Es ist der neue Star unter den Küchengeräten in der Großküche des Alten- und Pflegeheims St. Aurelia in Zell. Auf Knopfdruck fräst und häckselt, schlägt und schäumt, mixt und hobelt es. Das Ergebnis kredenzt Küchenchef Christian Blokowsky als Suppe, Gratin oder Sorbet. Zur Freude der Heimbewohner, die unter Kau- und Schluckbeschwerden leiden.
Liebe zur Kochkunst
Wenn es um die Kochkunst geht, ist Christian Blokowsky in seinem Element. Das Experimentieren mit neuen Ideen liebt er ebenso wie das Variieren des Altbekannten - immer mit dem Ziel, die Perfektion zu erreichen. Eigentlich zaubert der Küchenchef vor allem gute Hausmannskost auf den Teller: Braten, Karotten, Seelachsfilet mit Brokkoli oder Apfelstrudel - alle Speisen, die bei älteren Menschen beliebt sind.
Oft Kaubeschwerden
Weil Blokowsky genau weiß, dass die Heimbewohner diese Gerichte mögen, bringt er diese häufig auf den Tisch. Im Speisesaal hat er allerdings beobachtet, dass viele Senioren ihr Essen gar nicht anrühren oder nur wenig davon essen. Der Grund? Manche leiden an Kau- und Schluckbeschwerden. Für sie bedeutet jede Mahlzeit ein Kampf, eine Herausforderung. So kam Blokowsky auf die Idee, sogenannte Molekularküche im Heim anzubieten. Schließlich hat er jahrelang mit passierter Kost experimentiert.
Passierte Kost
Seit Oktober vergangenen Jahres bereitet die Küche unter seiner Regie immer neue, spezielle passierte Kost zu, die den Verzehr einfacher macht, den Geschmack jedoch nicht beeinträchtigt. Gerade in einem fortgeschrittenem Alter sind die Mahlzeiten ein Highlight für die meisten im Heim, weiß der Koch aus Erfahrung. Die Bekochten danken ihm und seinem Team die Mühe. Derzeit freuen sich 17 Heimbewohner über ihre Molekularküche - Tendenz steigend.
Immer mehr Interessenten für Molekularkost
Laut Blokowsky haben auch diejenigen ohne Kau- und Schluckbeschwerden herausgefunden, dass die passierte Kost ein Gaumenschmaus sei und hätten bereits angefragt, ob sie nicht auch „umsteigen“ könnten. Tatsächlich ist das Geschmackserlebnis phänomenal, sodass selbst das hauseigene Personal gern die eine oder andere molekularisierte Mahlzeit zu sich nimmt.
Kleine aber feine Küchenmaschine
Kein Wunder, steht Blokowsky jeden Tag vor seiner kleinen, teuren Küchenmaschine, einem Präzisionsgerät Schweizer Fabrikat, das ihm ermöglicht, frische, ultraleichte Mousses, naturfrische Eiscremes und Sorbets oder aromatische Suppen, Saucen und Füllungen zu zaubern.
Das Gerät, erklärt der Küchenchef, „fräst alles Essbare, was zuvor in einem dazugehörigen Einliterbecher bei minus 20 Grad tiefgefroren wurde, zu einer weichen, homogenen Creme.“ Und das auch noch portionsweise: Was man nicht braucht, bleibt in der Dose und kommt in den Gefrierschrank zurück.
Nach dem kochen einfrieren
Und wie funktioniert es genau? Von dem auf herkömmliche Weise servierten Essen zweigt Blokowsky genau die richtige Menge ab und friert es sofort nach dem Kochvorgang in runden Gefäßen ein, die er bei Bedarf in die Küchenmaschine einfach einklinken kann. Gab es also Rindergulasch mit Karottengemüse, Püree und als Nachspeise Apfelstrudel mit Vanillesoße, befüllt er für jede Zutat einen einzelnen Behälter und friert sie ein.
Am nächsten Tag holt er diese wieder aus dem Kühlfach und lässt das Gerät die Speisen in gefrorenem Zustand molekularisieren - eine nach der anderen. Von dem Ergebnis schwärmt der Koch.
„Frischer geht's kaum.“ Denn die Grundprodukte würden auf dem Höhepunkt ihrer Reife konserviert und stünden ohne Aroma- oder Farbverlust portionsweise zur Verfügung. Der Vorteil dabei sei, dass die Gerichte ohne Stabilisatoren auskämen.
Intensive Geschmacksstoffe
„Durch die extreme Zerkleinerung kommen Geschmacksstoffe beim Verzehren noch viel stärker zur Geltung als zuvor“, so Blokowsky. Das pulverisierte Essen wird nun in Formen gegeben; diese Kunststoffmatrizen geben der Nahrung entweder ihre ursprüngliche Form zurück oder sie nehmen ein appetitanregendes Aussehen an - auch nach dem Stürzen auf die Teller. Diesen Vorgang vollzieht das geübte Küchenpersonal binnen weniger Minuten. Ist die Mahlzeit dann erst einmal angerichtet, wird sie nur noch erwärmt, mit Soße, Kräutern und anderer liebevoller Dekoration versehen und landet sofort auf dem Tisch.
Mehraufwand für Personal
Tatsache ist, dass das Angebot der Molekularküche einiges an Mehraufwand für das zehnköpfige Küchenteam bedeutet. Immerhin muss es täglich 150 Mahlzeiten zubereiten. Dem Küchenchef ist es das wert: „Das mache ich gern für die Leute!“ Mit der Molekularküche wird nicht nur die Mägen derer gefüllt, die schon nahezu die Lust am Essen verloren hatten. Vielmehr versorgt sie durch die Gefriermethode auch mit lebenswichtigen Nährstoffen und Vitaminen. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll das Angebot auf die Häuser „Mein Blick“ in Zell und St. Aurelia in Thüngersheim ausgeweitet werden.