Ob Wadenwickel bei Fieber oder Zwiebelsack gegen Ohrenschmerzen: Viele altbewährte Hausmittel helfen gegen leichte Krankheiten. Doch nur die wenigsten kennen sie noch. Denn laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung fehlt es der Bevölkerung an grundlegendem Wissen über Krankheiten. "Kaum jemand weiß doch noch, was bei leichtem Fieber zu tun ist", sagte der Vorsitzende Andreas Gassen. Das fehlende Wissen führe zu überfüllten Notaufnahmen und vollen Arztpraxen. Doch was ist dran, wie ist die Lage in Unterfranken und welche Rolle spielt das Internet?
Erkältet in der Notfallambulanz
Laut den Zahlen der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) war im Jahr 2016 jeder Deutsche durchschnittlich zehn Mal beim Arzt. Im Vergleich zu 1991 hat sich diese Zahl nahezu verdoppelt. Offensichtlich entscheiden sich immer mehr Menschen dafür, ärztliche Hilfe zu suchen, statt auf Hausmittel und eigene Erfahrungen zu setzen. Dieses Bild zeigt sich auch in Unterfranken. Dort sehen sich die Notaufnahmen der Krankenhäuser immer öfter mit überfüllten Wartezimmern konfrontiert. Häufig mit kränkelnden Patienten, die gar keine Notfallbehandlung benötigen.
"Wir beobachten, dass Menschen mit weniger gefährlichen Krankheiten wie beispielsweise Schnupfen oder aufgeschürfte Knie in die Notaufnahme kommen", sagt eine Sprecherin des Klinikums Würzburg Mitte und teilt damit die Auffassung vieler Kollegen. In der Klinik erkenne man eine Entwicklung, wonach Menschen immer weniger über eigene Versorgungsmöglichkeiten wüssten. Auch das Universitätsklinikum Würzburg bestätigt, dass immer mehr Patienten in die Notfallambulanzen kommen. Vom Rhön-Klinikum in Bad Neustadt heißt es, man sehe häufig Patienten, die mit grippalen Infekten oder leichten Schürfwunden kommen.
"Unseren Erfahrungen zufolge könnte rund ein Drittel aller Patienten, die unsere Zentrale Notaufnahme aufsuchen, auch durch einen Hausarzt behandelt werden", sagt Michael Schneider, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme am Rhön-Klinikum. Einige kämen sogar gezielt in die Notaufnahme, weil sie nicht tagelang auf einen Termin beim niedergelassenen Arzt warten möchten. Doch egal ob Praxis oder Notaufnahme: Ist überhaupt immer ein Arzt nötig?
"Dr. Google" als Belastung für Ärzte
"Die Frage, ob ein Arztbesuch notwendig ist, muss jeder für sich selber beantworten", sagt Hausarzt Christian Pfeiffer aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) zwar verständnisvoll. Der regionale Vorstandsbeauftragte der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) kennt aber auch Fälle, in denen Eltern ihre Kinder untersuchen lassen, obwohl diesen ganz offensichtlich nichts fehlt. Generell verschwinde das Wissen über Krankheiten und Hausmittel nach und nach. "Es ist für viele Menschen leichter zur Apotheke zu gehen oder sich ein Rezept ausstellen zu lassen, als einen Krautwickel oder einen Zwiebelsaft zu machen", sagt Pfeiffer.
Für den Allgemeinarzt ist das Internet mit ein Grund. Bei unklaren Symptomen suchten viele inzwischen erst mal bei "Dr. Google" nach Informationen. Da dort meist die schlimmsten und nicht die üblichen und häufigsten Szenarien beschrieben würden, führe dies zu Verunsicherungen. Die Folge, so Pfeiffer: Menschen laufen verängstigt zum Arzt. "Wenn ich im Netz nach Fieber suche, finde ich mehr über schlimme Hirnhautentzündungen als über banale Virusinfekte", sagt der Allgemeinmediziner. Das entlaste die Ärzte nicht.
Bürokratie zwingt Menschen zum Arzt
Eine Erklärung für das fehlende Grundwissen sieht der Mediziner außerdem in den heutigen Lebensstrukturen. Früher, sagt Pfeiffer, lebten die Menschen mehr in Großfamilien zusammen, in Mehrgenerationenhaushalten. "Da hat man mal die Oma gefragt, mal die Mutter um Hilfe gebeten." Heute hätten gerade junge Eltern keine Großmutter mehr in der Nähe, weil sie weggezogen und auf sich alleine gestellt sind. "Der Arzt ist dann häufig der Ersatz für Oma oder Mutter." In Unterfranken schätzt Pfeiffer die Problematik jedoch deutlich geringer als in vielen Großstädten und Ballungsgebieten ein: In ländlichen Regionen lebten die Verwandten oftmals im Nachbardorf.
Grundsätzlich, betont Pfeiffer, dürfe man vielen Menschen, die sofort zum Arzt gehen, aber keinen Vorwurf machen. Denn Schuld sei häufig die Bürokratie: Berufstätige müssten ihrem Arbeitgeber häufig schon am ersten Krankheitstag eine Krankmeldung vom Arzt vorlegen, auch wenn es nur eine leichte Erkältung ist. Die sozialrechtlichen Rahmenbedingungen ließen vielen Menschen gar keine andere Wahl, als direkt in die Praxis zu kommen, so Pfeiffer. Und auch die gute Verfügbarkeit sei ein Grund: Ärzte gebe es fast überall. "In Deutschland haben wir die höchste Zahl an Arztkontakten weltweit", sagt der KV-Vorstandsbeauftragte für Unterfranken. In anderen Ländern überlege man es sich dagegen gut, ob man eine Stunde Fahrtzeit in die nächste Praxis auf sich nimmt.
Umfrage: Vor welchen Krankheiten haben die Deutschen am meisten Angst
Mediziner: Hausmittel sehr effektiv
Konkrete Zahlen, die belegen, dass immer mehr Deutsche trotz fehlender Notwendigkeit zum Arzt gehen, gibt es nicht. Er beobachte aber zunehmend eine Verunsicherung, sagt der Hausarzt aus Giebelstadt. So wüssten viele Eltern heute nicht mehr, wie sie bei ihrem Kind richtig Fieber messen, wie man einen Zwiebelsaft herstellt oder wann ein Wadenwickel hilft. Dabei seien gerade diese Hausmittel sehr effektiv. "In diesem Bereich könnte das Internet eine gute Möglichkeit für Ratsuchende sein", so Pfeiffer. Er rät kränkelnden Menschen, gelassen zu bleiben, die Symptome zu beobachten und erstmal einen Verwandten anzurufen, bevor es gleich zum Arzt geht.
Viel Flüssigkeit kann die gereizten Schleimhäute beruhigen. Der Flüssigkeitsverlust - etwa durch Schwitzen bei Fieber - wird ausgeglichen. Außerdem werden Schleimhäute in den Atemwegen befeuchtet. Festsitzender Schleim kann verflüssigt werden. Am besten geeignet sind heiße Getränke.
Inhalationen und heiße Bäder wirken entspannend und schleimlösend. Salbei kann nicht nur als Tee getrunken, sondern auch zum Inhalieren genutzt werden. Ätherische Öle, deren Wirkung sich im heißen Wasser entfaltet, können die Atemwege befreien. Bei Erkältungen kann ein warmes Vollbad die Abwehrkräfte stärken.
Bei Fieber und Schmerzen bei Erkältungen sind Wickel und Umschläge nützliche Hausmittel. Vor allem Wadenwickel können helfen, Fieber bei einem Infekt zu senken. Ein richtig gebundener Wadenwickel besteht aus zwei Lagen, ideal sind Leinen und Baumwolle. Die Leinen müssen zuerst in warmem Wasser getränkt und um die Waden gewickelt werden. Danach sollte ein Baumwolltuch den Wickel abdecken.
Um die Schmerzen im Hals zu bekämpfen, können zwei bis drei heiße Kartoffeln auf einem Leinentuch zerdrückt werden. Diese wickelt man in einen Schal und legt sie 15 Minuten um den Hals. Kartoffeln können Wärme lange speichern. Da sie in vielen Haushalten vorhanden sind, eignen sie sich als ideales Mittel.
Eine heiße Hühnersuppe kann bei Erkältungen nicht schaden. Zum einen ist sie ein wertvoller Flüssigkeitslieferant, zum anderen führen die Inhaltsstoffe zum Abschwellen der Schleimhäute. Die Suppe liefert außerdem Vitamine.
Wer sich unsicher ist oder durch Hausmittel keine Besserung erzielt, sollte nicht zögern und einen Arzt aufsuchen. Hausmittel sollen diesen nicht ersetzen. Wer sich jedoch nur etwas schlapp fühlt, kann erstmal einen Tee trinken, bevor er in die Praxis kommt.