Unten stauen sich die Autos im Feierabendverkehr, oben schießen Schwalben kreuz und quer durch die Luft. Im Minutentakt fliegen die Vögel ihre Nester an einem Wohnhaus in der Würzburger Dreikronenstraße an. "Unter dem Dach wurden hier für die Vögel künstliche Nester und Kotbretter angebracht", freut sich Gudrun Helm über das Engagement. "Doch immer wieder werden auch Nester zerstört", sagt Claudia Barthelmes. Die beiden Würzburgerin wollen das verhindern und dazu beitragen, dass auch in Zukunft Schwalben und Mauersegler am Würzburger Sommerhimmel flitzen.
Warum Schwalben, Mauersegler und Sperlinge Hilfe brauchen
Schwalben und Sperlinge werden immer seltener, Mauersegler sind in Bayern vom Aussterben bedroht und stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Gründe dafür sind der Rückgang an Insekten, die für die Aufzucht der Jungen nötig sind, der Klimawandel und der Rückgang an Nistmöglichkeiten.
Die drei Vogelarten brüten an Gebäuden, und obwohl die Zerstörung ihrer Nester verboten ist, werden viele bei Sanierungen zerstört. "Oft weiß ja niemand, dass überhaupt welche da sind", erklärt Helm. Denn Mauersegler bauen anders als die optisch ähnlichen Schwalben keine Nester, sie brüten wie Sperlinge in Hohlräumen und Nischen, machen auch keinen Dreck und fallen somit weniger auf.
Jetzt haben die beiden Frauen mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) ein Monitoring für Gebäudebrüter in Würzburg gestartet. Sie wollen innerstädtische Nistplätze kartieren, um das Verzeichnis der Unteren Naturschutzbehörde zur Verfügung zu stellen.
60 Gebäude mit Schwalben- und Mauerseglernestern kartierte Gudrun Helm bereits im vergangenen Jahr. Nach der Berichterstattung dieser Redaktion haben rund 20 Würzburger Nester bei ihr gemeldet. "Viele Menschen sind über den Rückgang der Vögel besorgt und wollen etwas dagegen tun", berichtet Helm. Denn die Zugvögel gehören für viele Stadtmenschen zu einem Sommer in Würzburg dazu. "Wenn die Mauersegler wieder am Himmel waren, durften wir die Strumpfhosen ausziehen," habe ihr zum Beispiel eine Frau aus Heidingsfeld von ihrer Kindheit erzählt.
Jeder kann Nester in die Datenbank eintragen
Gudrun Helm und Claudia Barthelmes haben Infomaterial über Gebäudebrüter und Anleitungen für die Beobachtung auf die Homepage des LBV gestellt. So kann jeder während der Brutzeit zwischen April und September Nistplätze an Häusern mit Adresse, Beschreibung und Foto selbst in die Gebäudebrüterdatei eintragen oder einen Erfassungsbogen ausfüllen und den Vogelschützern mailen (Kontakt: mauersegler-wuerzburg@lbv.de). Außerdem bieten die beiden Frauen auch individuelle Spaziergänge an, bei denen man Gebäudebrüter beobachten und etwas über die Natur in der Stadt erfahren kann.
"Spezielle Kenntnisse braucht man zum Melden von Nistplätzen nicht", sagt Claudia Barthelmes. So könne die zufällige Beobachtung eines Sperlingsnestes an einem Haus genauso in die Datenbank eingetragen werden, wie Sichtungen, die man bei einem Abendspaziergang macht, wenn man gezielt nach brütenden Mauerseglern sucht.
Alle von den Bürgern eingetragenen Nistplätze werden anschließend von den beiden Vogelschützerinnen aufgesucht und bestätigt. Besonders würden sich Gudrun Helm und Claudia Barthelmes über Mitstreiterinnen und Mitstreiter freuen, die ihnen helfen, die Würzburger Stadtteile systematisch zu kartieren.
Die Untere Naturschutzbehörde im Rathaus freut sich über das Engagement der Vogelschützerinnen. "Das ist ein wertvoller Beitrag für den Artenschutz in Würzburg. Denn nur, wenn wir wissen, an welchen Gebäuden in der Stadt die Vögel brüten, können wir aktiv werden", sagt Rathaussprecher Christian Weiß.
Um Nistmöglichkeiten zu erhalten oder zu ersetzen, würde die Stadt Hausbesitzern raten, sich vor Sanierungen von Naturschutzorganisationen oder einem Gutachterbüro beraten zu lassen. Im Baubescheid werde auf die Bestimmungen zum Artenschutz hingewiesen, kontrolliert werde die Einhaltung stichprobenartig. "Auch da ist die Kartierung natürlich hilfreich für uns", sagt Weiß.
Warum sich die Frauen engagieren
"Ich liebe Vögel schon immer", erklärt Claudia Barthelmes ihr Engagement. Sie ist seit über 30 Jahren beim LBV aktiv und hört das Zwitschern einer Mönchsgrasmücke oder das Pfeifen eines Spechts auch im Straßenlärm. Nach Nistplätzen muss die 48-Jährige nicht lange suchen. "Die fallen mir bei meinen Wegen durch die Stadt ins Auge."
Gudrun Helm haben die Sorgen über Klimawandel und Artenschwund zur Vogelschützerin gemacht. "Mir hilft es, wenn ich etwas dagegen tun kann", erklärt die 55-Jährige. Und das gelingt mit dem Monitoring-Projekt sehr gut: "Jeder geschützte Nistplatz ist ein Erfolg."