Es ist eine Geschichte, die traurig beginnt und schöner nicht enden könnte. Als sich der Ochsenfurter Berufssoldat Fabian Sattler vor fünf Jahren entschied, sich als Knochenmarkspender registrieren zu lassen, konnte er nicht ahnen, dass er damit einer Frau aus den USA das Leben rettet und fünf Jahre später Freunde fürs Leben finden wird.
Durch einen Werbeflyer der Bundeswehr sei er auf die Stefan-Morsch-Stiftung aufmerksam geworden, erzählt Sattler. Die Stiftung hat die erste Knochenmarkspenderdatei in Deutschland aufgebaut und ist neben der Deutschen Knochenmarksspender-Datei DKMS in ein weltweites Netzwerk integriert, das Stammzellenspenden vermittelt. Kurzerhand habe er sich damals online registriert: "Ich dachte, es ist wichtig und es ist praktisch ohne Aufwand möglich".
Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, tatsächlich als Spender zum Einsatz zu kommen. Zwei Jahre später jedoch erhielt Fabian Sattler einen Anruf von der Stiftung. Man teilte ihm mit, dass er für eine an Leukämie erkrankte Person als Spender infrage komme. Ohne zu zögern ließ er sich von seinem Truppenarzt ein erstes Blutbild abnehmen. Kurz darauf stand fest, dass er ein passender Spender sei – und zwar der einzige weltweit.
Für die große Untersuchung musste er an Leipziger Uniklinik fahren, eine von zwei Kliniken deutschlandweit, in der Knochenmarktransplantationen durchgeführt werden. Mit Sattlers Zustimmung, zwei Wochen später zur Operation zu erscheinen, sei der anonymen Empfängerin mitgeteilt worden, dass es einen Spender gibt. "Mir wurde klar gemacht, dass sie im Falle einer Absage definitiv sterben wird", so Sattler.
Aus dem Beckenknochen wird Knochenmark entnommen
Bei einer Knochenmarkspende wird ein risikoarmer operativer Eingriff vorgenommen. Dabei wird aus dem Beckenkammknochen Knochenmark gewonnen. Darin befinden sich die Stammzellen, auch Vorläuferzellen genannt. Diese können auch in einem fremden Körper zu verschiedenen Blutzellen heranreifen. Eine Stammzellenspende ist für viele an Blutkrebs Erkrankte die letzte Hoffnung.
Aus Sattlers Spende seien 1,6 Kilogramm Knochenmark gewonnen worden, erzählt er. Das sei überdurchschnittlich viel, bildet sich aber Körper des Spenders schnell nach. Noch am Tag der Operation sei das Knochenmark in die USA geflogen worden. Nur 24 Stunden später habe die Empfängerin die lebensrettende Infusionen erhalten. Dass es sich dabei um Mary Ann Campion handelte, eine zweifache Mutter und Professorin für Gentechnik an der Stanford Universität in San Francisco, wusste Fabian Sattler damals noch nicht.
Spender und Empfängerin blieben zwei Jahre lang anonym
Ob und wann ein Kontakt zwischen Spendern und Empfängern hergestellt werden kann, ist abhängig von den Regularien der jeweiligen Länder. Jedoch gilt überall eine zweijährige Anonymitätsfrist. Das sei deshalb so, weil die Möglichkeit besteht, dass die Spende nicht die erhoffte Wirkung hat und der Empfänger oder die Empfängerin in dieser Zeit verstirbt. Aus diesem Grund soll keine persönliche Bindung aufgebaut werden, erklärt Sattler.
Als beide nach den zwei Jahren von der Agentur kontaktiert wurden, hätten sie der Datenweitergabe zugestimmt. Noch am selben Abend nahmen sie Kontakt auf. Anfang August lernten sie sich schließlich persönlich kennen.
Vor der Knochenmarkspende lag die Wahrscheinlichkeit, dass Mary Ann die nächsten fünf Jahre überleben wird, bei fünf Prozent. "Heute sind es 95 Prozent, sie gilt damit als geheilt", so Sattler. Durch die Spende habe sie nun auch Sattlers Blutgruppe bekommen, da seine Stammzellen ihre Blutgruppe verändert hätten: "Meine Blutgruppe ist 0 negativ, mit allen kompatibel und damit selten". Außerdem habe sie nun wie er Heuschnupfen und eine Laktoseintoleranz: "Wir haben jetzt dieselbe DNA, deshalb haben wir uns versprochen, niemals jemanden zu ermorden", sagt Sattler scherzend.
Dass etwas mit ihr nicht stimmte, habe Mary Ann beim Training für ein Marathonlauf gemerkt. Erst sei ihr ein rapider Leistungsabfall aufgefallen. Kurze Zeit später entdeckte sie typische blaue Einlagerungen in den Augenlidern. Ihr Zustand habe sich daraufhin schnell verschlechtert. Sie erhielt die Diagnose Leukämie und sei eines Tages früh morgens ins Krankenhaus gebracht worden: "Sie hat ihren Kindern einen Kuss auf die Stirn gegeben, ohne zu wissen, ob sie wieder nach Hause kommen wird". Bis zur Stammzellentransplantation folgten zwei Monate Krankenhausaufenthalt, in denen Mary Ann durchgehend eine Chemotherapie erhalten habe.
Mary Ann wollte Fabians Heimat kennenlernen
Nach dem ersten Kontakt habe Sattler die Familie in den USA besuchen wollen, da er ohnehin seinen nächsten Urlaub in Kalifornien geplant habe. Doch sie habe darauf bestanden, ihren Spender in seinem Land kennenzulernen. Dafür mietete Mary Anns Familie eine Ferienwohnung in Frickenhausen. Noch am Abend ihrer Ankunft, habe er sie besucht. "Zuerst stand sie allein im Hof. Das Aufeinandertreffen war sehr emotional. Danach kamen ihr Ehemann und die beiden Kinder dazu. Wir lagen uns minutenlang in den Armen", sagt Sattler.
Das Verhältnis habe auf Anhieb gestimmt, "als hätten wir uns Jahre lang gekannt". Die Familie sei sehr großzügig gewesen, "sie wollten am liebsten alles bezahlen", sagt er. Das größte Dankeschön sei für ihn jedoch, sie alle zusammen und gesund zu sehen. Was er mit seiner Spende möglich gemacht hat, habe er aber erst in den letzten Stunden ihres Besuchs realisiert. "Ihr Sohn hat sich jeden Tag dafür bedankt, dass ich seine Mama gerettet habe", erzählt er.
Fabian Sattler hat sich dafür entschieden, seine Geschichte zu erzählen, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig und wertvoll und zugleich wie einfach es ist, sich als Stammzellenspender registrieren zu lassen. "Nur mit zwei Nadelstichen kann man ein ganzes Leben retten", sagt er Sattler. Für eine Stammzellenspende kommen alle infrage, die volljährig und bei guter Gesundheit sind. Mögliche Anlaufstellen sind die DKMS sowie die Stefan-Morsch-Stiftung.
Und unter 55.
Mich haben sie abgelehnt.