Die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen stehen schon seit Längerem in der Kritik. Zuletzt rückten sie nach dem Corona-Ausbruch bei Deutschlands größtem Schlachtereikonzern Tönnies in den Fokus der Öffentlichkeit. Oftmals sind die in Schlachtung und Zerlegung tätigen Arbeiter nicht direkt bei den Schlachthofbetreibern angestellt, sondern über sogenannte Werkverträge bei einem Subunternehmer. Dabei kommt es Medienberichten zufolge immer wieder zu Verstößen bei Arbeitszeit und Arbeitssicherheit. Die Leidtragenden: vor allem Arbeiter aus Osteuropa. Wie Recherchen dieser Redaktion ergaben, besteht gegen zwei Betriebe in der Region zumindest der Verdacht, sich Arbeitskräfte auf eine solche Weise organisiert zu haben.
Ermittlungen gegen Betriebe im Landkreis Würzburg und Main-Tauber
Wie die Staatsanwaltschaft Augsburg auf Nachfrage bestätigt, führt sie Ermittlungen gegen die Verantwortlichen eines Schlachtbetriebs in Aub (Lkr. Würzburg) sowie eines Großschlächterei- und Zerlegebetriebs in Grünsfeld (Main-Tauber-Kreis). Die Spur führt dabei bis in die Slowakei.
Die Untersuchungen sind Teil eines Ermittlungsverfahrens gegen Unternehmer aus dem Großraum Augsburg. Sie sollen – so der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft – zwei Scheinfirmen in der Slowakei ohne Geschäftsbetrieb gegründet haben und "lediglich zu dem Zweck", von dort "vermeintliche Arbeitnehmer" der beiden slowakischen Gesellschaften an ihre deutschen Unternehmen zu entsenden. Dazu sollen sie sich "betrügerisch erlangter A1-Entsendebescheinigungen" bedient haben. Mitarbeiter von Unternehmen benötigen diese Bescheinigungen über ihre Sozialversicherung für jede dienstliche Reise ins EU-Ausland.
Geschäftsräume in Aub durchsucht
Die so "nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer" sollen dann, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft, an die Unternehmen in Aub und Grünsfeld "überlassen worden sein". Dabei bestehe der Anfangsverdacht, dass die Verantwortlichen der mainfränkischen Unternehmen über das System Bescheid wussten. Ihnen wird Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt vorgeworfen.
Bereits im Februar 2019 hatte das Landgericht Augsburg eine Durchsuchung der Geschäftsräume in Aub angeordnet. Laut dem Beschluss, der der Redaktion vorliegt, sollten die Ermittler damals unter anderem Lohn- und Meldeunterlagen, Stunden- und Schichtaufzeichnungen sowie Schichtpläne, Personalakten und Unterlagen zur Personalakquise sicherstellen. Dies ist laut Staatsanwaltschaft geschehen. "Die Auswertung dieses Materials dauert an", heißt es. Ein Abschluss der Ermittlungen sei vor Ende dieses Jahres unwahrscheinlich.
Beschuldigte: "Stets rechtmäßig" gehandelt
Ob derzeit noch Arbeiter, die über die slowakischen Subunternehmen entsandt wurden, bei den Betrieben in Aub oder Grünsfeld beschäftigt sind, ist unklar. Diese Frage sei ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Augsburg. Im Mai erklärte die Auber Firma gegenüber dieser Redaktion, derzeit habe sie rund 100 Mitarbeiter, etwa ein Dutzend von ihnen soll aus dem Ausland kommen.
Aktuell wollten sich die Verantwortlichen in Aub nicht zu den Vorwürfen äußern. Von dem Großschlächterei- und Zerlegebetrieb in Grünsfeld hieß es auf Anfrage der Redaktion, mit Blick auf die laufenden Ermittlungen könne man keine weiteren Auskünfte erteilen, aber: "Unser Unternehmen beachtet die geltende Rechtslage und hat dies auch in der Vergangenheit getan." Über seinen Anwalt lässt der Verantwortliche der Firma aus Aub ausrichten, er bestreite die Vorwürfe gegen ihn und habe "stets rechtmäßig" gehandelt.
Das Unternehmen aus dem Großraum Augsburg, dass die Mitarbeiter aus Osteuropa nach Aub und Grünsfeld vermittelt haben soll, ließ eine schriftliche Anfrage der Redaktion unbeantwortet.