Solch einen Besucherandrang wie am Montag bei der Sondersitzung des Stadtrats über die Sanierung des Mainfranken Theaters hat es in der Vergangenheit kaum einmal gegeben. Gut 200 Zuhörer, der überwiegende Teil Mitarbeiter des Theaters, füllten den Ratssaal bis auf den allerletzten Platz. Sie alle wollten miterleben, ob der Stadtrat endlich einen Weg aus der Sackgasse findet. Ein Stück weit ist dies geschehen, aber von einer konkreten Entscheidung ist man noch weit entfernt. Allerdings sah sich die Verwaltung heftigsten Vorwürfen ausgesetzt, weil sie seit März von einer Kostenexplosion wusste, dies aber dem Stadtrat bis zur Sondersitzung vorenthielt.
Stadträte und Zuhörer staunten gewaltig, als der Hamburger Architekt Jörg Friedrich, der mit der Sanierung des Theatergebäudes beauftragt ist, über die Kostenentwicklung für die Sanierung berichtete. Ausgangspunkt waren zunächst (Stand März 2012) 21,95 Millionen Euro. Nach einer Überarbeitung der Pläne stieg dieser Betrag bis Januar 2013 auf 42,6 Millionen, um sich dann bis März 2013 auf 46,8 Millionen zu erhöhen. Nach einer erneuten Überarbeitung durch das Architekturbüro sanken die Sanierungskosten zunächst auf 45,7 und liegen aktuell (Stand April 2013) bei 40,5 Millionen Euro.
Standpunkt von Redaktionsmitglied Karl-Georg Rötter
Grund hierfür sind die Kosten für die Haus- und Bühnentechnik, die vom Auftraggeber, der Stadt Würzburg, in der Ausschreibung zunächst mit 5,2 Millionen Euro veranschlagt waren. Da waren allerdings die Spezialisten noch nicht hinzugezogen. Nachdem dies dann geschehen war, stellte sich heraus, dass für die Erneuerung der Technik knapp 22 Millionen zu veranschlagen sind. Im streng reglementierten Verfahren durften die Architekten diesen Kostenfaktor nicht eigenmächtig ändern, „sonst wären wir sofort herausgeflogen“, so Friedrich. Die Stadtverwaltung wurde aber informiert.
Stadtrat fühlt sich hintergangen
Dass sie davon nichts erfuhren, erboste mehrere Stadtratsmitglieder zutiefst. Christine Bötsch (CSU) war verwundert, dass man beispielsweise bei einem Workshop zum Thema Frankenhalle im April „mit keiner Silbe“ informiert wurde. Deutlicher wurde Alt-OB Jürgen Weber (Würzburger Liste): Er sprach von einer „groben Missachtung des Stadtrats“, darüber vom damaligen Oberbürgermeister und den zuständigen Referenten nichts erfahren zu haben. Er vermutet dahinter den Versuch der Verwaltung, die Frankenhalle mit allen Mitteln als zweite Spielstätte noch irgendwie zu retten. Die Kostenexplosion sei „mehr als fragwürdig“, sagte Josef Hofmann (FWG) und wunderte sich, dass die Planer den ursprünglichen Betrag akzeptierten. Als „Skandal“ bezeichnete Wolfgang Roth (CSU) das Verhalten der Verwaltung und Charlotte Schloßareck (Bürgerforum) fühlte sich vom Kulturreferenten „hintergangen“.
Kulturreferent Muchtar Al Ghusain nahm als erster Stellung und bestätigte, dass die Zahlen sowohl dem OB, ihm selbst als auch dem Finanz- und dem Baureferenten bekannt waren: „Wir haben das zur Kenntnis genommen und gegenüber dem Planer zurückgewiesen“, sagte er als Begründung. Baureferent Christian Baumgart nannte es „unredlich, alles auf den Schultern eines einzigen (Al Ghusain) abzuladen“. „Wenn, dann waren wir es alle“, so der Baureferent selbstkritisch.
Es wurden aber nicht nur verbale Prügel verteilt, wenngleich das verhalten der Verwaltung doch sehr im Mittelpunkt stand. Lob und Anerkennung gab es nämlich für Architekt Friedrich, der dem Stadtrat einen Vorschlag mitgebracht hatte, der das aktuelle Dilemma lösen könnte. Seine aktuelle Planung sieht so aus: Das Theater erhält an der Vorderfront einen auskragenden Aufbau. Darin könnte eine Foyerfläche und eine mittlere Spielstätte mit bis zu 300 Plätzen entstehen.
Dieser Kopfbau würde zuerst errichtet, so dass die neue Bühne während der Sanierung des Großen Hauses sowie des Technik- und Werkstattbereiches als Übergangsspielstätte genutzt werden könnte. Zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsflächen soll der jetzige Backstage- und Werkstattbereich aufgestockt werden.
Zuvor hatte Friedrich dem Stadtrat anhand von genauen Berechnungen dargelegt, dass eine Theatersanierung in verlängerten Spielzeitpausen – wie im Juli vom Stadtrat mehrheitlich beschlossen – technisch nicht durchführbar ist. Das hängt zum einen mit den komplexen internen Zusammenhängen, aber auch mit den notwendigen Bauzeiten zusammen.
Die aktuellen Beschlüsse
Am Ende der fünfstündigen Sitzung beschloss der Stadtrat die Einrichtung einer Steuerungsgruppe Theaterbau. Dieser gehören der Bürgermeister, der kaufmännische Theaterleiter sowie der Finanz-, Kultur- und der Baureferent an. Des Weiteren entsendet jede Stadtratsfraktion einen Vertreter. Aufgabe des Gremiums ist die Abstimmung des Bauprogramms und etwaiger Varianten sowie die Begleitung der Planung. Es berichtet direkt an den Stadtrat, der über dessen Vorschläge und Empfehlungen entscheidet. Außerdem soll bis Ende Januar untersucht werden, wie einzelne Bauabschnitte gebildet werden können und inwieweit dies den Bestandsschutz (Brandschutz/Sicherheit) für weite Teile des Haupthauses tangiert.
Ich war in meiner Zeit in Würzburg wahrlich kein regelmäßiger Theatergänger. Wenn es mich mehr als zweimal pro Spielzeit hineingezogen hat, war es recht viel.
Dennoch: die Bedeutung eines Theaters für die kulturelle Vielfalt einer Stadt kann gar nicht unterschätzt werden. Das Theater ist eine der wenigen verbliebenen Einrichtungen in der Stadt, die noch einen Unterschied ausmachen können. Theater ist wichtig, um Menschen an die Stadt zu binden, die sonst schnell in München, Frankfurt oder anderen Großstädten arbeiten würden. Für die Wirtschaftskraft der Region ist eine kulturelle Vielfalt von größter Bedeutung. Wer das Theater so leichtfertig abschreiben möchte, der kann sich Bildungsinvestitionen ebenfalls oftmals gleich sparen …
Beste Grüße aus der nördlichen Millionenstadt.
Wenn die Stadt rechnen kann, wird sie über kurz oder lang feststellen müssen, dass alles, was an Geld da ist, in einen Neubau fließen sollte.
Eine Sanierung macht nur Sinn, wenn es sich entweder aus denkmalpflegerischer Sicht um erhaltenswerte Bausubstanz handelt oder wenn der vorhandene Baukörper zumindest grundsätzlich noch den heutigen Sicherheits-, Qualitäts- und Raumbedürfnissen entspricht. Keines dieser Kriterien wird erfüllt.
Eine Ersatzspielstätte zu finden bzw. nicht zu finden kann nicht die Rolle eines Alibi-Kriteriums einnehmen. Das Meininger Theater ist während der Sanierung zum Beispiel in ein Zirkuszelt ausgewichen.
Ein laufender Theaterbetrieb während Bauarbeiten wird ohnehin Utopie bleiben müssen.
Mit anderen Worten. Abreißen, ohne Ersatz!
Die dortigen Mitarbeiter werden mit ihrer künstlerischen Ader schon woanders unterkommen.
"Beim Theater" sind durchaus nicht nur "Künstler", sondern z. B. auch etliche Handwerker angestellt, nicht zu vergessen die "kleinen Leute im Hintergrund", die dort wie überall dafür sorgen dass der Laden läuft.
Dann sieht man ob es genug interesse an so einem teuren Unternehmen gibt oder nicht!
Privatisierung bedeutet, dass jemand versucht/ versuchen muss, aus einer Sache Profit zu schlagen. "Kultur" ist auf diese Art und Weise kaum denkbar; es ist schon jetzt schwierig genug für "Nachwuchs", hier Fuß zu fassen - ohne viel Eigeninitiative mit ungewisser Aussicht auf Erfolg geht da gar nichts. Wird der Erfolg noch ungewisser, wird "Kultur" in Zukunft komplett über die definiert, die daran verdienen (wie z. B. Fernsehsender mit Casting-Shows).
Bislang hat Privatisierung im Normalfall nur eine Auswirkung: die Leistung wird teurer und minimalistischer, um möglichst viel Geld herausziehen zu können; das Interesse der Kunden fällt als erstes unter den Tisch. Und Sachen, bei denen man glaubt nichts verdienen zu können (wie z. B. "Kleinkunst") werden komplett gestrichen.
Nun muss man diskutieren, ob man in einer solchen Welt leben will.
Ich glaube kaum genug um solche Ausgaben zu rechtfertigen!
Man hat zu Recht den Rücktritt des Limburger Bischofs gefordert, aber noch wichtiger wäre eine sofortige Suspendierung von Baumgart, Schuchardt und Al Ghusain. Als OB-Kandidaten taugen die beiden letztgenannten nun wirklich nicht mehr.
Gütersloh sich hat für 21,75 Mio. ein neues Theater bauen lassen,
Schleswig möchte sich für 16,6 Mio. eins bauen lassen,
Rostock für 56 Mio. Euro.
Bei der Summe, die die Sanierung in Würzburg kostet, kann es sich nur um eine Kernsanierung handeln. Das bedeutet, der Bau würde zunächst in den Rohbauzustand zurückversetzt und dann neu ausgebaut und erweitert.
Am Ende stünde dort wieder ein architektonisches Ungetüm, ein betongewordener Komplex aus Umzugkartons. Unsere Stadt soll hässlich werden. Mit einem vermeintlichen Minimum an Aufwand und einem Maximum an Scheußlichkeit. Die Wiederauferstehung des Dr. Mabuse.
Da gibt es sicherlich attraktivere Alternativen. Ein Neubau, architektonisch angelehnt an das 1945 zerstörte Stadttheater. Jetzt öffnet sich das Zeitfenster dafür. Wenn's Würzburg denn mitkriegt.