Annika kam auf dem Gehsteig in Dettelbach zur Welt. Ihre Eltern wollten gerade ins Geburtshaus nach Würzburg fahren. Die Autotüre war schon geöffnet. Dann kam die erste Presswehe. Stephanie Oberle-Leiner spürte sofort, dass ihr Kind es sehr eilig hat: "Ich bin nicht mehr eingestiegen." Stattdessen legte sie sich instinktiv sofort hin - auf den blanken Asphalt. In dieser Extremsituation spielte es keine Rolle, dass der Gehweg hart und kalt war. Und dann ging alles ganz schnell an diesem Donnerstagabend in Dettelbach (Lkr. Kitzingen).
Um 21.25 Uhr wählt Vater Martin Leiner die Notrufnummer
Martin Leiner, der werdende Vater, blieb ruhig: "Ich habe die 112 gewählt", die Notrufnummer. Das war um 21.25 Uhr. Die werdende Oma kniete sich auf den Bordstein, um ihrer Tochter zu helfen. Decken, Kissen und Handtücher wurden geholt. Als die "Helfer vor Ort" der Bereitschaft Dettelbach des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) nur drei Minuten nach dem Absetzen des Notrufs ankamen, dauerte es nur noch Sekunden, bis Annika das Licht der Welt erblickte – beziehungsweise den Nachthimmel über Dettelbach.
Die beiden Ersthelfer bekamen bei der Alarmierung das Stichwort "Geburt/Entbindung akut" und dazu den Hinweis "Der Kopf schaut bereits raus". Da wussten Marcel Schöpf und Kai Glöggler, dass ihnen keine Zeit zum Nachdenken blieb. Sie rasten los. "Das Kind hat geschrien, Gott sei Dank!" erzählen beide. "Wir haben es in eine Decke gewickelt und der Mutter auf den Bauch gelegt." Die Hebamme, die schon auf dem Weg ins Geburtshaus war, wurde von den Eltern informiert, kam hinzu und nabelte Annika ab. Die erste medizinische Versorgung von Mutter und Kind übernahm der Notarzt, der ebenfalls innerhalb von Minuten vor Ort war.
Es gebe mehrere Heldinnen und Helden in dieser Nacht, erzählt Martin Leiner, der seit Ende 2020 organisatorischer Leiter des Nachwuchsleistungszentrums der Würzburger Kickers ist. Als erstes nennt er die Mutter seiner Frau, Ina Oberle. Sie habe sofort richtig reagiert und nicht einmal gemerkt, dass sie sich dabei ihre Knie auf der Bordsteinkante aufgestoßen hat. "Sie hat das sensationell gemacht", sagt Leiner.
Zu den Helden des Abends zählt er auch die Nachbarn im Haus, die ihre Wohnung für die Erstversorgung zur Verfügung stellten. "Wir wohnen im Dachgeschoss", doch das Treppensteigen wollten alle der frischgebackenen Mutter kurz nach der ungewöhnlichen Geburt ersparen. Heldenhaft seien auch alle Helfer gewesen, lobt der Vater die Männer, die großteils ehrenamtlich tätig sind.
Für die Familie war es die dritte Geburt. Die beiden Söhne sind elf und zwei Jahre alt. Seit dem 29. April gehört Annika dazu. Den Namen erhielt die Kleine jedoch erst später: "Wir haben das in der Nacht entschieden", sagt Stephanie Oberle-Leiner.
Für die beiden "Helfer vor Ort" war es die erste Geburt. Beide waren bei Notfalleinsätzen schon öfter dabei, als Schwangere ins Krankenhaus gefahren wurden. "Da hofft jeder, dass man rechtzeitig ankommt." Noch zwei Tage nach ungewöhnlichen Einsatz in Dettelbach ist ihre Erleichterung zu spüren, aber auch die Freude, dass alles glattlief: "Es war ein perfektes Zusammenspiel von A bis Z." Der 21 Jahre alte Marcel Schöpf ist angehender Kaufmann und stellvertretender Kreisbereitschaftsleiter beim BRK Kitzingen. Kai Glöggler beendet in Kürze seine Ausbildung als Bestattungsfachkraft. In dieser Nacht hatte der 19-Jährige jedoch nicht mit dem Ende des irdischen Daseins zu tun, sondern mit dem Beginn.
Oma Ina Oberle hatte in den dramatischen Minuten der Geburt widersprüchliche Gefühle: "Angst und Zuversicht." Letztlich habe sie aber Vertrauen in das Leben, sagt sie. Und wohl auch ein Gespür für den richtigen Moment. Denn sie hatte eine längere Anfahrt von Kreuzwertheim (Lkr. Main-Spessart) und kam genau rechtzeitig zur Geburt an: "Ein glücklicher Zufall." Eigentlich hätte sie an diesem Abend die anderen beiden Enkelkinder betreuen sollen, während Tochter und Schwiegersohn im Geburtshaus sind. Die kleine Annika hat alle Planungen über den Haufen geworfen. Oma Ina nimmt es gelassen: "Man muss der Natur ihren Lauf lassen." Wenn es sein muss, auch auf dem Gehsteig in Dettelbach.
Glöggler hilft mit seinem Erben.
Bestatten und Ersthelfen können die Glögglers halt.
Letzteres durfte ich schon mal testen.
Alles Gute der neuen Erdenbürgerin.