
Freiheit, Freiheit
Ist die Einzige, die fehlt.
Der Mensch ist leider nicht naiv,
Der Mensch ist leider primitiv.
Freiheit, Freiheit
Wurde wieder abbestellt.
Alle, die von Freiheit träumen,
Sollten's Feiern nicht versäumen,
Sollen tanzen auch auf Gräbern.
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt.
1987 sang Marius Müller Westernhagen erstmals diese Zeilen seiner Rockballade "Freiheit". Corona konnte man damals noch nicht googeln, und wenn man den Begriff in einem medizinischen Wörterbuch nachschlug, wurde er mit "Kranz" oder "Krone" übersetzt und es tauchten einige verwandte Begriffe wie "Koronargefäße" auf. 33 Jahre später beherrscht das Coronavirus die Welt. Innerhalb weniger Monate sterben weltweit mehr als 270.000 Menschen mit - die meisten von ihnen auch an - dem Virus. Und das trotz radikaler Gegenmaßnahmen, angeordnet meist von heute auf morgen: Reiseverbote, Ausgangsbeschränkungen, Abstandsregeln, Zwangsschließungen von Geschäften, Maskenpflicht und so weiter... Freiheit, das Einzige was zählt? Nicht in diesen Zeiten!
Freiheit, ohne Rücksicht auf Verluste, ist die falsche Forderung
Doch nach nicht mal zwei entbehrungsreichen Monaten fordern immer mehr Menschen immer lauter ihre Freiheit zurück. In den vergangenen Tagen demonstrierten Tausende für eine Aufhebung aller Beschränkungen. In Karlstadt hielten sich die rund 30 Demonstranten an die Regeln, in München ignorierten viele der 3000 Menschen, die sich eng an eng auf dem Marienplatz versammelten, die aktuellen Verbote. In Berlin gab es teils gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Sehnsucht nach maximaler Freiheit hat derzeit wohl jeder. Sie zum jetzigen Zeitpunkt ohne Rücksicht auf Verluste einzufordern, ist aber falsch. Es ist genau so falsch, wie die Forderung nach einem völligen Lock Down mit Ausgansgsperren, den es ehrlicherweise in Deutschland nie gegeben hat.
"Fahren auf Sicht" ist alternativlos für alle, die nicht nur an sich denken können
Wer radikale Lösungen in die eine oder andere Richtung fordert, der hat nicht verstanden, was noch vor uns liegt: Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen sind sich einig, dass der weitere Verlauf der Pandemie und seine Auswirkungen nicht vorhersehbar sind. Alle Experten brauchen noch mehr Zeit, um das Virus letztlich beherrschbar zu machen. Das wird Monate, wenn nicht Jahre dauern. Das viel zitierte "Fahren auf Sicht" ist nahezu unerträglich, weil es so ungewiss ist. Aber es bleibt zumindest für diejenigen alternativlos, die nicht nur an sich selbst denken können oder wollen.
Wer sich jetzt auf einen Marktplatz stellt und das Ende aller Beschränkungen fordert, der macht es sich einfach, in dem er eine einfache Lösung für hoch komplexe und nie dagewesene Herausforderungen verlangt. Andererseits sind extreme Standpunkte sogar notwendiger Bestandteil auf dem Weg durch diese Krise: "Wir gelangen nur selten anders als durch Extreme zur Wahrheit – wir müssen den Irrtum – und oft den Unsinn – zuvor erschöpfen, ehe wir uns zu dem schönen Ziele der ruhigen Weisheit hinaufarbeiten", schrieb Friedrich von Schiller schon vor mehr als 200 Jahren.
Die Grundlage für Dialog ist gegeben: Alle wollen ihre Freiheit zurück. Die Frage ist, wann?
Im Augenblick fühlt es sich an, als zerreiße die Gesellschaft in zwei extreme Lager, die sich in ihrem jeweiligen "Irrtum" und "Unsinn" einrichten. Wir müssen uns fragen, wie wir jetzt miteinander umgehen wollen. Niemand sollte auf extremen Meinungen verharren und damit eine schwierige Zeit noch schwieriger machen. Wir sollten zu einem unaufgeregteren Dialog kommen, um - wie Schiller es formulierte - das "Ziele der ruhigen Weisheit" zu erreichen. Die Grundlage für diesen Dialog ist übrigens gegeben: Zwar sind sich die Lager nicht einig, wie schnell die Freiheit zurückkehren soll. Aber DASS sie zurückkehren muss, ist unbestritten.
Auch von Schiller - und passt gerade auch irgendwie ganz gut, finde ich ...
bringen uns nicht weiter.
"Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt." Immanuel Kant (1724-1804)
...wirklich zustimmen. Zitat: ("Freiheit, das Einzige was zählt? Nicht in diesen Zeiten!")
Ihr Kommentar entspricht auch meinem Empfinden.
Leider sieht's wohl ein großer Teil inzwischen nicht mehr so eng mit den Abstands- und Maskenregeln. Ich wurde auch schon von einer Gruppe Jugendlicher nach Verlassen einer Apotheke aufgefordert meine "bescheuerte Maske" abzunehmen.
Habe dann lieber die Straßenseite gewechselt.
Besteht die Freiheit die in den Demonstrationen gefordert wird darin, Bürger die sich schützen wollen zu verhöhnen?
MfG und ... bleiben Sie gesund
Das Handeln der Politik ist wieder mal "alternativlos", wer anderer Meinung ist "denkt nur an sich".
Und so etwas soll zu konstruktivem Dialog führen?
Ich wende mich dagegen, daß der Autor eine offene Diskussion fordert (Zitat:" Niemand sollte auf extremen Meinungen verharren und damit eine schwierige Zeit noch schwieriger machen. Wir sollten zu einem unaufgeregteren Dialog kommen"), und dann aber andererseits seine Ansichten von vorneherein "alternativlos" nennt, und Vetretern anderer Meinungen (nein, es gibt nicht nur andere "extreme" Meinungen) vorwirft, sie würden nur an sich denken.