Als es ans Verteilen des Gepäcks geht, scheint es fast, als habe der Alltag die Kreuzbergwallfahrer wieder. Dabei haben sie erst die Hälfte ihres Wegs zurückgelegt, sind heil am Kloster in der hohen Rhön angekommen und freuen sich, nach zweitägigen Strapazen einen Nachmittag lang die wehen Füße baumeln zu lassen.
Quartiermeisterin Renate Juks hat alle Hände voll zu tun, jedem der Wallfahrer seinen Schlafplatz zuzuweisen. „Das könnte einfacher gehen, mit etwas mehr Geduld“, sagt der Präfekt der Kreuzbruderschaft, Josef Pfeuffer, „aber das ist halt menschlich“.
Marschmusik statt fromme Lieder
Zwei Stunden zuvor hatten die Kreuzbergmusikanten statt frommer Lieder Marschmusik gespielt, um die Wallfahrer die Kniebreche hochzutreiben, den letzten und steilsten Teil des Anstiegs.
Am hohen Kreuz auf dem Gipfel warteten Freunde und Angehörige, um die Wallfahrer zu empfangen. 217 sind es heuer, die auf dem Kreuzberg angekommen sind. Alle heil, wie Josef Pfeuffer sagt. Nur wenigen hat der Kreislauf einen Streich gespielt, auch des warmen Wetters wegen. Für diesen Fall gibt es die beiden Begleitfahrzeuge.
Hochachtuung vor der körperlichen Leistung
Pater Martin Domogalla, der Guardian des Klosters, hat die Pilgerschar vor dem Kloster begrüßt – voller Hochachtung für ihre Leistung. Nach der Andacht in der Klosterkirche geht es endlich in die Klosterschänke, wo eine deftige Mahlzeit und süffiges, dunkles Kreuzbergbier auf die durstigen Kehlen warten.
Unsichtbar hatte die alte Kathi die Wallfahrer bis zum Kreuzberg begleitet. Pfarrer Oswald Sternagel hat sich die alte, alleinstehende Frau aus einem fränkischen Dorf ausgedacht und in den Mittelpunkt der Geschichte gestellt, die er in Episoden während der Wallfahrt erzählt hat. Auch unter den Wallfahrer sind Frauen in diesem Jahr deutlich in der Überzahl.
Wallfahrt als spirituelle Erfahrung
„Eine Wallfahrt ist eine unheimlich spirituelle Erfahrung“, sagt Oswald Sternagel. Die Erleichterung ist ihm anzusehen. So weite Strecken zu laufen, sei eigentlich nicht sein Ding, gesteht er. Warum er sich die Wallfahrt trotzdem antut? Weil er sich einfach mitreißen lasse. So wie viele andere.
Die eigenen Grenzen zu erfahren, gehört zu den Erlebnissen einer Wallfahrt. Auch für den Ochsenfurter Hubert Karl, der zum zweiten Mal an der Wallfahrt teilnimmt. Als erfolgreicher Leichtathlet ist er es gewöhnt, sich auszupowern. Aber über Tage hinweg stundenlang zu wandern, das sei eine ganz andere Sache.
„Vor allem vor den vielen Älteren, die dabei sind, hab ich allergrößten Respekt“, sagt er. Die Ruhepause, die sich die Wallfahrer gönnen dürfen, dauert nicht lange. Am Dienstag nach dem Pilgeramt um 8.30 Uhr treten sie ihren Rückweg an.