An diesem Samstag spielt das Polizeiorchester Bayern im Congress-Centrum. Der Erlös des Benefizkonzertes ist für das Kinderpalliativteam der Malteser und für den Verein Hilfe im Kampf gegen Krebs bestimmt. Im Gespräch mit der Redaktion betont Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), sie hat die Schirmherrschaft für das Konzert übernommen, dass auch die psychosoziale Betreuung von Familien mit kranken Kindern oder pflegenden Angehörigen wichtig ist. Dafür hat sie auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin zusammen mit den SPD-Frauen Andrea Nahles und Malu Dreyer verhandelt. Dabei ging es teilweise sehr emotional zu. Barbara Stamm hatte sogar einen kleinen Wutausbruch.
. Sie waren in die Verhandlungen zwischen dem Malteser-Kinderpalliativ und der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen eingebunden. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie hörten, die palliative Versorgung unheilbar kranker Kinder steht auf der Kippe?
Barbara Stamm: Das konnte ich zunächst überhaupt nicht fassen. Weil völlig losgelöst von den todkranken Kindern und dem Engagement der Malteser entschieden wurde – und das können Menschen sehr schwer nachvollziehen. Es war ja gar nicht so einfach, einen Träger in Unterfranken zu finden. In anderen Regierungsbezirken sind solche Teams an Kinderkliniken angebunden. In Würzburg war das nicht möglich. Wir haben viele Spenden zusammen bekommen, damit das Team überhaupt an den Start gehen kann. Und dann ging es darum, einen kostendeckenden Vertrag mit der Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen zu bekommen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass das solche Schwierigkeiten macht.
Wie erleichtert sind Sie, dass es schließlich doch noch zu einer Einigung gekommen ist?
Stamm: Ich bin natürlich sehr erleichtert. Aber wir wissen ja nicht, wie die Zukunft aussieht. Die Finanzierung des Kinderpalliativteams soll ja noch einmal auf den Prüfstand kommen – und es ist nicht abzusehen, wie die weiteren Verhandlungen dann ausgehen und gestaltet werden.
Das heißt wieder zittern?
Stamm: Ich habe bei den Koalitionsgesprächen darauf gedrungen, dass die Politik sich wieder Verantwortlichkeiten und Möglichkeiten der Selbstgestaltung zurück holt. Das heißt, dass wir nicht den Krankenkassen oder der kassenärztlichen Vereinigung die letzte Verantwortung geben und Menschen wieder mehr in den Blick genommen werden, wie sie eigentlich in den Blick genommen werden müssten. Schicksalsschläge gibt es viele im Leben. Doch für Eltern, die ein sterbendes Kind haben, bricht doch eine Welt zusammen – da braucht man nicht nur das medizinische, sondern auch die psychosoziale Betreuung. Das sehen meiner Meinung nach die Krankenkassen viel zu wenig.
Konnten Sie sich durchsetzen?
Stamm: Ich habe mich bei diesem Thema zum Teil sehr verkämpft. Sogar in Anwesenheit der Kanzlerin habe ich mal einen kleinen Wutausbruch bekommen.
Wie sieht so ein Wutausbruch dann aus?
Stamm: Ich werde dann sehr emotional. Denn wir haben eine Bürokratie um uns herum aufgebaut und derart viel Verantwortung an andere Institutionen abgegeben – das muss sich wieder ändern. Denn die meisten Menschen können gar nicht begreifen, dass die Politik beispielsweise im Falle der Finanzierung des Kinderpalliativteams nichts zu sagen hat. Weil ich den Finger in die Wunde lege, habe ich auch einen schlechten Ruf bei den gesetzlichen Krankenkassen. Aber damit kann ich gut leben.
Hat sich's denn wenigstens gelohnt?
Stamm: Im Koalitionsvertrag steht nun, dass wir den Hospiz- und Palliativbereich grundsätzlich stärken wollen. Insbesondere durch die Kostenübernahme der Koordination von Palliativ- und Hospiznetzwerken. Sowie durch Verbesserungen bei der Versorgung von Kindern und in Altenpflegeeinrichtungen.
Das bedeutet auch mehr finanzielle Mittel?
Stamm: Die Kassen hätten ja das Geld. Es ist nur die Frage, wie wird eine entsprechende medizinische, pflegerische und psychosoziale Betreuung, die gerade im Kinderhospizbereich sehr wichtig ist, bewertet. Die ganze Familie muss begleitet werden. Auch Geschwisterkinder.
Sie haben ja auch kritisiert, dass das bayerische Gesundheitsministerium für die palliative Versorgung der Kinder zu wenig Geld zur Verfügung stellt.
Stamm: 15 000 Euro bekommt jedes Kinderpalliativteam in Bayern.
Das ist nicht viel.
Stamm: Ich habe mit dem künftigen Ministerpräsidenten Markus Söder gesprochen. Er sieht auch, dass dies kein guter Zustand ist und hat versprochen, dass im nächsten Doppelhaushalt mehr Geld für diesen Bereich zur Verfügung steht. Und darauf werde ich achten.
Eltern kranker Kinder oder pflegebedürftige Menschen ringen oft mit Krankenkassen, weil sie um Heilmittel oder Behandlungsmethoden streiten. Wie kann die Politik hier unterstützen?
Stamm: Ich kenne eine Mutter, die hat ein dreiviertel Jahr mit ihrer Krankenkasse um einen Autositz für ihren schwerst behinderten Sohn gestritten, damit er täglich zur Schule gebracht werden kann. Ein dreiviertel Jahr! Das geht nicht. Sicher, wir haben eine gute medizinische Versorgung in Deutschland. Wir sind hervorragend. Leider aber auch sehr bürokratisch. Hier müsste ein großes Stück aus dem Weg geräumt werden. Es kann nicht sein, dass Begutachtungen, gerade bei Heil- und Hilfsmittel für diejenigen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, sehr lange dauern. Und, dass sehr viele Anträge erst einmal von den Kassen abgelehnt werden. Interessant ist dabei, dass viele im Widerspruchsverfahren dann doch die Zusage bekommen.
Es soll nun auch eine Rekonvaleszenz für pflegende Angehörige geben.
Stamm: Ja, sie sollen einen Anspruch auf Kur haben. Beispielsweise gehört die Mutter-Kind-Kur bisher zu einer freiwilligen Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Das haben wir jetzt im Koalitionsvertrag zu einer Pflichtleistung gemacht.
Der Vater gehört nicht dazu?
Stamm: Der gehört natürlich genauso dazu. Auch die Geschwisterkinder müssen beachtet werden. Das ist ja Wahnsinn! Wenn ein schwerst behindertes Kind in der Familie ist. Was passiert mit den Geschwistern? Was mit der überlasteten Mutter, die fünf mal in der Nacht aufstehen muss?
Die bekommt das Pflegegeld gekürzt, wenn sie ihr Kind in die Kurzzeitpflege gibt und mal eine Auszeit nimmt.
Stamm: Wir haben im Koalitionsvertrag auch festgehalten, dass die Kurzzeitpflege viel besser finanziert werden muss. In diesem Bereich gibt es deutlich zu wenig Kapazitäten. Das liegt daran, dass es sich kein Träger leisten kann, Plätze vorzuhalten und nicht zu wissen, wann werden diese belegt.
Das Kinderpalliativteam der Malteser kümmert sich nicht nur um das unheilbar kranke Kind, sondern um die ganze Familie.
Stamm: Und das ist sehr wichtig.
Allerdings finanzieren die Malteser diese psychosoziale Betreuung aus Spendengeldern, weil es die Krankenkassen nicht als ihre Aufgabe sehen. Wie können die Kassen hier stärker in die Verantwortung genommen werden?
Stamm: Der Gesetzgeber hat das zwar schon auf den Weg gebracht, aber er muss in diesem Bereich noch deutlicher werden. Wenn das nicht zur Selbstverständlichkeit wird – und jetzt betrachte ich das mal nicht aus humanitärer Sicht – sondern unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten: Wenn eine Familie völlig am Boden liegt, weil eine Mutter das nicht mehr schafft, dann sind oft psychische Erkrankungen die Folge. Wir sprechen so viel über Prävention, statt dass man sich mal darüber Gedanken macht, wann beginnt denn Prävention eigentlich.
Wenn wir über das Kinderpalliativteam sprechen, reden wir auch über den Tod von Kindern, der einem sehr nahe geht. Andererseits hat man aber auch den Eindruck, der Tod von Kindern ist ein Tabuthema in unserer Gesellschaft, über den man nicht gerne redet. Wie könnte sich das ändern?
Stamm: Ich glaube, dass es insgesamt sehr schwierig ist, das Ende des Lebens auch als einen Teil unseres Lebens zu betrachten. Bei einem Kind fällt einem das noch schwerer. Ich habe schon viele Eltern, aber auch Großeltern erlebt, die ihr Kind, ihren Enkel beerdigt haben und am offenen Grab stehen und sich fragen, warum nicht ich. Und deswegen werbe ich, auch in meiner Eigenschaft als Vorsitzende der Lebenshilfe in Bayern, immer dafür, ja zu sagen zu einem schwerst behinderten Kind. Auch Freude an diesem Kind zu haben. Die gemeinsamen Jahre entsprechend zu gestalten. Es gibt selten Menschen, die das alleine schaffen. Sie brauchen die Solidarität. Die gesetzliche Krankenversicherung kann Menschlichkeit nicht ersetzen, aber die Rahmenbedingungen können gesetzt werden.
Glauben Sie nicht, dass sich die Krankenkassen auch ein Stück weit auf Benefizkonzerte wie das am Samstag verlassen und sich noch mehr aus ihrer Verantwortung zurückziehen?
Stamm: Das glaube ich nicht. In der Auseinandersetzung mit den Kassen habe ich auch gemerkt, dass es Verantwortliche gibt, die sehr engagiert sind.
Braucht es diese Spenden, weil das Gesundheitssystem niemals in der Lage sein wird, die finanziellen Lücken zu schließen?
Stamm: Ich würde nicht sagen, das Gesundheitssystem. Sondern alles, was es drumherum gibt. Denn Krankheiten müssen vor allem ganzheitlich gesehen werden. Und da haben wir noch ein Defizit.
Nun haben Sie sich ja noch nicht geäußert, ob Sie in diesem Jahr in den politischen Ruhestand gehen wollen. Wenn Sie es tun würden, Ihre soziale Stimme wird nicht verstummen, oder?
Stamm: Mit mir muss man, solange ich noch eine Stimme habe, immer rechnen. Egal wo und an welchem Platz.
Konzert für die gute Sache
Heitere Melodien präsentiert das Polizeiorchester Bayern am Samstag, 17. Februar, um 19 Uhr im Congress Centrum Würzburg.
Der Verein „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ ermöglicht Projekte zur Krebsforschung am Universitätsklinikum Würzburg, wodurch die Überlebenschancen der Betroffenen erhöht werden können. Zum anderen benötigen Familien mit unheilbar kranken Kindern eine besondere Unterstützung. Diese Hilfe bekommen sie seit 1. Oktober 2017 durch das Kinderpalliativteam Unterfranken.
Karten sind an der Abendkasse gegen eine freiwillige Spende zu bekommen.