Seit zehn Jahren gibt es die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt, kurz DGfPI. Der Verein berät Insitutionen bei der Entwicklung von Schutzkonzepten. In Würzburg feierte er nun sein Jubiläum mit einer Tagung zum Thema "Geschützt ... und dann?". Aber: Sind Kinder denn wirklich geschützt angesichts der schrecklichen Fälle von Kindesmissbrauch der letzten Zeit – wie dem Kinderporno-Fall in Würzburg?
Bei der Pressekonferenz im Vorfeld der Tagung, die bis Freitag in Kooperation mit Wildwasser Würzburg, der Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen, stattfand, waren die Aussagen deutlich. "Wir tun nicht das maximal Mögliche", sagte Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Kindesmissbrauchsbeauftragter der Bundesregierung. "Sexuelle Gewalt ist für ein Kind die größte Katastrophe."
Rörig hofft darauf, dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden
Über 12 000 Ermittlungsverfahren gibt es laut Rörig pro Jahr. "Hohe Zahlen, die uns erschrecken." Die meisten Übergriffe fänden in Familien statt. Der Kinderschutz müsste deshalb weiter verbessert, die Ressourcen dazu erhöht werden und die jeweilige Landesregierung und auch die Bundesregierung sich stärker für den Kinderschutz ausrichten. Rörig plädiert für die Einführung von Landesmissbrauchsbeauftragten und gibt die Hoffnung nicht auf, dass Kinderrechte – und damit der Kinderschutz – im Grundgesetz verankert werden.
Laut den Fachleuten fehlt es an finanziellen Mitteln für Schutzkonzepte und Beratungsmöglichkeiten in den "Schutzorten" Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen. Es fehle auch an gut ausgebildetem Personal sowie an Angeboten im ländlichen und im niederschwelligen Bereich.
Ministerialdirektor Markus Gruber vom Bayerischen Familienministerium klang das "zu negativ". Er wies darauf hin, dass bereits viel getan worden sei. Man sei auf einem guten Weg, aber das Gesamtkonzept könnte noch verbessert werden, ebenso die Vernetzung. Seine Stichworte waren unter anderen das Präventionsprojekt "Trau Dich!" und Fortbildungskonzepte, die seit 2018 erstellt werden, um noch mehr für das Thema zu sensibilisieren.
Modellprojekte wie "Trau Dich!" seien sicher wichtig, meinte Rörig. Der nächste Schritt sei jedoch, die Erkenntnisse in die Fläche zu bringen. "Das muss unser Ziel sein." Beim Kinderschutz sind die Aufgaben noch nicht erledigt, so DGfPI-Vorstandsvorsitzender Professor Wolfgang Feuerhelm. Ingrid Ruhter vom DGfPI-Vorstand wünscht sich "Beratungsstellen vor Ort" – zum Beispiel einen Raum in der Kindertagesstätte, der ohne Anmeldung besucht werden könnte.
Elisabeth Kirchner von Wildwasser Würzburg: Schutzkonzepte müssten entwickelt werden
Elisabeth Kirchner von Wildwasser macht sich für Schutzkonzepte an Schulen stark. Es gebe welche, aber sie müssten jeweils für die Einrichtung entwickelt werden. Das benötige mehrere Tage. Schutzkonzepte könnten nicht einfach mal schnell aus dem Internet heruntergeladen werden.
Direkt angesprochen, welche Konsequenzen die Missbrauchsfälle in Staufen, Lügde und Würzburg hinsichtlich der Verbesserung des Kinderschutzes haben, sprach Rörig von einer genauen Ursachenergründung. In Staufen gebe es eine "Vor-Ort-Gruppe", in der gemeinsam Fehler angeschaut werden. Wie konnte das passieren? Diese Frage müsste geklärt werden. Rörig hofft, dass durch die Untersuchung dieser Fälle "Verbesserungen im Kinderschutz erreicht werden." Und für Elisabeth Kirchner zeigt der aktuelle Fall von Würzburg noch einmal in deutlicher Weise in Bezug auf den Kinderschutz, dass die Mitarbeiter "sich diesem wichtigen Anliegen nicht nebenher widmen können", schreibt sie in der Pressemitteilung.