Sie gilt als eine der renommiertesten Disziplinen an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität: Allein fünf der 14 bisherigen Nobelpreisträger stammen aus der Chemie. Und weil gute Forschung nur in guten Räumen mit modernster technischer Ausstattung möglich ist, wird das Chemiezentrum am Hubland-Süd seit mehr als zehn Jahren saniert und ausgebaut.
Diese Woche wurde ein weiterer Meilenstein gesetzt - mit der Einweihung des fertigen Neubaus Anorganische Chemie und, direkt daneben, mit dem Spatenstich für das ICB, dem Institut für nachhaltige Chemie und Katalyse mit Bor. Dessen Leiter Prof. Holger Braunschweig gilt weltweit als einer der führenden Köpfe für dieses Element.
Bor-Experte Holger Braunschweig zählt zu den Weltbesten
"Schwer zu beherrschen" sei Bor, sagte Uni-Präsident Alfred Forchel beim Startschuss für den Forschungsbau. Experte Braunschweig habe es "gezähmt". Erst vor wenigen Tagen hatte der mit dem Leibnitz-Preis dekorierte Chemiker zusammen mit Kollegen im bedeutenden Wissenschaftsmagazin "Science" für Aufsehen gesorgt: Forschern aus Würzburg und Frankfurt war es gelungen, mit Hilfe von Bor zwei Moleküle Luftstickstoff direkt zu koppeln.
Von "internationaler Strahlkraft" der Universität Würzburg sprach Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU). Und der Standort werde durch die beiden Neubauten weiter gestärkt. Bis 2021 soll das 19 Millionen Euro teure, dreigeschossige ICB-Gebäude mit Laboren, Büros und Seminarräumen stehen und im zweiten Stock über eine gläserne Brücke mit der Anorganischen Chemie verbunden werden.
Man baue, sagte Jan Knippel vom Staatlichen Bauamt, nicht nur ein 50 Meter langes Haus, sondern eine "hochtechnisierte Maschine". Finanziert wird der Bau je zur Hälfte von Bund und Freistaat. Unter Braunschweigs Leitung soll am ICB ein international führendes Zentrum für die molekulare Chemie von Bor entstehen. Mit Hilfe des Elements wollen die Wissenschaftler Lösungen unter anderem für Ressourcenschonung und Energieeffizienz finden. Minister Sibler unterstrich beim Festakt: "Chemie und Pharmazie verbessern die Lebensqualität von Menschen, von der Beschäftigung mit Bor werden alle profitieren."
Während für das Bor-Institut nun die Baugrube ausgehoben wird, ist der Betrieb in der benachbarten Anorganischen Chemie bereits Ende Oktober angelaufen. Sechs Wochen lang war man aus dem nahen Altbau umgezogen. Dieser stammt aus den frühen 70er Jahren und damit den Anfängen der Anorganischen Chemie an der Uni Würzburg. Er war völlig veraltet.
Alte Anorganische Chemie wird abgerissen
"Eine Sanierung wäre für die sinnvolle Nutzung kaum möglich und absolut unwirtschaftlich gewesen", sagt Chemiker Stephan Wagner, der als Beauftragter der Fakultät für die Neubauten zuständig ist. Der Altbau wird nun abgerissen und macht Platz für ein geplantes Praktikumsgebäude.
Großer Vorteil im Neubau der Anorganischen Chemie ist laut Wagner die Bündelung von Einheiten, man spare Energie und Wege: "Alles läuft viel effektiver." Auf gut 4200 Quadratmetern wurden Labore, Büros und Seminarräume geschaffen, rund 120 Mitarbeitern stehen im Neubau 107 Laborarbeitsplätze zur Verfügung - und jede Menge nagelneuer Technik und Instrumente wie zum Beispiel im Kernresonanzlabor im Untergeschoss. Damit Versuche in geeigneter Atmosphäre laufen, werden pro Stunde 150.000 Kubikmeter Luft umgewälzt. Der Neubau hat drei Geschosse mit Labors, Büro- und Seminarräumen sowie einer eigenen Glasbläserwerkstatt: Hier werden Glasbehälter in den benötigten Formen und Größen für die ganze Fakultät hergestellt.
Kosten- und Zeitrahmen bei Neubau eingehalten
33 Millionen Euro hat der Freistaat in den Neubau der Anorganischen Chemie investiert. Dass sowohl Zeitplan wie auch Kostenrahmen eingehalten wurden, das ist laut Minister Sibler "leider längst nicht mehr der Normalfall." Für Chemie-Koryphäe Braunschweig ist das neue Gebäude ein Riesenfortschritt, selbst wenn es in einigen Bereichen schon wieder eng wird: "Etwas Besseres habe ich bisher noch nicht gesehen." Jetzt fehlt nur noch der nächste Nobelpreis.