Georgien. Ein Land zwischen Europa und Asien, umrandet von den Berggipfeln des Kaukasus auf der einen Seite und den Stränden des Schwarzen Meeres auf der anderen Seite. Ursprüngliche Landschaften und alte Kirchen und Klöster faszinieren genauso wie die junge Metropole Tiblisi (früher Tiflis). Eine besondere Rolle spielt auch der Weinbau: Denn Georgien gilt mit seinen über 500 Rebsorten als die Wiege des Weins.
"Schon vor 8000 Jahren wurden hier Trauben in großen, im Boden eingelassenen Tonamphoren, Qvevri genannt, zu Wein vergoren", erklärt Hermann Kolesch, Präsident der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim (LWG). Eine Methode, die auch heute noch praktiziert wird und 2013 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde. In den Boden müssen die Qvevris vor der Befüllung vergraben werden, da sie sonst auseinander brechen würden, weiß Kolesch. Im Inneren sind sie zum Schutz häufig mit Bienenwachs beschichtet.
Die gigantischen Amphoren fassen bis zu 2000 Liter Wein und sind von Hand getöpfert. Über zwei dieser Qvevris verfügt auch die Landesanstalt seit etwa vier Jahren. "In einem Projekt an unserer Schule beschäftigten wir uns intensiv mit dem Wein aus der Amphore und dessen Tradition und wandten die Methode selbst an." Das sei der erste Zugang zum Land Georgien gewesen, so Kolesch. Was folgte war ein intensiver Austausch mit einem ehemaligen Weintechniker-Schüler, der heute in Georgien Weinbau betreibt. Da kam das Projekt der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) der Bundesrepublik Deutschland eigentlich wie gerufen. Die Landesanstalt Veitshöchheim wurde als externer Experte zum Aufbau der privaten Weinwirtschaft in Georgien ausgewählt. Das war 2014.
Kleine Familienbetriebe waren verschwunden
"Als ich das erste Mal nach Georgien reiste, war ich selbst ein bisschen überrascht, welche Wichtigkeit der Wein hier hat", berichtet Kolesch. Die Georgier seien sehr gastfreundlich und der Toast, der "auch sehr persönlich" beim Anstoßen des Weinglases mit Gästen gesprochen werde, gehöre einfach dazu. Am meisten faszinierte ihn die Farbe des Qvevri-Weißweins, wie "ein leuchtender Bernstein", weshalb die Weine auch als "Amber"- oder "Orange-Wines" bezeichnet werden.
Leider habe das Land durch die 80 Jahre Sowjet-Herrschaft viel an Selbstbewusstsein eingebüßt, auch der traditionelle Weinanbau ging fast verloren. "Der eher süßliche und schwere Wein (Anmerk. d. Red.: der nicht dem ursprünglichen Geschmack des Qvevri-Weins entspricht), der über Jahrzehnte nach Russland verkauft wurde, wurde in Massen in riesigen Manufakturen hergestellt. Die kleinen Familienbetriebe verschwanden", erklärt Kolesch.
Begriff Qvevri soll geschützt werden
Seit der Unabhängigkeit Georgiens 1991 ist das Land mit seinen etwa 3,7 Millionen Einwohnern im stetigen Wandel. Auch in puncto Weinbau hat eine neue Ära begonnen – die durch das GIZ-Projekt weiter gefördert wird. Angesichts des Fachkräftemangels im Weinbau sei es wichtig, die Menschen, die mit Qvevris arbeiten, zusammenzubringen, damit ein Austausch entsteht und gezielte Weiterbildung ermöglicht wird, so Kolesch. "Wir wollen auch dafür sorgen, dass der Begriff Qvevri-Wein geschützt wird, er ist schließlich ein Alleinstellungsmerkmal."
Mithilfe der Landesanstalt Veitshöchheim und nach deutschem Vorbild wurde ein für Georgien neuartiges duales Konzept zur Berufsausbildung im Weinbau geschaffen: "Es besteht aus einer Kombination der beruflichen Ausbildung zum Winzer/Weintechnologen sowie der Ausbildung in der Staatlichen Meister- und Technikerschule für Weinbau und Önologie", erklärt der Leiter des Instituts für Weinbau in Veitshöcheim, Georg Bätz.
Dieses Jahr gehen die ersten Winzer aus der dualen Ausbildung hervor. Bätz, der das Projekt von Anfang an mit begleitet hat, freut sich: "Damit wird für Georgien der Grundstein gelegt, den traditionellen Weinbau zu bewahren und den Weintourismus anzukurbeln." Eine kleine Anekdote: Für viele Betriebe sei es erstmal nicht ersichtlich gewesen, warum sie ihren Auszubildenden ein Gehalt zahlen sollten.
Qualifizierung zum Gästeführer
Da zu einem guten Weintourismus auch Präsentation und Vermarktung gehören, will die LWG in diesem Jahr für Georgien auch die Ausbildung zum Gästeführer etablieren, der mit Erlebnisführungen beispielsweise durch die Wein-Region Kachetien begleitet. In den großen Städten, vor allem Tiblisi, gebe es bereits modernste Vinotheken, zeigt sich Kolesch begeistert. Und in attraktiven Klöstern auf dem Land werde Weinwirtschaft mit dem Angebot gekoppelt, dort zu nächtigen. "Es tut sich was. Was in der georgischen Gastronomie noch fehlt, sind Weinlokale und Heckenwirtschaften."
Wie spannend die traditionelle Weinherstellung im Qvevri sein kann, hat nicht nur die LWG ausprobiert, auch weitere fränkische Winzer haben sich nach Besuchen in Georgien einen Qvevri zugelegt. Kolesch nennt das Weingut am Stein oder Rothe aus Nordheim (Lkr Kitzingen). "Ich finde diese Art Kooperationen super. Sicher werden wir uns auch in Zukunft weiter austauschen."
Seit vergangenem Jahr setzt sich die LWG in einem Projekt auch für den georgischen Honig ein. "Ziel ist die Verbesserung der Honigqualität und des Imkereiwesens in Georgien", erklärt Kolesch. Damit sollen Exportmöglichkeiten in die EU geschaffen werden. Bisher nämlich konnte der Honig aufgrund von Verunreinigungen (analytische Qualität) nicht in die EU exportiert werden.
Bei all der Vielfalt, die Georgien zu bieten hat, zitiert Kolesch gerne eine alte Sage: "Als Gott das Land an die Völker verteilte, verschliefen dies die Georgier und kamen zu spät. Zuerst zürnte der Herr, denn alles Land war bereits verteilt. Doch die Fröhlichkeit und Herzlichkeit der Menschen dieses Volkes versöhnten ihn und er schenkte ihnen einen Flecken Erde, den er eigentlich sich selbst vorbehalten hatte."