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Würzburg
Kommentar: Ohne extreme Standpunkte kommen wir nicht durch die Corona-Krise
Die Demonstrationen der letzten Tage sind ein wichtiger Teil der Krisenbewältigung. Warum wir diese Phase dennoch möglichst schnell hinter uns lassen sollten.
'Wir wollen unser Leben zurück.' Demonstration der Initiative 'Querdenken 711' gegen Corona-Einschränkungen in Stuttgart am Samstag, 9. Mai. Bundesweit fanden am Wochenende ähnliche Demos statt.
Foto: Sebastian Gollnow | "Wir wollen unser Leben zurück." Demonstration der Initiative "Querdenken 711" gegen Corona-Einschränkungen in Stuttgart am Samstag, 9. Mai. Bundesweit fanden am Wochenende ähnliche Demos statt.
Ivo Knahn
Ivo Knahn
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:16 Uhr

Freiheit, Freiheit
Ist die Einzige, die fehlt.
Der Mensch ist leider nicht naiv,
Der Mensch ist leider primitiv.
Freiheit, Freiheit
Wurde wieder abbestellt.
Alle, die von Freiheit träumen,
Sollten's Feiern nicht versäumen,
Sollen tanzen auch auf Gräbern.
Freiheit, Freiheit
Ist das Einzige was zählt.

1987 sang Marius Müller Westernhagen erstmals diese Zeilen seiner Rockballade  "Freiheit". Corona konnte man damals noch nicht googeln, und wenn man den Begriff in einem medizinischen Wörterbuch nachschlug, wurde er mit "Kranz" oder "Krone" übersetzt und es tauchten einige verwandte Begriffe wie "Koronargefäße" auf. 33 Jahre später beherrscht das Coronavirus die Welt. Innerhalb weniger Monate sterben weltweit mehr als 270.000 Menschen mit - die meisten von ihnen auch an - dem Virus. Und das trotz radikaler Gegenmaßnahmen, angeordnet meist von heute auf morgen: Reiseverbote, Ausgangsbeschränkungen, Abstandsregeln, Zwangsschließungen von Geschäften, Maskenpflicht und so weiter... Freiheit, das Einzige was zählt? Nicht in diesen Zeiten!

Freiheit, ohne Rücksicht auf Verluste, ist die falsche Forderung 

Doch nach nicht mal zwei entbehrungsreichen Monaten fordern immer mehr Menschen immer lauter ihre Freiheit zurück. In den vergangenen Tagen demonstrierten Tausende für eine Aufhebung aller Beschränkungen. In Karlstadt hielten sich die rund 30 Demonstranten an die Regeln, in München ignorierten viele der 3000 Menschen, die sich eng an eng auf dem Marienplatz versammelten, die aktuellen Verbote. In Berlin gab es teils gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Sehnsucht nach maximaler Freiheit hat derzeit wohl jeder. Sie zum jetzigen Zeitpunkt ohne Rücksicht auf Verluste einzufordern, ist aber falsch. Es ist genau so falsch, wie die Forderung nach einem völligen Lock Down mit Ausgansgsperren, den es ehrlicherweise in Deutschland  nie gegeben hat.

"Fahren auf Sicht" ist alternativlos für alle, die nicht nur an sich denken können

Wer  radikale Lösungen in die eine oder andere Richtung fordert, der hat nicht verstanden, was noch vor uns liegt: Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen sind sich einig, dass der weitere Verlauf der Pandemie und seine Auswirkungen nicht vorhersehbar sind. Alle Experten brauchen noch mehr Zeit, um das Virus letztlich beherrschbar zu machen. Das wird Monate, wenn nicht Jahre dauern. Das viel zitierte "Fahren auf Sicht" ist  nahezu unerträglich, weil es so ungewiss ist. Aber es bleibt zumindest für diejenigen alternativlos, die nicht nur an sich selbst denken können oder wollen.

"Wir gelangen nur selten anders als durch Extreme zur Wahrheit."
Friedrich von Schiller

Wer sich jetzt auf einen Marktplatz stellt und das Ende aller Beschränkungen fordert, der macht es sich  einfach, in dem er eine  einfache Lösung für hoch komplexe und nie dagewesene Herausforderungen verlangt. Andererseits sind extreme Standpunkte sogar notwendiger Bestandteil auf dem Weg durch diese Krise:  "Wir gelangen nur selten anders als durch Extreme zur Wahrheit – wir müssen den Irrtum – und oft den Unsinn – zuvor erschöpfen, ehe wir uns zu dem schönen Ziele der ruhigen Weisheit hinaufarbeiten", schrieb Friedrich von Schiller schon vor mehr als 200 Jahren. 

Die Grundlage für Dialog ist gegeben: Alle wollen ihre Freiheit zurück. Die Frage ist, wann?

Im Augenblick fühlt es sich an, als zerreiße die Gesellschaft in zwei extreme Lager, die sich in ihrem jeweiligen "Irrtum" und "Unsinn" einrichten. Wir müssen uns fragen, wie wir jetzt miteinander umgehen wollen. Niemand sollte auf extremen Meinungen verharren und damit eine schwierige Zeit noch schwieriger machen. Wir sollten zu einem unaufgeregteren Dialog kommen, um - wie Schiller es formulierte - das "Ziele der ruhigen Weisheit" zu erreichen. Die Grundlage für diesen Dialog ist übrigens gegeben: Zwar sind sich die Lager nicht einig, wie schnell die Freiheit zurückkehren soll. Aber DASS sie zurückkehren muss, ist unbestritten. 

 
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  • W. S.
    Wer möchte in zwei oder drei Wochen vor die Presse treten, um zu verkünden, dass die erfolgten Lockerungen zu unvorsichtig waren, und leider viele Leute nicht behandelt werden können? Ich möchte nicht in dessen Haut stecken. Daher verstehe ich die Vorsicht der Verantwortlichen nur zu gut. Schlimm ist, dass die Leute sich, nachdem jetzt nur noch von Lockerungen die Rede ist an Vieles einfach nicht mehr halten. Gerade bei älteren Menschen erlebe ich es immer wieder, dass sie scheinbar keine Abstände abschätzen können. Wenn ich zurückweiche, rücken sie mir nach. Wenn das mehrfach passiert ist, spreche ich das dann auch mal deutlich an. Ich denke wir könnten uns mehr Freiheiten leisten, wenn die Leute hier besser auf die entscheidenden Details achten würden. Und nachdem es mittlerweile FFP2 Masken vereinzelt auch wieder zu 2 € das Stück gibt, schätze ich, dass die in ein paar Wochen Pflicht in der Öffentlichkeit werden, im Gegenzug aber auch wieder geringere Abstände möglich werden.
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  • G. K.
    "Wir könnten viel, wenn wir zusammenstünden."

    Auch von Schiller - und passt gerade auch irgendwie ganz gut, finde ich ...
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  • E. S.
    Covid 19 setzt unserer Gesellschaft das Krönchen auf. Das ist für Demokraten ungewohnt. Bürgerinnen und Bürger müssen präventiv handeln, wechselseitige Rücksicht nehmen und täglich Informationen von Desinformation unterscheiden. Dieser Prozess verläuft dynamisch: Für die einen kann es nicht genug auf dem Verordnungsweg verabreichte Einschänkungen geben, die anderen fürchten um ihre Grundrechte. Beides ist legitim. Was nicht geht, dass Demonstranten unisono in die Sektierer-Ecke verortet werden. Gleichzeitig rufen in Nürnberg (täglich!) zw. 50 und 300 Bürger/-innen bei der Einsatzzentrale der Polizei an, um Verstöße gegen Mund- und Nasenschutz, Distanz- und Feierverbote anzuzeigen. Das Blockwart-Gen ist offensichtlich Teil der nationalen DNA. - Je länger die Einschränkungen anhalten, je schwieriger wird es. Die Gerichte ziehen zunehmend Leitplanken ein. Dabei wäre dies die Stunde der Parlamente. Wenn dort nicht der Diskurs geführt wird, legitimiert die "Straße". Wundert Ihr Euch?
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  • W. B.
    Wer seinen Verstand verloren hat soll froh sein, dass er noch lebt! Was ist wenn tatsächlich eine Katastrophe auf uns hereinbricht? Egoisten und Disziplinlosigkeit
    bringen uns nicht weiter.

    "Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt." Immanuel Kant (1724-1804)
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  • Veraltete Benutzerkennung
    „Wir wollen unser Leben zurück“, den Verstand haben wir bereits verloren !!
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  • H. M.
    Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich die Bundes- bzw. Landesregierung mal derart loben muss, wie in diesen Zeiten. Auch wenn das alles sehr dramatisch ist (besonders für die Wirtschaft), sind wir mit den Einschränkungen um italienische, spanische, englische und amerikanische Verhältnisse rum gekommen. Wer jetzt schon die Lockerungen dazu nutzt wieder ins alte Fahrwasser zu verfallen, sorgt mit dafür, dass in wenigen Wochen alles wieder von vorn losgehen muss. Allen voran die unvernünftigen Anti-Beschränkungs-Demonstranten!!!! Wir haben in Deutschland die wohl größten Freiheiten der Welt. Die jetzigen Einschränkungen sind zwar auf unbestimmte Zeit befristet, aber eben nicht dauerhaft wie es in anderen Ländern der Welt der Fall ist. Je besser wir uns an die Beschränkungen halten, desto früher kann mit einer Rückkehr zu einer gewissen Normalität gerechnet werden.
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  • I. F.
    Hier kann ich Ihnen...

    ...wirklich zustimmen. Zitat: ("Freiheit, das Einzige was zählt? Nicht in diesen Zeiten!")
    Ihr Kommentar entspricht auch meinem Empfinden.
    Leider sieht's wohl ein großer Teil inzwischen nicht mehr so eng mit den Abstands- und Maskenregeln. Ich wurde auch schon von einer Gruppe Jugendlicher nach Verlassen einer Apotheke aufgefordert meine "bescheuerte Maske" abzunehmen.
    Habe dann lieber die Straßenseite gewechselt.
    Besteht die Freiheit die in den Demonstrationen gefordert wird darin, Bürger die sich schützen wollen zu verhöhnen?

    MfG und ... bleiben Sie gesund
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  • S. C.
    Bravo, ein linientreuer, regierungskonformer Kommentar.

    Das Handeln der Politik ist wieder mal "alternativlos", wer anderer Meinung ist "denkt nur an sich".

    Und so etwas soll zu konstruktivem Dialog führen?
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  • M. R.
    Ich bin auch Journalist. Es gibt keine Regierung, die uns zu Aussagen zwingt.
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  • R. B.
    @nogel, kommt da noch was, oder war`s das schon. Ich vermute zweiteres ist der Fall, denn Leute wie Sie haben selten wirklich tragbare Argumente. Die vemeintlichen Hüter der Grundrechte interessieren sich nur für das Eine, sich selbst. Millionen Menschen, darunter ganz viele Kinder verzichten gerade auf ihre Grundrechte, um Jene zu schützen, für die das Virus möglicherweise besonders gefährlich ist, weil sie vorerkrankt oder alt sind. Ich wünsche diesem Land nicht, dass sich Ärzte mangels Beatmungsgeräte entscheiden müssen, welchen Patienten sie anschließen und welchen sie sterben lassen - so geschehen in Italien. Schämen Sie sich vor all den Kindern und den Menschen, die seit Monaten die Disziplin und Solidarität aufbringen, weil sie nicht wie Sie nur an sich denken.
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  • S. C.
    Das Posting verstößt gegen unsere Netiquette und wurde daher gesperrt.
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  • I. K.
    Das Handeln der Politik ist nie alternativlos. Aber das Fahren auf Sicht ist es - in welcher Ausprägung, darüber ist zu diskutieren. Radikale Lösungen sind jedenfalls keine Option. Beste Grüße, Ivo Knahn
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  • F. F.
    Auch von mir: wars das , Herr/Frau Nogel ? Bißchen arm, Ihre Argumentation. Wenn Sie Dialog führen wollen, dann sagen Sie doch bitte: wer verbietet Ihnen, zu demonstrieren? Wer schreibt Ihnen vor, welche Medien sie lesen/schauen/hören? Wer verbietet Ihnen, vor die Tür zu gehen? Falls Sie Probleme mit der Beantwortung haben, fragen Sie doch mal Bürger*innen in China, in der Türkei oder in Russland. Und fragen Sie die US-Amerikaner*innen, ob sie sich von ihrer Führung gut beraten und regiert fühlen. Ich für meine Verhältnisse stelle meine eigenen Bedürfnisse gerne für einige Zeit zurück, wenn es dem Gemeinwohl nutzt.
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  • S. C.
    @medienfrank: Sie legen mit Worte und Ansichten in den Mund, die ich nicht gesagt habe. Gar nicht.

    Ich wende mich dagegen, daß der Autor eine offene Diskussion fordert (Zitat:" Niemand sollte auf extremen Meinungen verharren und damit eine schwierige Zeit noch schwieriger machen. Wir sollten zu einem unaufgeregteren Dialog kommen"), und dann aber andererseits seine Ansichten von vorneherein "alternativlos" nennt, und Vetretern anderer Meinungen (nein, es gibt nicht nur andere "extreme" Meinungen) vorwirft, sie würden nur an sich denken.
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  • K. E.
    Einspruch! Ich würde gerne andere Zeilen hier hin schreiben - die würden jedoch mit großer Sicherheit wegzensiert. Deshalb muss ich Ihnen einfach nur vehement widersprechen! Der Artikel ist extrem gut geschrieben und der Autor hat einfach nur Recht. Und ich kann Ihnen versichern, dass ihm niemand eine Meinung aufdrückt. Jeder vernunftbegabte Mensch kommt zum gleichen Schluss!
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  • R. B.
    Das Plakat des jungen Mannes zeigt, welch hochgeistige Elite hier unterwegs ist. "Wir wollen unser Leben zurück". Das möchten 82 Mio. in diesem Land und alle übrigen auf dieser Welt betroffenen Menschen auch. Aber um das zu erreichen bedarf es Disziplin, Solidarität und Zusammenhalten einer ganzen Gesellschaft, damit das Virus nicht aus dem Ruder läuft. Leider haben ein paar Verblendete immer noch nicht verstanden, dass es nicht um die Gefährlichkeit des Virus geht, sondern darum, dass die Ansteckungsraten extrem hoch ausfallen können und unser Gesundheitssystem kollabiert. Aber gut, damit ist der Eine oder Andere geistig vollkommen überfordert, oder eben, es interessiert ihn einen Schei........dreck, was Andere machen. Und genau dieses Klientel von Überforderten und Gleichgültigen trifft sich und verbreitet Verschwörungstheorien. Meine Achtung vor den vielen Millionen Kindern in diesem Land steigt enorm, sie leisten das, was die Querköpfe in diesem Land verweigern und verhindern.
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  • P. M.
    Herr Knahn, Sie sprechen mir aus der Seele
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    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • R. T.
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar. Bitte belgen Sie dass das Virus schon seit Jahren bekannt ist?
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