
Die Vergabe von Studienplätzen für Humanmedizin in Deutschland ist teilweise verfassungswidrig. Dies hat am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden (Az. 1 BvL 3/14 und 4/14). Das aktuelle Verfahren stelle keine Chancengleichheit für die Bewerber her, urteilten die Richter. Im Grundsatz aber sei die Vergabe der Studienplätze nach Abiturnoten, Wartezeit und eigener Auswahl durch die Universitäten mit dem Grundgesetz vereinbar.
Neuregelung soll ab dem Sommersemester 2020 gelten
Bund und Länder müssen nun bis Ende 2019 die Mängel in ihren Gesetzen beheben. Eine Neuregelung könnte dann für Studierende ab dem Sommersemester 2020 greifen. Begrenzt werden muss die Wartezeit, über die – ebenso wie über die Abiturnote – ein Fünftel der Medizinerplätze vergeben wird. Die Wartezeit beträgt derzeit etwa 15 Semester, deutlich länger als die Studienzeit selbst. Ein konkretes Limit nannte das Gericht nicht, deutete aber eine Grenze von vier Jahren an.
„Völlig unzumutbar“ seien die Wartezeiten, findet Prof. Matthias Frosch, Dekan der Medizinischen Fakultät an der Universität Würzburg. Er begrüßt deshalb den Richterspruch, zumal die Abbrecherquote bei Studierenden mit langer Wartezeit deutlich erhöht sei. Seine Anregung an die Politik: Auf Wartezeiten komplett verzichten und stattdessen soziale Kompetenzen bei der Auswahl von Studienbewerbern stärker berücksichtigen. Hierzu gebe es standardisierte Verfahren.
Richter wollen Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit zwischen Unis
Neben einer allzu starken Gewichtung der Ortswahl kritisiert das Bundesverfassungsgericht auch das Fehlen von einheitlichen Kriterien in den Auswahlverfahren der einzelnen Hochschulen, worüber 60 Prozent der Studienplätze vergeben werden. Hier beschränken sich manche Unis auf die Abiturnote. Und die ist zwischen den Bundesländern nur schwer vergleichbar. Deshalb dürfe sie bei der Auswahl durch die Hochschulen nicht das einzige Kriterium sein. Weitere Kriterien solle der Gesetzgeber festlegen und nicht die Unis selbst.
„Nun gilt es, die Gesetzgebung in Bayern nochmals zu schärfen und den Kriterienkatalog zu konkretisieren“, sagt der Würzburger CSU-Landtagsabgeordnete und Hochschulpolitiker Oliver Jörg. Er fordert mehr Medizin-Studienplätze. Bayern gehe mit dem Aufbau einer weiteren Uniklinik in Augsburg voran.
Auch in Würzburg fünfmal so viele Bewerber wie Plätze
Für ein Medizinstudium an der Uni Würzburg lässt sich derzeit die Abiturnote noch auf verschiedene Weise „aufbessern“ – durch den Medizinertest um 0,1 bis 0,6 Bonuspunkte, eine medizinische Ausbildung um 0,2, ein Freiwilliges Soziales/Ökologisches Jahr um 0,1 Punkte. Oder um 0,2 Punkte durch mindestens einen dritten Platz im Landes- oder Bundesentscheid von „Jugend forscht“. Angesichts dieser vorhandenen Kriterien rechnet Dekan Frosch mit keinen gravierenden Veränderungen bei der Vergabepraxis an der Uni Würzburg.
Auch hier ist der Druck auf die Studienplätze groß. Für die 158 Erstsemesterplätze der Humanmedizin haben sich zum Winter laut Stiftung für Hochschulzulassung allein 768 Bewerber mit Würzburg auf Wunschplatz eins gemeldet. Insgesamt sind an der JMU aktuell rund 2600 Studierende im Fach Humanmedizin eingeschrieben – bei 29 000 Studierenden.
Hausärzteverband: Soziale Kompetenzen stärker gewichten
Dem bayerischen Hausärzteverband geht das Karlsruher Urteil nicht weit genug.
Er mahnt seit Jahren eine Reform an und kritisiert die starke Fixierung auf die Abiturnote. Landesvorsitzender Dr. Dieter Geis, Allgemeinmediziner aus Randersacker (Lkr. Würzburg): „Ein guter Hausarzt verfügt nicht nur über ein tiefes medizinisches Wissen, sondern auch über Empathie für den Umgang mit kranken und alten Menschen.“ Allerdings erwarte er durch das Karlsruher Urteil künftig mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der Vergabe der Studienplätze, so Geis.
Der Hausärzteverband fordert eine stärkere Berücksichtigung sozialer und pädagogischer Tätigkeiten, die Wiedereinführung des Medizinertests, eine Landarztquote und eine zehnprozentige Erhöhung der Studienplatzzahl.
Die Mauscheleien werden dadurch noch größer. Was der Kläger erreichen wollte: Mehr Studienplätze.
Übrigens kann man auch ein fachliches Genie sein, aber ADHS haben, um den Beruf ausüben zu können.