Bei der Jahrestagung des Lebenshilfe-Landesverbandes Bayern in Würzburg stand das Anfang 2017 in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz (BTHG) im Mittelpunkt und die Ausführung im Bayerischen Teilhabegesetz (BayTHG). Ziel der neuen Regelungen sei die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. „Jetzt geht es konkret um die Umsetzung“, sagte Geschäftsführer Jürgen Auer bei der Veranstaltung im Congress Centrum Würzburg.
Fragen, die im Raum stünden, seien: Wer ist zuständig? Wer kann die Leistung abrufen? Wie wirkt sich das Gesetz auf Behinderte aus? Die Finanzierung und die Beteiligung bei den Entscheidungen stehen also im Raum. Dies müsste in den anstehenden Verhandlungen zwischen der Lebenhilfe und anderen Wohlfahrtsverbänden mit den Leistungsträgern besprochen werden, so Auer. Dazu hat die Lebenshilfe Vertreter der bayerischen Bezirke eingeladen und eine Resolution mit sieben Forderungen vorbereitet und verabschiedet.
Josef Mederer, Präsident des Bayerischen Bezirketags und Bezirkstagspräsident von Oberbayern, ging in seinem Impulsvortrag zum Beispiel auf die Ausweitung der Hilfe bei der Bildung ein – und übte Kritik. Seiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll, externe Kräfte in den Schulklassen einzubinden. Er nannte als Vorbild Kindergärten und Kindertagesstätten, die bei der Inklusion „bereits vorgemacht haben, wie es gehen sollte“: Sie betreuten Kinder mit Behinderungen durch eigenes Personal.
Bezirke wollen nicht nur „Geldgeber“ sein
Gleichzeitig wies er auf die Mehrkosten durch das neue Gesetz hin und betonte: „Teilhabe ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sie müsse von Bund und Ländern kommen, so Mederer. Die Beteiligung des Bundes reiche aber nicht aus. Zudem möchte er wegkommen von der Ansicht, Bezirke seien „nur Geldgeber“.
Für die unterfränkische Seite war Armin Grein auf der Tagung, der zugab, auf zwei Stühlen zu sitzen. Er ist zum einen der Vorsitzende der Lebenshilfe Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart), zum anderen vertrat er den Bezirkstagspräsidenten Erwin Dotzel. Grein sprach die Frühförderung an. „Wir müssen alle Frühförderkinder erreichen können.“ Das erfordere mehr Außenstellen, und die kosteten mehr Geld für die Bezirke. „Die Bezirke können das sicher schaffen, da stehe ich mehr zur Lebenshilfe“, so Grein.
Frauenbeauftragte gefordert
Jürgen Auer stellte wegen der Kompliziertheit der Regelungen im BTHG die Frage, wie die Beratungen für Eltern sichergestellt werden können. „Da sind die Bezirke die richtigen Ansprechpartner“, antwortet ihm Franz Schedelbauer, stellvertretender Bezirkstagspräsident von Niederbayern. Aber wegen des Bürokratieaufwandes müssten beide Seiten – also Bezirke und Verbände – sich anstrengen. Christa Naaß, stellvertretende Bezirkstagspräsidentin von Mittelfranken, findet es wichtig, eine Frauenbeauftragte zu installieren. „Frauen mit Behinderung werden oft noch mehr diskriminiert als andere Frauen.“
Lebenshilfe verabschiedet Resolution
Auch die Themen „Arbeit in den Förderstätten“, „Pflege“ und „Alter“, „Palliativversorgung in den Wohneinrichtungen“, „Wahlrecht“ sowie „Barrierefreiheit“ beziehungsweise „Leichte Sprache“ wurden diskutiert und einige Punkte als Forderungen in einer Resolution formuliert. Alle Beteiligten betonten, dass weitere Gespräche wichtig seien, um, so Schedelbauer, „ etwas für die Schwächeren in der Gesellschaft zu erreichen“.
Am zweiten Tag der Lebenshilfe-Mitgliederversammlung wurde Landtagspräsidentin Barbara Stamm erneut zur Vorsitzenden gewählt. Sie betonte in ihrer Rede, sie werde sich mit Nachdruck dafür einsetzen, „dass das Bundesteilhabegesetz im Sinne unserer gemeinsamen Resolution eine wirkliche Verbesserung für Menschen mit Behinderungen und ihre Familien bringt“.