zurück
WÜRZBURG
Kriminalität unter Migranten: Beschönigt oder überzeichnet?
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:30 Uhr

Hat die Kriminalität in Deutschland durch verstärkte Migration zugenommen? Ein sensible Frage, die am 24.April bei den „Würzburger Kellergesprächen“ diskutiert wird – eine neue Kooperationsreihe der Main-Post und der Juristen-Alumni der Uni Würzburg. Gast zum Auftakt ist Elisa Hoven (35), Junior-Professorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Köln. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich der Kriminalpolitik, der Kriminologie und des deutschen und internationalen Wirtschaftsstrafrechts. Zuletzt forschte sie auch zur Kriminalität unter Geflüchteten als Täter und Opfer.

Frau Hoven, Sie haben den Zusammenhang von Migration und Kriminalität untersucht. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Prof. Elisa Hoven: Das Thema ist sehr komplex, wir haben bisher nur begrenzte Erkenntnisse. Sie basieren auf den Daten der polizeilichen Kriminalstatistik, der Strafverfolgungsstatistik und dem Lagebild des Bundeskriminalamtes. Wobei nur bestimmte Gruppen erfasst werden. Beispielsweise werden Tatverdächtige, deren Asylverfahren abgeschlossen ist, in der Statistik nicht geführt. Trotzdem waren 2016 Zuwanderer mit 8,6 Prozent unter den Tatverdächtigen vertreten – ein Anstieg von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Das deckt sich mit Zahlen der Polizei in Unterfranken. Hier ist auch ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Haben Politik und Medien das Problem zu lange ignoriert?

Hoven: Ja, das ist wohl so. Bei der Vorstellung des ersten Bundeslagebildes sprach der damalige Innenminister de Maiziere davon, dass Flüchtlinge kriminell nicht auffälliger seien als Deutsche. Er bezog sich dabei auf eine Studie, deren Zahlen gerade das Gegenteil aussagten. Politisch gab es eine Weile die starke Tendenz zum Relativieren, um populistische Strömungen nicht zu bestärken.

Funktioniert das?

Hoven: Im Gegenteil. Wenn man Probleme negiert, löst man sie nicht. Die Politik macht es sich dann zu einfach. Dabei gibt es kriminalitätsreduzierende Faktoren, etwa durch gezielte Maßnahmen der Integration. Besser als ein Kriminalitätsproblem auszublenden, das die Leute ja wahrnehmen, ist die offene Aussprache darüber. Denn viele Ängste sind überzogen.

Als Professorin in Köln waren sie an den Ereignissen der Silvesternacht 2015/16 nahe dran. Hatten sie Einfluss auf einen neuen Umgang mit der Nationalität von Tätern?

Hoven: Ich denke, dass solche Ereignisse tatsächlich die Perspektive verschieben. Es wurde danach intensiv diskutiert, inwieweit die Herkunft von Tätern eine Rolle spielt für Sexualdelikte wie im Kölner Fall.

Wird mittlerweile offener über solche Fragen gesprochen?

Hoven: Ich meine ja. Nur berichten Medien immer verstärkt über bestimmte Arten von Kriminalität, über andere weniger. Gewalt- und Sexualdelikte sind für Medien interessant in der Darstellung – mit tendenziell einem erhöhten Ausländeranteil. Über andere Straftaten mit vorrangig deutschen Tätern wird weniger berichtet. So kann das Phänomen der Kriminalität von Migranten leicht überzeichnet werden.

Kann man die Hauptdelikte bei Zuwanderern benennen?

Hoven: Das betrifft stark den Bereich Roheits- und Sexualdelikte, mit Abstand am meisten aber die Taschendiebstähle mit einem Zuwandereranteil von 35 Prozent. Das kann jeden Mitbürger direkt betreffen, entsprechend groß ist die Sensibilität und teilweise die Aufregung. Dabei richten Korruption und Steuerhinterziehung – primär begangen von Deutschen – einen viel höheren gesellschaftlichen Schaden an als ein Taschendiebstahl.

Gibt es Nationalitäten, die in der Kriminalitätsstatistik auffällig häufiger vertreten sind als andere?

Hoven: Man muss dabei auf die Relationen achten. Aber Fakt ist, dass Zuwanderer aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gruppe der Migranten gering repräsentiert sind, während Staatsangehörige aus den Maghrebstaaten Marokko, Algerien und Tunesien überproportional auffallen. Das gilt auch für Zuwanderer aus Georgien oder der Balkanregion.

Woher kommen solche Unterschiede?

Hoven: Wir wissen darüber noch nicht genug, vieles ist Spekulation. Ursächlich kann die demografische Zusammensetzung sein. Bekanntermaßen sind alleinstehende junge Männer besonders kriminalitätsgefährdet. Während aus Syrien mehr Familien geflohen sind, kommen aus den Maghrebstaaten hauptsächlich junge Männer. Ein anderer Aspekt: Wenn ich keine Bleibeperspektive in einem Land habe, versuche ich mich vermutlich gar nicht zu integrieren. Die Normen im Land sind dann weniger verbindlich. Auch die Motivation der Zuwanderung kann eine Rolle spielen: Flieht jemand vor einer Kriegsbedrohung oder auf der Suche nach einer wirtschaftlichen Perspektive? Wenn Migranten vom Arbeitsmarkt zunächst ausgeschlossen sind und legal kein Geld verdienen können, ist die Versuchung der Illegalität durchaus größer.

Hat die Unterbringung in beengten Gemeinschaftsunterkünften einen negativen Einfluss?

Hoven: Diese Unterbringung ist höchst problematisch. Wo viele Menschen auf engem Raum ohne Möglichkeit des persönlichen Rückzugs zusammenleben – da sind Aggressionen und Konflikte programmiert. Hinzu kommt die Langeweile durch Arbeitsverbote.

Richtet sich Gewalt dann häufig gegen andere Migranten?

Hoven: Ja. Sehr viele Gewaltdelikte passieren in den Unterkünften unter den Bewohnern.

Am Amtsgericht in Schweinfurt wurden so genannte „beschleunigte Verfahren“ für kleinere Delikte eingeführt, Würzburg will nachziehen. Was halten Sie von solchen Schnellgerichten?

Hoven: Sie sind aus präventiven Überlegungen sehr sinnvoll. Wenn ein Täter merkt, dass sein Delikt über längere Zeit keine Folge hat – dann kann dies als Tolerierung missverstanden werden. Für eine aufnehmende Gesellschaft ist es wichtig, ihre Werte klar zu kommunizieren – dann sind sie auch leichter anzunehmen. Eine unmittelbare staatliche Reaktion ist eine Antwort gegenüber dem Täter. Wenn sie zeitnah erfolgt, umso besser.

„Zugewanderte Kriminalität? Faktencheck, Erfahrungen und Problemlösungen“: Unter diesem Titel finden am Dienstag, 24. April, von 19 Uhr (c.t.) bis 21 Uhr die ersten „Würzburger Kellergespräche“ statt. Neben Elisa Hoven nimmt Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber am Podium teil. Ort: Max-Stern-Keller in der Alten Universität Würzburg (Domerschulstr. 16), der Eintritt ist frei.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Andreas Jungbauer
Bundeskriminalamt
Gewalt
Gewaltdelikte und Gewalttaten
Hülya Düber
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Kriminologie
Rassismus
Schnellgerichte
Sexualdelikte und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
Taschendiebstahl
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • G. L.
    Herr Jungbauer, in ihrer Überschrift steht das Wort "Beschönigt" ....
    Diesbezüglich eine Frage. Ist es nur Beschönigung oder schon Behinderung einer polizeilichen Maßnahme, wenn viele Frauen von einem Täter sexuell angegangen werden und die Polizei noch Zeuginnen sucht.....
    und die Main-Post die Täterbeschreibung wegläßt?

    Polizeibericht: "Die Würzburger Polizei nahm einen afghanischen Tatverdächtigen fest und sucht nun auch nach zwei Zeuginnen und möglichen weiteren Geschädigten. "
    Quelle:
    http://www.polizei.bayern.de/unterfranken/news/presse/aktuell/index.html/277932

    Main-Post Bericht:
    "Die Würzburger Polizei nahm einen Tatverdächtigen fest und sucht nun auch nach zwei Zeuginnen und möglichen weiteren Geschädigten."
    Quelle: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Sexualitaet-Glas;art735,9937806

    Wäre es nicht zielführender für die Zeugensuche, wenn die Staatsbürgerschaft von der Main-Post genannt würde?

    Ich bitte um eine Antwort Herr Jungbauer, vielen Dank.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Ich bitte um eine Antwort Herr Jungbauer, vielen Dank.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. J.
    Anders als früher nennt die Polizei in ihren Berichten die Nationalitäten. Die Entscheidung über eine Veröffentlichung liegt bei der Redaktion. Nach der Neufassung im Pressekodex (www.presserat.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/UEbersicht_bisherige_Richtlinie_neue_Richtlinie12.1.pdf) ist nicht mehr der Sachbezug zur Tat maßgeblich. Grundsätzlich sollen Nationalitäten NICHT genannt werden - es sei denn, "es besteht ein begründetes öffentliches Interesse". Das wäre hier zu prüfen, aus meiner Sicht handelt es sich um einen Grenzfall. Gegen eine Nennung spricht, dass der Tatverdächtige gefasst ist - es sich also nicht um eine Fahndung handelt. Es wurde selbst von der Polizei keine Täterbeschreibung herausgegeben, sondern nur die Nationalität. Da stellt sich die Frage, wieweit sie bei der Suche nach weiteren Zeugen hilfreich sein kann. Betroffene dürften sich unabhängig davon an den Vorfall erinnern... Soweit zur Abwägung, die wir in jedem Einzelfall zu treffen haben.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. F.
    Wer bereits 2015 darauf hinwies, dass die illegale muslimische Masseneinwanderung zu steigender Kriminalität und zur Bildung von Parallelgesellschaften führen würde, wurde vom Meinungskartell der etablierten Parteien und Medien sofort in die Nazi-Ecke geschoben, auch wenn die Argumente noch so sachlich vorgebracht wurden.
    Leider haben die Medien immer noch nicht dazugelernt, wie man am Umgang mit der "Erklärung 2018" sieht: Enweder wird diese totgeschwiegen (z.B. Mainpost) oder in die rechte Ecke gestellt (z.B. Zeit, Spiegel).
    Wie viele "Einzelfälle" müssen denn noch passieren, damit Politik und Medien endlich aus ihrem Multi-Kulti-Traum erwachen und die Realität erkennen ?
    Schlimm nur für die vielen Opfer der "Schutzsuchenden". Aber die sind anscheinend nicht so wichtig, denn das sind ja im Neusprech nur die "Die schon länger hier leben".
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • B. L.
    Was jeder wusste, aber unter den Tisch gekehrt wurde, kommt jetzt so langsam ans Licht. Diese Straftäter werden bei uns mit Geld und Honig angelockt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. G.
    Wir haben es doch im Herbst bei den Wahlen im Griff, diese Parteien einen weiteren Denkzettel zu verpassen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. H.
    Was man in der Wahrnehmung auch nicht unterschätzen sollte ist, wenn Migranten, vor allen Dingen Flüchtlinge eine Straftat begehen, so wirkt das in meinen Augen doppelt verwerflich, da diese ihr Gastrecht so schäbig missbrauchen, obwohl sie hier auf Kosten der Gesellschaft mit allem versorgt werden was man zum Leben braucht, weitaus besser als in ihren Herkunftsländern. Das ist es, was mich am meisten aufregt, diese Undankbarkeit ihrem Gastland gegenüber, aber schön, dass das jetzt mal vielleicht ohne falsche Rücksichtsnahme diskutiert werden kann.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    "...dass das jetzt mal vielleicht ohne falsche Rücksichtsnahme diskutiert werden kann..."

    Daran glauben Sie wirklich?

    Ich habe, auf Grund diesen Artikels hier, mehrer Beiträge geschrieben.
    Mit deutlicher Kritik an den Main-Post Redakteuren.
    Nach bisheriger Erfahrung, landen die alle im Zensureimer traurig
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. G.
    Da haben sie vollkommen recht!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Und, leider recht gehagt...alle weg traurig

    Soviel zu, wir haben gelernt....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Austeilen ja, aber sich der Kritik stellen.......das ist nicht das Ufer der Main-Post Redakteure.....
    Da wird die Zensur Netiquette genannt.......je nach eigener politischen Einstellung!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. H.
    Zitat Heymericus: "Daran glauben Sie wirklich?"
    Ich schrieb ja "vielleicht", die Hoffnung stirbt zuletzt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • E. S.
    ....weitaus besser als in ihren Heimatländern. Ich würde sagen, weitaus besser als viele Deutsche in ihrem eigenen Heimatland.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. L.
    Alle einsteigen, das Relativierungsmobil fährt gleich ab !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • G. S.
    Richtig. Als erstes wird die Professorin von unseren einschlaegigen Kommentatoren mal als Nazi beschimpft. Sozusagen als Praeventiv- oder Totschlagargument...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten