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Würzburg
Kommentar: Bitte Hybridsitzungen nur behutsam einsetzen!
Ist es ein Gewinn für die Demokratie, wenn ich mich digital in den Gemeinderat zuschalten kann? Achtung, warnt unser Autor: Kommunalpolitik braucht den direkten Austausch.
Öffentliche Sitzungen gehören zum Wesen von Kommunalpolitik. Werden sie übermäßig ins Netz verlagert, könnten direkte Beteiligung und Aussprache leiden, findet unser Kommentator.
Foto: Andreas Brachs | Öffentliche Sitzungen gehören zum Wesen von Kommunalpolitik. Werden sie übermäßig ins Netz verlagert, könnten direkte Beteiligung und Aussprache leiden, findet unser Kommentator.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 09:30 Uhr

Ist es nicht egal, ob ein politisches Gremium leibhaftig unter einem Dach tagt oder digital zusammengeschaltet? Nein, ist es nicht! Die Not der Pandemie hat erfinderisch gemacht und, wie das forcierte Homeoffice in der Arbeitswelt, neue Türen geöffnet. Plötzlich geht, was bis dato ein "No-Go" war: als gewählte Vertreterin oder Vertreter per Mausklick in die Gemeinde- oder Stadtratssitzung springen. Vom heimischen Schreibtisch, dem Sofa oder vom Hotelzimmer in Italien aus.

Das kann ein Gewinn sein, wenn eine Dienstreise, der Studienort oder kleine Kinder daheim die Sitzungsteilnahme ansonsten nicht erlauben. Vielleicht lassen sich dadurch sogar wieder leichter Menschen fürs politische Ehrenamt gewinnen. Das wäre erfreulich!

Digitale Teilnahme muss gewissenhaft sein

Das Distanz-Tagen kann aber auch zu Bequemlichkeit und Nachlässigkeit verführen und Fragen aufwerfen: Wie ernst nehme ich mein Mandat noch? Wie seriös ist meine eigene Beteiligung und die anderer Kolleginnen und Kollegen via Bildschirm? Selbst eine Beeinflussung – zum Beispiel durch Parteifreund oder Partnerin – ist nicht ausgeschlossen, sollte sich jemand vor seinem Rechner soufflieren lassen. Nein, es besteht kein Anlass zur Schwarzmalerei. Aber die digitale Öffnung ist auch keine Kleinigkeit, die mögliche Wirkung sollte man nicht unterschätzen.

Die Grünen im Landtag wollten sogar rein digitale Gemeinderatssitzungen ermöglichen. Gut, dass sie sich damit nicht durchgesetzt haben und zumindest ein Mindestmaß an Präsenz vorgeschrieben bleibt. Kommunalpolitik lebt von ihrer Erdung, vom direkten, authentischen Austausch – und ja, bisweilen von der Emotion. Nicht nur Stimmen zählen, auch Stimmungen. Sie verraten nicht selten etwas über Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Beiträgen.

Verändern sich Gewichtungen in der Diskussion?

Politische Willensbildung als ehrliches Ringen um die besten Lösungen – da droht im virtuellen Raum einiges verloren zu gehen. Auch wenn hybride Sitzungen die Teilnahmemöglichkeiten erweitern: Lebendiger und substanzieller wird die Demokratie dadurch wohl kaum. Und die Gesprächskultur in den Räten könnte sich nachhaltig verändern – sich zu Gunsten jener verschieben, die vor Ort das Wort führen.

Schon die Angst vor einem Abgehängtwerden dürfte zu Misstrauen in den Räten führen, wie weit man sich über die Pandemie hinaus auf die hybride Option einlässt. Die nächsten Monate zu nutzen, um Erfahrungen zu sammeln, kann da nur helfen. Letztlich gilt wie so oft: Nicht das Instrument per se ist gut oder schlecht. Entscheidend ist, ob es sinnvoll und verantwortungsbewusst angewendet wird.

 
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Kommentare
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  • S. B.
    Der Kommentar spiegelt fur mich das deutsche Vorgehen bei der digitalisiert. Man zahlt gefahren auf, was sich alles verschlimmern könnte, wer das alles nicht mehr ernst nimmt etc.

    Zugleich läuft unsere Wirtschaft seit Monaten und setzt Videokonferenzen - in denen auch elementare Entscheidungen getroffen werden! - umfassend ein.

    Weniger hasenfüßigkeit und bedenkenträgerei, das brauchen wir, um endlich den Anschluss in der Digitalisierung zu anderen Ländern wieder zu bekommen. Den haben wir nämlich längst verloren.

    Siehe etwa digitalen Unterricht an den Schulen. Im Ausland funktionierts! Auch da gab es in der Vergangenheit sicher viele bedenkenträger, ähnlich dem Kommentar hier, die alles mögliche gegen digitalen Unterricht ins Feld geführt haben.

    Mit bekannten Folgen.
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