
Darf ein Lehrer, der einer minderjährigen Schülerin anzügliche Textnachrichten geschickt hat, weiter unterrichten? Wie gehen Schulämter und das bayerische Kultusministerium damit um? Ein aktueller Fall aus Unterfranken hat genau diese Fragen aufgeworfen.
Der betreffende Lehrer hatte nach Informationen der Redaktion einer Jugendlichen mehrere Nachrichten per Handy geschickt. Unter anderem habe er geschrieben, er sei "Wachs in ihren Händen", bestätigt die zuständige Staatsanwaltschaft. Der entsprechende Chat liege vor.
Die beiden sollen miteinander per du gewesen sein. Der Lehrer soll sich der Schülerin auch körperlich genähert haben: "Im Rahmen einer privaten Veranstaltung soll es zu Berührungen, die im Zusammenhang mit aufmunternden Worten im Hinblick auf anstehende Schulprüfungen standen, gekommen sein", so die Staatsanwaltschaft.
Staatsanwaltschaft: Handlungen unterhalb der Grenze zur Strafbarkeit
Nach einer Anzeige der Schülerin leitete die Behörde Ermittlungen wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung ein. Letztlich sei das Verfahren jedoch eingestellt worden.
Das zuständige unterfränkische Schulamt kennt den Fall. Es habe zwar Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegeben, erklärt die vorgesetzte Regierung von Unterfranken. Die Vorwürfe gegen den Lehrer hätten sich jedoch "nicht erhärtet".
Die Staatsanwaltschaft formuliert es so: Die Ermittlungen seien eingestellt worden, "weil die von der Geschädigten beschriebenen Handlungen nicht strafbar sind". Ein Sprecher teilt mit: "Mangels Berührung in sexuell konnotierter Weise" sei der Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht erfüllt.
Kultusministerium: "Schutz der Schülerinnen und Schüler steht im Vordergrund"
Dennoch hatten die Vorfälle die betroffene Schülerin zu ihrer Anzeige veranlasst. Beim bayerischen Kultusministerium versichert man, solche Vorgänge ernst zu nehmen. Beim Umgang mit Vorwürfen sexueller Übergriffigkeit von Lehrkräften stehe "immer der Schutz der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund", teilt das Ministerium auf Anfrage mit.
Bei Vorwürfen, die "mit hoher Wahrscheinlichkeit dienst- oder strafrechtliche Relevanz" haben, würde eine Lehrkraft bis zum Abschluss des Verfahrens suspendiert oder "an eine Stelle mit nicht unterrichtlichen Aufgaben abgeordnet". Bei Fällen unterhalb einer Strafbarkeit, "die aber dennoch pädagogisch unangemessen sind, käme der Einsatz an einer anderen Schule in Betracht", erklärt das Ministerium. Möglich seien dabei konkrete Auflagen für die Lehrkraft oder auch "Einschränkungen für den unterrichtlichen Einsatz".
Lehrer wechselte zum neuen Schuljahr die Schule
Im vorliegenden Fall sah das zuständige Schulamt von disziplinarischen Maßnahmen ab, bestätigt die Regierung von Unterfranken auf Nachfrage. Der Lehrer sei zwar zum neuen Schuljahr an eine andere Schule in Unterfranken versetzt worden - jedoch "auf eigenen Antrag". Es habe sich "nicht um eine Disziplinarmaßnahme" gehandelt.
Der Lehrer hat nach dem Wechsel offenbar an der neuen Schule weiter direkten Kontakt auch zu Schülerinnen. Die Frage, ob angesichts der nicht ausgeräumten Vorwürfe des - wenn nicht strafrechtlich relevanten, dann zumindest unangemessenen - Annäherungsversuches eine Tätigkeit ohne unmittelbaren Kontakt nicht sinnvoller gewesen wäre, ließ die Regierung unbeantwortet.
Kultusministerium kennt Anzahl derartiger Vorwürfe gegen Lehrkräfte nicht
Laut Kultusministerium gibt es für Fälle sexueller Übergriffigkeit keine "pauschalen Handlungsanweisungen für Lehrkräfte und Schulleitungen". Die zuständigen Schulaufsichtsbehörden würden "das (rechtlich) angezeigte Vorgehen" jeweils im Einzelfall festlegen. Die für die Verfolgung dienstrechtlicher Vergehen zuständige Landesanwaltschaft stehe dabei "beratend zur Verfügung".
Die Frage, wie oft Vorwürfe sexueller Übergriffigkeit von Lehrkräften gegen Schülerinnen oder Schüler bekannt werden, lässt das Ministerium offen: "Seitens des Staatsministeriums erfolgt in diesem Zusammenhang keine statistische Erfassung derartiger Fälle."
Hinweis der Redaktion: Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen werden in diesem Beitrag weder die Schulart, noch die zuständige Staatsanwaltschaft oder das konkrete Schulamt genannt.