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Würzburg
Linken-Chef Riexinger in Würzburg: "Wir dürfen nicht werden wie die Grünen"
Seit der Thüringen-Wahl wird die Rolle der Linken als Regierungspartei wieder diskutiert. Was ist die Strategie der Partei? Welche Machtoptionen verfolgt Bernd Riexinger?
Will einen 'Linken Green New Deal': Bernd Riexinger, Co-Vorsitzender der Linken.
Foto: Thomas Obermeier | Will einen "Linken Green New Deal": Bernd Riexinger, Co-Vorsitzender der Linken.
Torsten Schleicher
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:29 Uhr

Auf einer Konferenz in Kassel will die Partei "Die Linke" an diesem Wochenende ihre Strategie überdenken. In dieser Woche war Bernd Riexinger zu Gast in Würzburg. Der 64-jährige Gewerkschaftssekretär und Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg ist seit 2012 zusammen mit Katja Kipping Parteivorsitzender der Linken. Ein Gespräch über den Umgang seiner Partei mit der CDU und die Rolle im linken Spektrum.

Frage: Seit der Thüringen-Wahl wird in der Union heftig über den Umgang mit der Linken gestritten. Verfolgen Sie die Debatte auch mit einer gewissen Genugtuung?

Bernd Riexinger: Die Entwicklungen sind zumindest beachtlich. Ich habe die Position der Union, also die Gleichsetzung von links und rechts, schon immer falsch gefunden. Wenn man sich die AfD anschaut, dann ist das eine Partei, die die Demokratie abbauen, vielleicht sogar zerstören will. Sie arbeitet mit den Mitteln der Hetze und des Rassismus. Die Linke ist eine Partei, die die Demokratie ausbauen und auch auf die Wirtschaft ausdehnen will, die für Menschenrechte und eine weltoffene Gesellschaft steht. Die CDU kann nicht behaupten, dass wir außerhalb des demokratischen Spektrums stehen. Damit tut sie sich auch keinen Gefallen, denn es gibt auch unter CDU-Wählern eine Empörung darüber, dass mit ihrer Wahlentscheidung auch die AfD mit ins Boot geholt wurde.

Aber können Sie nachvollziehen, dass man Blick auf die Geschichte der DDR Ihrer Partei nach wie vor mit Reserviertheit begegnet?

Riexinger: Ich kann das nachvollziehen bei Leuten, die in der DDR schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber die Linke war ja nicht nur der Zusammenschluss von WASG und PDS, sondern das war die Gründung einer neuen Partei. In Bayern beispielsweise sind 86 Prozent der Mitglieder direkt in die Partei Die Linke eingetreten, die haben mit den beiden Vorgängerorganisationen gar nichts zu tun gehabt.

Sie verlangen in Thüringen von der CDU eine Quasi-Tolerierung einer von der Linken geführten Regierung. Können Sie sich auch vorstellen, als Linke eine CDU-geführte Regierung zu stützen?

Riexinger: Die Linke würde nicht mit der CDU koalieren. Aber wenn wir bestimmte Bedingungen durchsetzen und nur so die AfD fernhalten können, werden wir schon eine konstruktive Rolle spielen. Wir kämpfen jedoch für eigene linke Mehrheiten.

Redaktionsbesuch in Würzburg: Bernd Riexinger (links) im Gespräch mit dem Würzburger Redaktionsleiter Torsten Schleicher.
Foto: Thomas Obermeier | Redaktionsbesuch in Würzburg: Bernd Riexinger (links) im Gespräch mit dem Würzburger Redaktionsleiter Torsten Schleicher.
Auf kommunaler Ebene gibt es schon Kooperationen zwischen der Linken und der Union, auch der CDU-Ministerpräsident Daniel Günther schließt eine inhaltliche Zusammenarbeit nicht aus. Ist zumindest in den Ländern die Union für die Linke perspektivisch ein Partner?

Riexinger: Da sind wir in den Positionen zu weit auseinander. Wir wollen ja die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern, Wir stehen klar für soziale Gerechtigkeit, für mehr Investitionen und nicht für die schwarze Null wie die CDU. Wir wollen einen Politikwechsel, und da kann ich mir nicht vorstellen, dass das mit der CDU möglich ist. Das ist schon mit der SPD und den Grünen schwer genug.

Aber verbauen Sie sich da nicht gerade in den ostdeutschen Bundesländern Machtoptionen?

Riexinger: Wir dürfen da nicht nur auf Machtoptionen schielen. Sonst würden wir auch der AfD überlassen, die einzige Partei zu sein, die in grundlegender Opposition zur Union steht. Ich glaube auch, dass wir wieder eine stärkere Unterscheidung zwischen links, bürgerlich und rechts brauchen. Es muss wieder klarere Alternativen in der Gesellschaft geben. Es war das große Problem der SPD, dass sich CDU und SPD so ähnlich geworden sind. Das hat den Aufstieg der AfD befördert.

Aber das war und ist ja vielleicht auch ein Problem Ihrer Partei. Wenn man von dem starken Ergebnis in Thüringen mal absieht, das auch mit der Person Ramelows zu tun hat, ist es für Sie in Ihrer früheren Bastion Ostdeutschland deutlich bergab gegangen. In Sachsen und Brandenburg erreichte die Linke zuletzt nur noch gut zehn Prozent.

Riexinger: Wir haben ein strukturelles Problem in den Ostländern – und ein politisches. In Brandenburg hat sich die Linke zum Beispiel stark in Richtung Sozialdemokratie geöffnet. Da ist vielleicht auch das eigene Profil unklar geworden. Und wir haben dort auch ein Generationsproblem. Im Westen haben wir Zulauf von jungen Leuten, im Osten wählen uns vor allem die Älteren. Wir müssen auch dort auf eine Verjüngung und Erneuerung unserer Partei setzen.

Das heißt, die Linke ist auch von der gesellschaftlichen Entwicklung überholt worden?

Riexinger: Ich glaube nicht, dass wir als Linke da etwas verpasst haben. Aber die Linke im Osten hatte sich stark gespeist aus der Art und Weise der Vereinigung. Es gab sehr viele, die aus negativen Erfahrungen mit der Wende heraus links gewählt haben. Jetzt müssen wir verstärkt neue Gruppen wie Erzieherinnen, Pflegekräfte und Industriearbeiter gewinnen. Als gesamtdeutsche Partei sind wir aber sehr zufrieden. Im Westen liegen wir in bundesweiten Wahlen bei acht Prozent, in den Städten werden wir oftmals schon zweistellig.

Allerdings kommen Sie im Westen in der Fläche auch nicht über drei, vier Prozent hinaus.

Riexinger: Sie werden sehen, dass wir bei den Kommunalwahlen in Bayern einen richtig Sprung nach vorn machen werden. Wir mussten diesmal keine Unterschriften mehr sammeln und können überall antreten. Für uns kandidieren rund 1800 Kandidaten, die größtenteils zum ersten Mal antreten. Wir werden unsere Mandate verfünf- bis verzehnfachen. Damit bauen wir die Verankerung der Partei von unten her auf.

Im linken Spektrum sind Grünen sehr viel erfolgreicher als die Linke. Hat die Linke das Klimathema unterschätzt?

Riexinger: Die Grünen sind erfolgreich, weil sie stark in die Mitte gegangen sind. Diesen Anpassungsprozess wollen wir nicht vollziehen. Wir können klimapolitisch durchaus grüner sein als die Grünen, aber wir dürfen nicht werden wie die Grünen. Deshalb werbe ich für ein gesellschaftliches Projekt der Linken, einen Linken Green New Deal, bei dem wir die Fragen des Klimaschutzes und der sozialen Gerechtigkeit, den Umbau der Wirtschaft und Verteilungsgerechtigkeit miteinander verbinden. Wir wollen nicht, dass sich die Menschen entscheiden müssen zwischen ihrem Job und der Zukunft ihrer Kinder. Das Ziel muss eine emissionsfreie Wirtschaft sein, wir wollen aber auch Wohlstand neu definieren: mehr Geld ins Gemeinwohl investieren für bezahlbarem Wohnraum zum Beispiel, für gute Pflege oder kostenfreien ÖPNV.

Wie realistisch ist Rot-Rot-Grün im Bund?

Riexinger: Ich sehe bei der neuen SPD-Führung, dass sie in einigen Punkten auf uns zukommt, beim Zwölf-Euro-Mindestlohn etwa oder der Vermögenssteuer. Die größere offene Frage werden die Grünen sein. Die Grünen wollen derzeit keine Entscheidung fällen zwischen Schwarz-Grün und Rot-Rot-Grün. Es wird davon abhängen, ob die Grünen weiter so herum eiern und sich alles offen halten, oder ob sie sich entscheiden für ein linkes politisches Projekt.

 
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