möchten sich dem Diätwahn nicht mehr unterwerfen. Gesunde Ernährung ja. Aber nicht mehr schlank sein um jeden Preis. Lebensfreude und Lebenslust statt Lebensfrust.
Christine Scharf: Es gibt wunderschöne prominente Plus-Size-Models wie Hayley Hasselhof,Ashley Graham, Angelina Kirsch und Noa Sofia Böhmer – um nur einige zu nennen. Aber auch viele Bloggerinnen wie Celina Meyer (curvy_cm) oder Serena (Modecocktail). Sie inszenieren sich mit curvy Mode, sind Vorbilder und prägen so für viele Frauen ein neues Selbstbewusstsein.
Christine Scharf: Meine Mutter hat mir immer das Gefühl gegeben, dass ich so gut bin wie ich bin. Das hat mein Selbstbewusstsein von Kind an gestärkt. Dennoch hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Ich hatte stark abgenommen und erhielt von einem Kollegen für mein neues Aussehen ein Kompliment. Eigentlich nett. Doch es machte mich wütend, weil ich für mich erkannte, dass mein vorheriges Aussehen nicht falsch war. Wir sollten verinnerlichen, dass wer wir sind und was wir machen, niemanden sonst etwas angeht. Wir sind selbst für unser Glück verantwortlich.

Ann-Christin Scharf: Wir Frauen denken, dass wir uns stetig optimieren müssen. Egal ob Gewicht, graue Haare, Cellulite, Narben oder Falten. Das baut wahnsinnigen Druck auf. Meine Tipps: Sorge dafür, dass es dir gesundheitlich gut geht. Kuratiere deine Social Media Kanäle und folge nur denen, die dir ein positives Körpergefühl vermitteln. Sei einmal am Tag aktiv, was auch immer das für dich bedeutet. Sport ist in jeder Form und Intensität ein Booster für dein Selbstbewusstsein und hilft dir deinen Körper aus einer anderen Sicht wahrzunehmen. Schlaf ausreichend und verlass öfter mal deine Komfortzone, das kann ein ausgefallenes Outfit oder ein neues Hobby sein.
Christine Scharf: Natürlich, aber Diäten haben mich in meinem Leben kein Stück weitergebracht. Vielmehr hatte ich mit dem bekannten Jojo-Effekt zu kämpfen. Das sorgt zusätzlich für Selbstzweifel und obsessives Kalorienzählen. Ich habe für mich festgestellt, dass mich gesunde Ernährung weiter bringt. In unserem Modemagazin PlusPerfekt geht es deshalb um Selbstakzeptanz: Es geht darin nicht um Diäten, sondern wir geben nur Tipps für ein gutes Körpergefühl und zu gesunder Ernährung.
Ann-Christin Scharf: Grundsätzlich ist jede Sportart geeignet. Losgelöst von Sporttrends sollte man sich den aussuchen, der Spaß macht. Dazu gleich einen Trainingspartner, zum Beispiel eine Freundin. So bleibt man auch langfristig am Ball. Um Gelenkprobleme zu vermeiden, sollten Mehrgewichtige vorher einen Arzt konsultieren. Mein Tipp: Unterstützende Sportkleidung, in der du dich zeigen willst, keine utopischen Ziele setzen und statt langem Planen einfach mal machen.
Ann-Christin Scharf: Bitte nicht mehr in der Kleidung verstecken, diese Zeiten sind vorbei. Unbedingt auf eine gute Passform achten. Zu weit ist genauso ein No-Go wie zu eng. Kleidung soll Spaß machen und man muss sich im Outfit wohlfühlen. Deshalb den Blick auf die Stellen des Körpers lenken, die man besonders gerne mag. Das kann eine knackig sitzende Jeans oder ein Wickelkleid mit tiefem Ausschnitt sein.
Christine Scharf: Gute Frage! Vor zehn Jahren hätte ich gesagt, Männer sind mit ihrem Körper zufriedener als Frauen, da gibt es keinen Markt für ein Magazin. Aber mittlerweile unterliegen auch Männer einem großen Körperkult, egal ob Figur oder Körperbehaarung. Und es gibt auch Blogs, die sich auf mehrgewichtige Männer spezialisiert haben, wie Extra Inches von Claus Fleissner.
Christine Scharf: : Das Leben ist zu kurz, um auf schlankere Zeiten zu warten. Jeder ist anders und das ist gut so. Genießt das Leben und habt Spaß an der Mode. Wir leisten zwar noch Pionierarbeit, aber ich bin überzeugt, dass schon bald immer mehr Designer Plus Size Mode für sich entdecken.
Ann-Christin Scharf: Ich wünsche den Frauen den Mut, sich schön zu finden, zu sich zu stehen und keine Angst davor zu haben sich modisch zu kleiden.
PlusPerfekt
