
Verklärt. Es gibt keine andere Beschreibung für Andreas Jutzis Gesichtsausdruck, wenn er die Aufzeichnung des Anrufs abspielt, mit dem für ihn und seine Frau ein Traum wahr wurde. An einem Freitagmorgen Ende Oktober in einem Hotelzimmer in Osnabrück erfuhr das Ehepaar, dass es den Jahreswechsel an einem Strand in Mexiko verbringen wird, bei einem Konzert der Band "Rammstein". Flug, Konzert, Fünf-Sterne-Hotel: alles gewonnen beim Radiosender Rock Antenne, der bei Jutzis fast ohne Unterbrechung läuft.

Die beiden sind Rammstein-Fans der ersten Stunde
Es hat die Richtigen getroffen. Andreas Jutzi und seine Frau Marion sind Rammstein-Fans der ersten Stunde. Als 1995 das erste Album "Herzeleid" herauskam, packten die brachiale Musik und die knallharten Texte den Lkw-Fahrer aus Ochsenfurt. Dass hier eingefleischte Rock- und Metal- und im Speziellen Rammstein-Fans daheim sind, ist dem Haus der Jutzis auf den ersten Blick anzusehen: Gitarren und Metal-Deko an den Wänden, dazu zwei Zeichnungen von Rammstein-Mitgliedern, die ein talentierter Freund aus Rumänien während eines Konzertes angefertigt hatte. "Wir haben alle Alben und sind im Rammstein-Fanclub", ergänzt Jutzi fast unnötigerweise. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, präsentiert er eine Brot-Box im Rammstein-Look, die er geschenkt bekam.

Trotzdem hat es das Ehepaar in all den Jahren nie geschafft, ein Rammstein-Konzert zu besuchen. "Entweder, weil es keine Tickets mehr gab oder weil es terminlich nicht hingehauen hat", sagt Andreas Jutzi. Doch dann kommt der "Rocktober" auf Rock Antenne. Eine Aktion, bei der in regelmäßigen Abständen ein Rammstein-Titel im Programm läuft. Wer dann beim Sender anruft und durchkommt, kommt in den Topf für die Auslosung, bei der es eine Reise zu gleich zwei Konzerten der Band im mexikanischen Puerto Vallarta zu gewinnen gibt. Klar, dass Marion und Andreas Jutzi fleißig mitmachen.
Wochenlang tun sie nichts anderes, als sich die Finger wund zu wählen. "Immer war besetzt", erinnert sich Marion Jutzi. Nur an einem Mittwoch nicht, als sie gerade beim Häkeln ist und im Radio die Andeutung vernimmt, dass es nun langsam wieder mal so weit sein könnte mit einem Rammstein-Song. Die erste Note ist noch nicht verklungen, da drückt Marion Jutzi schon die Wahlwiederholung am Telefon - und hört erst ein Freizeichen und dann die Stimme des Moderators. "Ich war so platt, dass ich das Telefon gleich rauf zu meinem Mann getragen habe", sagt Marion Jutzi.
Schritt eins ist damit geschafft: Der Name "Jutzi" befindet sich im großen Lostopf. Trotzdem erscheint den beiden Ochsenfurtern die Gewinnchance ziemlich gering. "Da hatten mehr als tausend Leute mitgemacht", sagt Andreas Jutzi. Aber er schaltet dennoch an jenem Freitagmorgen, wie vom Sender gewünscht, pflichtschuldig das Handy ein. "Als es plötzlich klingelte, dachte ich, zu Hause sei etwas passiert", erzählt Marion Jutzi. Zu Hause ist nichts passiert. Aber bei Rock Antenne. Dort ist gerade die Nummer des Ochsenfurter Ehepaars aus dem Lostopf gefischt worden. "Das ist der Oberhammer!", ruft Andreas Jutzi in den Hörer, seine Frau tigert derweil aufgeregt im Hotelzimmer auf und ab. "Ich krieg' jetzt noch eine Gänsehaut, wenn ich daran denke", verrät der 57-Jährige.
Silvester wird diesmal nicht mit den Nachbarn gefeiert
Der Tag ist für die beiden gelaufen. Freudentaumel, Adrenalin. "Wir haben noch nie etwas gewonnen, zumindest nichts Materielles", sagt Marion Jutzi. "Und dann gleich so etwas." Für die 58-Jährige ist die Reise nach Mexiko der erste Flug ihres Lebens. "Da müssen wir jetzt durch", schmunzelt sie. Normalerweise bevorzugt das Ehepaar ruhige Urlaube im Bayerischen Wald. Umso ungeduldiger fiebern sie jetzt der Reise nach Mittelamerika entgegen. Zwei Rammstein-Konzerte erwarten sie dort: das erste am 31. Dezember 2018 und ein weiteres am 2. Januar 2019. Beide Male am Strand des Pazifik, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel. Spaßeshalber hat Andreas Jutzi nachgeguckt, was das Logieren in diesem Haus den Normalverbraucher so kosten würde - und kam zu dem Schluss, dass er sich das zweimal überlegen würde.
Im Bekanntenkreis freut man sich mit den beiden. "Wir bekamen Glückwünsche ohne Ende", erzählt der Lkw-Fahrer. Nur ein leiser Wermutstropfen mischt sich in die Euphorie. Denn in diesem Jahr fällt die traditionelle Silvesterfeier mit den "besten Nachbarn, die man sich vorstellen kann", aus. Das Feuerwerk, das Karaoke-Singen - diesmal alles ohne die beiden Jutzis, die stattdessen die Band sehen werden, die sie schon seit Jahren endlich einmal live erleben wollen. Die Einzelheiten der Reise kennen die beiden noch nicht. Sie wissen nur, dass sie limitierte VIP-Tickets erhalten - vielleicht sogar mit einer Chance, die Band zu treffen? Aber auch wenn nicht: Allein zu diesen Konzerten zu fahren, die Songs zu hören, die Musiker zu sehen - das bedeutet viel für Marion und Andreas Jutzi. "Das ist ein ganz spezieller Sound, der sich nicht kopieren lässt", sagt der 57-Jährige. "Da lohnt es sich, Fan zu sein."
Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Aber es sei ihm gegönnt.