Mit aufrechtem Gang, die Haut sonnengebräunt, betritt Hubert Scheuer den Schutzkäfig auf dem Sportgelände der Turngemeinde Würzburg (TGW). Sein Alter ist dem 82-Jährigen dabei kaum anzumerken. In einer Hand trägt der hochgewachsene Würzburger das Wurfgewicht – eine 5,5 Kilogramm schwere Kugel, die durch eine Kette mit dem Handgriff verbunden ist. Er geht in Position, schwenkt das Gewicht in flüssigen Bewegungen über dem Kopf. Dann schleudert er es hinaus auf den Rasen.
Scheuer ist einer der besten in seiner Altersklasse. Im August konnte er die Deutschen Meisterschaften im Gewichtwurf für sich entscheiden. "Einmal deutscher Meister werden, das war schon lange meine Hoffnung. Es hat aber vorher leider nie geklappt", sagt Scheuer, der neben dem Gewichtwurf auch die übrigen Disziplinen des Werfer-Fünf-Kampfs, Diskuswerfen, Speerwerfen, Hammerwerfen und Kugelstoßen, betreibt.
Ein Traum geht in Erfüllung
In Zella-Mehlis ging der lang gehegte Traum des Leichtathleten nun doch in Erfüllung. 13,9 Meter weit schleuderte er dort das Gewicht, weit genug für den Sieg. Die Deutschen Meisterschaften im Gewichtwurf in diesem Jahr waren die ersten überhaupt. Bislang war der Gewichtwurf lediglich eine Teildisziplin des Werfer-Fünf-Kampfes.
"Das Geheimnis ist: Man muss alt werden. Dann gibt es weniger Konkurrenz", sagt Scheuer und lacht. Bei den Deutschen Meisterschaften im Gewichtwurf hatte er diesmal nur drei Gegner. Aber auch bei den Bayerischen Meisterschaften in den Wurf-Disziplinen gebe es in der Altersspanne zwischen 80 und 85 Jahren meist nur acht Teilnehmer, sagt der Sportler. Deshalb kenne man sich untereinander auch.
Dankbarkeit statt Konkurrenzkampf
Verbissenheit innerhalb der Gruppe gebe es jedoch nicht. "Da ist keiner traurig, wenn er nur Dritter geworden ist. Im Gegenteil: Es sind alle froh, dass sie überhaupt dabei sein können", sagt Scheuer. Auch er sei sehr dankbar dafür, dass er im hohen Alter noch Leistungssport betreiben kann. Seine Erfolge wolle er nutzen, um Werbung für den Seniorensport zu machen. Denn aus seiner Sicht gibt es viel zu viele, die sich im höheren Alter kaum noch bewegen. "Wer Sport macht, bleibt auch geistig fitter", sagt er.
Um ältere Menschen dabei zu unterstützen, gebe es im Verein eine Seniorensportgruppe, sagt Manfred Graus, Vorstand der TGW. "Wir haben ungefähr 20 bis 30 aktive Sportler mit über 70 Jahren im Verein." Diese betreiben laut Graus aber vorrangig Freizeit- und Gesundheitssport. Leistungssportler wie Hubert Scheuer seien in dieser Altersgruppe selten.
Sportbegeistert seit der Jugend
Mit seinem Hobby stößt Scheuer nicht nur auf Verständnis. Aus dem Familien- und Freundeskreis gebe es auch einige, die sagen: "Du spinnst", berichtet er. "Meine Enkel sind aber ziemlich stolz darauf." Mit dem Sport hat Scheuer schon in seiner Jugend begonnen. "Erst Turnen, dann Rudern und Tennis", sagt der gebürtige Hamburger, der 1960 zum Studium nach Würzburg gekommen ist. Auch Leichtathletik betreibe er schon seit vielen Jahrzehnten. Als Gynäkologe mit eigener Praxis sei er jedoch über Jahre hinweg, beruflich sehr eingespannt gewesen. Zeit für den Sport blieb da nur wenig.
"Als ich 2004 dann in Rente gegangen bin, ging es wieder richtig los", sagt Scheuer. Seitdem ist er bei Wettkämpfen im Werfer-Fünf-Kampf regelmäßig dabei. 2018 belegte er bei den Seniorenweltmeisterschaften in Malaga den neunten Platz. "Dieses Jahr wollte ich eigentlich auch zur EM nach Braga", berichtet der 82-Jährige. Aufgrund der Corona-Pandemie musste diese aber ausfallen.
Training mit dem TGW-Nachwuchs
Scheuer trainiert in der Regel einmal in der Woche in der Feggrube. Doch das ist längst noch nicht alles. Der 82-Jährige betreibt nebenher auch Krafttraining, rudert und geht Kegeln. Dass seine Trainingskollegen bei der TGW viel jünger sind als er, stört ihn nicht. "In meiner Altersgruppe gibt es hier niemanden", sagt er. Deshalb übt er für die Wurfdisziplinen mit den 13- und 14-Jährigen.
"Es gehört viel Technik dazu", sagt Scheuer. Wenn die einmal sitze, dann gehe es vor allem darum, die Kraft zu erhalten, betont er. "Die Muskeln schnurren ziemlich weg im Alter." Beim Hammerwerfen habe er früher einmal 40 Meter erreicht, jetzt seien es nur noch 30. Ein Grund aufzuhören ist das für Scheuer aber nicht: "So lange es geht, will ich den Sport auch beibehalten."