zurück
WÜRZBURG
Missbrauchsvorwurf: "Verjährt ist verjährt"
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 28.04.2016 03:35 Uhr

In der vergangenen Woche hat die Staatsanwaltschaft Würzburg auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt, dass der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegen einen Geistlichen der Diözese Würzburg verjährt ist. Dazu hat die Diözese eine Stellungnahme veröffentlicht. Der Würzburger Strafrechtsprofessor und seit 2010 Ansprechpartner für Opfer sexuellen Missbrauchs, Klaus Laubenthal, erläutert die juristische Lage.

Frage: Dass der Vorwurf verjährt ist, war Ihnen sicher bereits vor der Entscheidung der Staatsanwaltschaft klar.

Klaus Laubenthal: Ich bin in der Tat davon ausgegangen, dass der Vorwurf bereits verjährt war, als er an die Staatsanwaltschaft gegangen ist.

Hätte die Staatsanwaltschaft bei der Frage der Verjährung nicht von vornherein eingeschaltet werden müssen?

Laubenthal: Es obliegt allein der Staatsanwaltschaft – als Ermittlungsbehörde –, die Verjährungsfrage zu prüfen, ob ein Strafverfolgungshindernis aus ihrer Sicht gegeben ist oder nicht. Über diese Frage zu befinden, liegt nicht in der Kompetenz anderer. Kirchengerichte zum Beispiel haben keinerlei Befugnis, allgemeingültige Entscheidungen zu treffen.

Nun konnte die Staatsanwaltschaft erst tätig werden, als sie durch die Medien von dem Fall erfahren hat. Haben Sie die Bistumsleitung nicht darauf hingewiesen, dass sie nicht nur ein kirchenrechtliches Verfahren einleiten soll?

Laubenthal: Nach den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz obliegt seit September 2010 der Kontakt zu den Strafverfolgungsbehörden der Bistumsleitung beziehungsweise anderen kirchlichen Dienstgebern.

Das war nicht immer so.

Laubenthal: Als der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hierzulande 2010 seinen Höhepunkt erlebte, reagierte die Deutsche Bischofskonferenz. Sie beschloss, ab März 2010 nicht mehr nur interne Missbrauchsbeauftragte – wie bis dahin üblich – mit der Prüfung der Vorwürfe zu beauftragen, sondern auch externe Personen. Damals waren die externen Beauftragten auch die Kontaktpersonen zur Staatsanwaltschaft. Ab September 2010 nicht mehr. Damals traten reformierte Leitlinien in Kraft. So gesehen, wurden die Kompetenzen der Missbrauchsbeauftragten wieder beschnitten.

Sie sind aber als Strafrechtsprofessor ein Experte auf diesem Gebiet. Hat die Bistumsleitung Sie nicht um Rat gefragt?

Laubenthal: Ich bin diesbezüglich nicht gefragt worden. Für mich war der Fall abgeschlossen, als ich meine Plausibilitätsprüfung beendet hatte und den Bericht an den Würzburger Bischof übergeben habe. Damit waren meine Kompetenzen zunächst einmal beendet.

Wenn die Bistumsleitung Sie gefragt hätte, hätten Sie befürwortet, den Vorwurf an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten?

Laubenthal: Wenn man mich um meine Einschätzung und meinen Rat nachgefragt hätte, hätte ich angeregt, den Vorgang zunächst an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten.

Die Diözese Würzburg schreibt in ihrer Stellungnahme: „Die Feststellung der Staatsanwaltschaft zeigt, dass die Entscheidung der Diözese Würzburg, den Vorwurf eines offensichtlich verjährten mutmaßlichen Geschehens nicht zur Anzeige zu bringen, kein Vertuschungsversuch ist.“

Laubenthal: Wir müssen sauber trennen zwischen der Frage der Verjährung und der Frage der Stellung einer Strafanzeige bei den Strafverfolgungsorganen. Das eine hängt nicht notwendigerweise mit dem anderen zusammen.

Es obliegt allein der Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde, die Verjährungsfrage zu klären. Also zu prüfen, ob ein Strafverfolgungshindernis aus ihrer Sicht gegeben ist oder nicht. Über diese Frage zu befinden, liegt nicht in der Kompetenz anderer.

Die Diözese Würzburg schreibt weiter zum Punkt Vertuschung: „Aufgrund der sofortigen Weitergabe des Vorwurfes zur Aufklärung an den Missbrauchsbeauftragten Professor Dr. Klaus Laubenthal gingen und gehen alle Vorwürfe, die in diese Richtung laufen, ins Leere.“

Laubenthal: Es trifft zu, dass die Bistumsleitung in dieser Sache die Übermittlung eines zunächst sehr vagen Vorwurfs an mich veranlasst hat und ich mit meinen Ermittlungen im Rahmen der Plausibilitätsprüfung beginnen konnte. In welchem Zusammenhang dies mit späteren Entscheidungen der Bistumsleitung bezüglich des Stellens einer Strafanzeige stehen soll, erschließt sich mir nicht.

Nun kann durch die Verjährung als Strafverfolgungshindernis weder Schuld noch Unschuld festgestellt werden.

Laubenthal: Vonseiten der staatlichen Strafverfolgungsbehörden bleibt dieser Fall offen. Er wird in der Sache nicht weiter aufgeklärt – und in der Sache auch nicht entschieden. Es ist ein strafrechtliches Vakuum aufgrund der Verjährungsbestimmungen entstanden.

Das ist für Alexandra Wolf, die den Geistlichen des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, und sicher auch für den Beschuldigten eine sehr unbefriedigende Situation.

Laubenthal: Das ist natürlich misslich: einerseits für ein mögliches Opfer. Es kann nicht die Genugtuung erfahren, dass der Vorwurf in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung aufgeklärt wird und es gegebenenfalls zu einer Verurteilung kommt. Misslich ist es aber auch für die beschuldigte Person. Sie hat keine Chance, sich in einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung zu rechtfertigen und aus ihrer Sicht Dinge klarzustellen und zu erläutern. Sie hat auch keine Chance, zu einem Freispruch zu kommen, wenn das Gericht der Auffassung ist, sie sei unschuldig.

Aber es gab von Ihrer Seite plausible Gründe beziehungsweise Indizien, die dafür sprechen, dass der Vorwurf „erlebnisbasiert“ sein könnte – sonst wäre Ihre Prüfung ja anders ausgefallen?

Laubenthal: Das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung damals beruht darauf, dass ich diesen Vorwurf für plausibel gehalten habe und zusätzlich mehrere Indizien dafür sprachen. Und mir konnte zwischenzeitlich keiner weitere Indizien präsentieren, die mich veranlasst hätten, Gegenteiliges zu äußern.

Sie setzen sich für die Abschaffung der Verjährungsfristen ein, beraten seit Anfang 2015 die Bundesregierung beziehungsweise Justizminister Heiko Maas bei der Reform des Sexualstrafrechts.

Laubenthal: Ich fordere seit Jahren die Abschaffung aller Verjährungsfristen bei sexualbezogenen Straftaten zum Nachteil von Minderjährigen. Denn die Opfer brauchen nun mal Jahre und Jahrzehnte, bis sie in der Lage sind, darüber zu sprechen. Meist gelingt das erst, wenn sie ihren Missbrauch mithilfe von Therapeuten aufgearbeitet haben. Seit Anfang 2015 gibt es ja durchaus Verbesserungen seitens des Bundesgesetzgebers in diesem Bereich. Es wurde neu eingeführt, dass der Lauf der Verjährung ruht bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers.

Wenn sich die Rechtslage ändert, was würde das für diesen Fall bedeuten?

Laubenthal: Wenn ein Vorwurf verjährt ist, wie wir das gerade in dieser Konstellation haben, dann nützt auch keine Aufhebung der Verjährungsfristen. Verjährt bleibt verjährt.

In einem früheren Gespräch sagten Sie, es gibt einen Hinweis auf ein weiteres Opfer.

Laubenthal: Ich habe, bezogen auf einen Hinweis, Unterlagen von der Bistumsleitung erhalten. Ich werde jetzt die Prüfung beginnen. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Christine Jeske
Heiko Maas
Missbrauchsvorwürfe
Sexueller Missbrauch
Staatsanwaltschaft Würzburg
Strafverfolgungsbehörden
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • H. S.
    ist auch ein bischen spät, oder nicht?
    Wie soll man da prüfen, was stimmt oder nicht? Wenn es die ganze Zeit nicht gejuckt hat, kann es auch nicht so schlimm gewesen sein........
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. K.
    Dieser Mensch hat keine Ahnung wie es einem Missbrauchsopfer ergeht. Ich wünsche meinem ärgsten Feind eine solche Erfahrung nicht. Man ist wie gelähmt und schämt sich, weil man es nicht verhindern konnte (eigene Erfahrung). Vor 28 Jahren war man der Kirche hörig und hat noch von den Eltern prügel bezogen wenn man einen heiligen
    Kirchenmann angeklagt hat. Das würde von zahlreichen Missbrauchsopfern auch so bestätigt. Auch meine eigene Mutter mit 87 Jahren nimmt die Täter noch in Schutz !
    Das sagt alles !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. B.
    Nein, das sagt nichts! Sie differenzieren in keiner Weise und das wird ihnen zum Problem. Nicht "die Kirche" schlägt, sondern ein Pfarrer oder ein Religionslehrer. "Von den Eltern Prügel bezogen" - nein das war eben ihr konkreter Vater und nicht alle Väter dieser Welt. Wirklich Mißbrauchsopfer haben oft einen schweren Stand, nur wer ist "Mißbrauchsopfer"?? Für sie scheint der Täter und auch das Opfer klar zu sein - für mich ist es das nicht. Denn der "Beitrag" 28 Jahre später anklagen (??) hat auch sein Recht. Wer will wirklich alle Beweggründe, Gefühle, wirkliches Verhalten usw. nach 28 Jahren beschreiben können. Die Verjährung hat auch hier ihren Grund - wer kann nach langer Zeit noch gerecht sein??
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. K.
    Dieser Mensch hat keine Ahnung wie es einem Missbrauchsopfer ergeht. Ich wünsche meinem ärgsten Feind eine solche Erfahrung nicht. Man ist wie gelähmt und schämt sich, weil man es nicht verhindern konnte (eigene Erfahrung). Vor 28 Jahren war man der Kirche hörig und hat noch von den Eltern prügel bezogen wenn man einen heiligen
    Kirchenmann angeklagt hat. Das würde von zahlreichen Missbrauchsopfern auch so bestätigt. Auch meine eigene Mutter mit 87 Jahren nimmt die Täter noch in Schutz !
    Das sagt alles !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. K.
    Frau Wolf und das trifft für alle Opfer zu, hätte sich direkt an die Polizei (Staatsanwaltschaft) wenden sollen. Wenn ich von einem Missbrauchsbeauftragten missbraucht wurde sage ich das nicht dem nächsten (Laubenthal). Es ist doch klar, dass durch die Prüfung viel Zeit vergeht. Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.
    Weil der Täter in seinem Titel das Wort Dom.... trägt und damit das Gotteshaus beschmutzt hat habe ich ein ungutes Gefühl dort einen " Gottesdienst" zu besuchen.
    Wenn sich der Täter angeblich nichts vorzuwerfen hat, sollte er dies öffentlich klarstellen und nicht noch andere Kirchenmänner, die so unter Verdacht stehen, nicht mit in die Hölle ziehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. K.
    Frau Jeske sollte einen Bericht schreiben weshalb Frau Wolf den Täter nicht öffentlich benennt. Will sie nicht oder darf sie nicht ? Wird es ihr von der Kirche oder der Staatsanwaltschaft verboten ?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    schauen Sie im Internet nach. Der mutmaßliche Täter war bis 2010 selbst Mißbrauchsbeauftrager der Diözese Würzburg. Er war auch mal Direktor im Julianeum. Auch im Kilianeum war er tätig, aber nicht als Direktor. Beides Würzburg.
    Der mutmaßliche Täter wird keinen Fuß mehr vor die Türe setzen können. Die vermutlich geschädigte Frau, wird keine Genugtuung erfahren.
    Beides hat eine inkompetente, die Probleme unter den Teppich kehrende Bistumsleitung zu verantworten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. B.
    Namen von Beschuldigten?? Lieben sie öffentliche Hinrichtungen ohne Prozess?? Oder etwas galanter: wäre ihre Neugierde dann befriedigt?? In diesem Fall würde ich dem Genannten auf jeden Fall raten eine Verleumdungsklage einzureichen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    wie viele Silberlinge Sie von der Diözese in Aussicht gestellt bekamen, da Sie so sehr Partei für den mutmaßlichen Täter ergreifen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. B.
    dann bleibt ihnen nur noch das Geld? Im Blick auf die Wahrheit ist das allerdings ein armseliges Argument.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. B.
    Ungenauigkeiten. Sie behaupten " Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing" und das in Bezug auf den Missbrauchsbeauftragten. Laubental erhält aber keine Vergütung irgendwelcher Art. seine Aufgabe ist ehrenamtlich. Nichtsdestoweniger halte ich die Sein Amt für überflüssig. Anzeigen sollten direkt an den Staatsanwalt gehen. Ferner schreiben sie "Weil der Täter in seinem Titel das Wort Dom.... trägt und damit das Gotteshaus beschmutzt hat habe ich ein ungutes Gefühl dort einen " Gottesdienst" zu besuchen." -- Sie haben damit ohne Verhandlung einen Menschen als Täter bezeichnet; ferner haben sie die für einen vermeintlichen Täter die Unschuldsvermutung einfach aufgegeben. Das ist weder legitim noch hilfreich. so behaupte ich auch nicht, dass etwa Fr. Wolf eine Lügnerin wäre, die nur auf materielle Hilfe aus ist. ... Im Übrigen ist es nicht ihre Aufgabe, Menschen in die "Hölle" zu schicken. Zu erinnerung: Richtet nicht, damit ihr auch nicht gerichtet werdet
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. K.
    Entschuldigung ! Ich hätte schreiben müssen "der vermutete Täter"
    Ich habe ausdrücklich "mein Gefühl" beim betreten des Doms beschrieben und auch die Auffassung über die Hölle ist die, das der tatsächliche Täter ja bereits auf Erden die Hölle empfindet falls er ein Gewissen hat. Ist er unschuldig kann er sich dazu öffentlich erklären und kann in Ruhe weiterleben. Wenn ich ein reines Gewissen kann mir keiner etwas antun und kann mich zu erkennen geben bevor ich weiter in Verdacht stehe.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. B.
    dass sie noch glauben können, bei all den Vorverurteilungen wäre ein Finden der Wahrheit noch möglich. Für die meisten, die hier schreiben, liegt der Täter fest. Schuld an allem ist die "böse Amtskirche" - die Rolle der Medien - ansonsten als Lügenpresse beschimpft - wird an diesem Punkt unkritisch gelobt. So einfach ist das.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    Es bedarf deutlich mehr öffentlichen Druck, bis sich in der katholischen Amtskirche etwas ändert. Die Bistumsleitung mit Bischof Hofmann an der Spitze hat in diesem Fall auf breiter Front versagt. Ein Rücktritt von Bischof Hofmann ist mehr als angebracht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. Ö.
    da stimme ich ihnen voll zu!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten