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Würzburg
Kinderkriegen in Corona-Zeiten: Gibt es in Würzburg einen Babyboom?
Laut Statistischem Bundesamt sind im Frühjahr 2021 deutschlandweit mehr Babys geboren worden als in vergangenen Jahren. Macht sich das auch in Würzburger Kliniken bemerkbar? 
Auf den Geburtenstationen im Missio und in der Frauenklinik ist viel los: Gibt es einen Corona-Babyboom? Hier ein Neugeborenes, das am Standort Missio des Klinikum Mitte das Licht der Welt erblickte.
Foto: Silvia Gralla | Auf den Geburtenstationen im Missio und in der Frauenklinik ist viel los: Gibt es einen Corona-Babyboom? Hier ein Neugeborenes, das am Standort Missio des Klinikum Mitte das Licht der Welt erblickte.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 09.02.2024 08:20 Uhr

Glücklich hält die frisch gebackene Mama ihr Töchterchen Lea in den Armen. Die Kleine erblickte Anfang Juni am Standort Missioklinik des Würzburger Klinikums Mitte (KWM) das Licht der Welt. Sie ist eines von vielen Babys, die in den vergangenen Monaten in Würzburg geboren wurden. Es scheint, als würde in der schwierigen Coronazeit die Lust am Kinderkriegen weiter zunehmen.   

Im Juni vermeldete das Statistische Bundesamt auf dem Nachrichtenportal Twitter, dass im März 2021 deutschlandweit 65 903 Kinder  auf die Welt kamen, das sind zehn Prozent mehr Babys als zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr. Somit habe die Corona-Pandemie sogar zu einem Rekordwert geführt, der in den vergangenen 20 Jahren nicht mehr erreicht worden war. Doch zeichnet sich dieser Trend auch in Würzburg ab und lässt sich wirklich von einem Corona-Babyboom sprechen?    

Schon seit einigen Jahren geht der Trend nach oben 

Chefarzt Dr. Hanns-Jörg Grimminger von der Gynäkologie des Klinikum Mitte spricht ebenfalls von einem deutlichen Anstieg der Geburtenrate. Diese Entwicklung sei allerdings nicht ganz neu, schon seit einigen Jahren kämen wieder mehr Kinder auf die Welt. Wurden beispielsweise im Jahr 2013 im Missio 1550 Geburten verzeichnet, lag die Zahl für 2019 bei 2168 Kindern. "2020 stiegen die Geburten nochmal an, und es wurden 2343 Kinder innerhalb eines Jahres in unserer Klinik geboren", berichtet der Mediziner.

Chefarzt Dr. Grimminger im Kreißsaal am Standort Missio. 
Foto: Silvia Gralla | Chefarzt Dr. Grimminger im Kreißsaal am Standort Missio. 

Die Klinik selbst habe sich schon vor einiger Zeit auf die steigenden Geburtenzahlen vorbereitet: "Wir haben einen Kreißsaal mehr, auch an Betten auf der Wochenbettstation haben wir deutlich zugelegt. Was das Personal angeht: Auch da haben wir aufgestockt, von einem Zweischichtsystem auf ein Dreischichtsystem", berichtet Grimminger.

Auch in diesem Jahr steigen die Zahlen weiter: Bis zur Jahreshälfte wurden 1212 Babys im KWM geboren, im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es 1176 Kinder. Im Januar 2021 wurden sogar so viele Babys geboren wie nie zuvor im Missio, das sich als eine von 100 bundesweit zertifizierten "babyfreundlichen Kliniken" einen Namen gemacht hat, berichtet Hebamme Silke Rüttiger. Der Trend hin zur größeren Familie sei erkennbar.

"Waren viele Jahre lang zwei Kinder die Regel, ist auffallend, dass viele Familien nun ein drittes Kind bekommen oder zumindest darüber nachdenken", sagt auch der Chefarzt. Auch Mehrlingsgeburten kämen öfter vor als früher - gerade durch das gestiegene Angebot an Kinderwunschbehandlungen. So wurden im Missio beispielsweise zwischen November 2019 und November 2020 insgesamt 37 Zwillingsgeburten verzeichnet, Tendenz eher steigend. 

Auch am Universitätsklinikum stieg die Geburtenrate

Auch die Frauenklinik am Würzburger Universitätsklinikum bestätigt den Trend für eine höhere Geburtenrate. "Eine solche Entwicklung lässt sich erfahrungsgemäß aber nicht auf einen einzelnen Faktor wie die besondere Situation der Corona-Pandemie zurückführen", heißt es auf Nachfrage aus der Presseabteilung. Um dies beurteilen zu können und Fehlinterpretationen zu vermeiden, müsse man einen längeren Zeitraum einbeziehen.

Das sieht auch Chefarzt Grimminger so: "Die Corona-Situation mag ein Faktor von mehreren sein, sie als einzigen Auslöser für einen Baby-Boom zu nehmen, sehe ich skeptisch." Einen weiteren Faktor sieht er in der positiven Darstellung des Familienbildes durch politische und finanzielle Maßnahmen in den vergangenen Jahren. Auch das Thema Migration spiele eine Rolle, da es in anderen Kulturen üblich sei, mehr Kinder zu bekommen, so der Gynäkologe.

"Zudem kommt, dass wir gerade in der Coronazeit viele Anfragen für Entbindungen auch aus anderen Städten oder sogar Bundesländern bekamen." Auch dies könne einen Anstieg der Zahlen in Würzburg mit beeinflusst haben. Grund dafür sei gewesen, dass beispielsweise in Baden-Württemberg nicht in allen Kliniken gewährleistet wurde, dass der Vater bei der Geburt dabei sein könne, berichtet er.

Chefarzt Dr. Grimminger und Hebamme Silke Rüttiger im Kreißsaal am Standort Missio des KWM. 
Foto: Silvia Gralla | Chefarzt Dr. Grimminger und Hebamme Silke Rüttiger im Kreißsaal am Standort Missio des KWM. 

Das wurde in Würzburg mit guten Testkonzepten stets gewährleistet: Sowohl im Klinikum Mitte als auch in der Uniklinik durften die werdenden Väter (oder eine Begleitperson) mit Nachweis eines negativen Coronatests bei der Geburt dabei sein. 

Die coronabedingt geringe Anzahl an Besuchern im Krankenhaus habe sich aber auch positiv ausgewirkt, wie Susanne Just, Leiterin der Pressestelle der Uniklinik, mitteilt: So hätten die frisch gebackenen Mütter beispielsweise beim Stillen von der Ruhe profitiert. Hier wird es laut Just noch weitergehende Analysen auch zur Stressbelastung unter Corona-Bedingungen geben. Klar sei immer gewesen: "Durch unsere Hygiene-Konzepte und –Hygienestandards wollen wir unseren Patientinnen eine größtmögliche Sicherheit geben."

Seit der Pandemie, berichtet sie weiter, verließen die frisch gebackenen Mütter die Frauenklinik in der Regel etwas früher und würden von den niedergelassenen Ärzten und Kinderärzten ambulant weiterbetreut. "In Würzburg und Umgebung ist diese ambulante Versorgung gut aufgestellt." Und: Auch wenn es eine stark erhöhte Nachfrage nach Entbindungen in der Uniklinik gibt, sei es bislang nicht erforderlich gewesen, Frauen an andere Krankenhäuser zu verweisen, heißt es auf Nachfrage. Was die notfallmedizinische Versorgung angeht, "diese ist natürlich immer sichergestellt". 

Wunsch nach außerklinischer Geburt 

Der vermehrte Wunsch nach außerklinischen Geburten hat sich indes während Corona im Würzburger mainGeburtshaus bemerkbar gemacht. "Wir haben sehr viele Anfragen für Entbindungen bekommen", erzählt Lydia Argus, die zu einem Team von etwa 13 Hebammen gehört. Mit gemütlich eingerichteten Geburtsräumen in der Äußeren Aumühlstraße laden sie werdende Mütter dazu ein, ihr Kind in heimeliger Atmosphäre willkommen zu heißen.

Die sehr hohe Nachfrage sieht Argast auch im Zusammenhang mit der Pandemie, "denn da wollen viele werdende Eltern ein eventuelles Ansteckungsrisiko in den Kliniken vermeiden". Doch die Kapazitäten im Geburtshaus sind begrenzt. "Etwa 22 Babys werden monatlich bei uns geboren." Deshalb sollten - wenn der Wunsch nach einer alternativen Geburt da ist - erste Gesprächs- und Vorsorgetermine am besten schon in der Frühschwangerschaft ausgemacht werden, meint die Hebamme.

Blick in den Geburtsraum „Goldenes Zimmer“ im mainGeburtshaus in der Äußeren Aumühlstraße 12 in Würzburg. 
Foto: Patty Varasano | Blick in den Geburtsraum „Goldenes Zimmer“ im mainGeburtshaus in der Äußeren Aumühlstraße 12 in Würzburg. 

Auch eine erhöhte Nachfrage nach Hausgeburten hat sie festgestellt, dazu aber keine statistische Auswertung. Klar sei, dass sich Frauen nicht kurzfristig am Ende ihrer Schwangerschaft zu einer Hausgeburt umentscheiden könnten, denn diese müsse von Anfang an gut geplant und abgewogen werden. 

Chefarzt Grimminger befürwortet indes die Klinikgeburt, "weil in seltenen Fällen auch bei einem ganz niedrigen Risiko Probleme auftreten können und vielleicht innerhalb kürzester Zeit ein Kaiserschnitt durchgeführt werden muss". Das A und O für jede schwangere Frau sei also, sich bei der Geburtsplanung zu fragen: "Welches Setting ist für mich das Passende? Und wo fühle ich mich sicher?"



 
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Kommentare
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  • clubfan2@gmx.de
    Ich würde mit dem Wissen von heute
    keine Kinder mehr in diese Welt setzen.
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  • joerg.nellen@gmx.de
    Hoffen wir mal, dass das FW-Kultusministerium den Geburtananstieg um 10% erfahren hat und das CSU-Finanzministerium rechtzeitig um Planstellen für Grundschullehrkräfte bittet. Dabei könnte man endlich die Forderung der Bildungsgewerkschaft GEW erfüllen, gerecht zu bezahlen: A13 für alle Lehrkräfte als Einstiegsgehalt!
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  • jutta.noether@web.de
    Mal darüber nachgedacht, dass in den großen Kliniken schlicht und einfach deshalb mehr Kinder geboren werden, weil auf dem flachen Land immer mehr Geburtsstationen geschlossen wurden und noch werden?
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