Der Lieferengpass bei Medikamenten nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Nach den Worten von Thomas Metz, dem Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands, hat er sich seit Sommer nochmals verschärft. Waren im Frühsommer in Bayerns Apotheken rund 180 Medikamente nicht lieferbar, fehlen jetzt Metz zufolge "250 bis 300" Medikamente. Metz rät daher dringend allen Patienten, vor den Feiertagen ihre Arzneimittelvorrat zu checken.
Vor allem Chroniker, die auf die Arznei angewiesen sind, sollten frühzeitig aktiv werden
"Vor allem Chroniker, die angewiesen sind auf ihre Arznei und absehen können, was sie brauchen, sollten vor Weihnachten nochmal überprüfen, ob sie die nötigen Medikamente haben", rät Metz. Keinesfalls solle man warten, bis die letzte Tablette genommen sei, sondern sich "frühzeitig um Ersatz kümmern". Sinnvoll sei es, den Hausarzt, der die Beschwerden und die Krankheitsgeschichte seiner Patienten genau kenne, noch vor Weihnachten um ein neues Rezept zu bitten. "Andernfalls muss man in den Feiertagen einen Arzt bemühen, der mit dem Fall nicht vertraut ist oder gar zum Notarzt gehen; das ist für alle Beteiligten umständlicher."
Der Sprecher des Apothekerverbands rät auch dazu, das Rezept frühzeitig in die Apotheke zu bringen, weil es immer öfter vorkomme, dass aufgrund von Lieferengpässen die Pharmazeuten lange suchen und herumtelefonieren müssten, um ein spezielles Medikament zu bekommen. Bedingt durch Lieferengpässe hätten Bayerns Apotheker "fünf bis sechs Arbeitsstunden pro Woche Mehrarbeit". Die größte Herausforderung für Apotheker sei es, Ersatzmedikamente für nicht lieferbare Epileptika und Antidepressiva zu beschaffen. In diesen Fällen seien Patienten auf Präparate eingestellt und der Ersatz müsse passgenau sein.
Zu den "Top 10" der nicht lieferbaren Medikamente zählen laut der Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände aktuell Schmerzmittel wie Ibuprofen, Blutdrucksenker wie Valsartan, Säureblocker wie Pantoprazol und Antidepressiva wie Opipramol.
Auslagerung der Wirkstoff-Produktion in asiatische Länder wirkt sich problematisch aus
Als Ursache der Lieferengpässenennen Apotheker den Kostendruck im Gesundheitswesen. Pharmafirmen ließen zu rund 80 Prozent benötigte Wirkstoffe in Fernost produzieren. Stehe dort die Produktion zeitweilig still oder werde eine Charge aus Qualitätsgründen nicht freigegeben, könnten oft gleich mehrere Hersteller ihre Arzneimittel nicht liefern.
Auch benachbarte Länder wie Österreich oder die Schweiz hätten unter Lieferengpässen zu leiden, sagt Metz. "Die Situation in Deutschland wird aber durch die Rabattverträge verschärft". Gesundheitsexperten wie etwa der SPD-Politiker Karl Lauterbach fordern deshalb seit langem, die industrielle Wirkstoffproduktion lebensnotwendiger und unersetzlicher Arzneimittel „nach Deutschland oder zumindest nach Europa zurück(zu)verlagern“ und Rabattverträge nicht nur mit einem Hersteller zu schließen.