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Würzburg
KI-Guru: Wie Künstliche Intelligenz die Menschheit befreit
"Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen?" fragen Main-Post und Juristen-Alumni beim Kellergespräch. IT-Experte Tristan Behrens sieht vor allem Vorteile. Ein Interview.
Tristan Behrens ist Experte für Künstliche Intelligenz in Würzburg.
Foto: Tristan Behrens | Tristan Behrens ist Experte für Künstliche Intelligenz in Würzburg.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:35 Uhr

Tristan Behrens ist studierter Informatiker, über Künstliche Intelligenz (KI) hat er promoviert. Der 37-Jährige, der aus dem Harz stammt, ist seit 2012 als IT-Berater in der Wirtschaft tätig, seit vergangenem Jahr ist er selbstständiger KI-Trainer mit Sitz in Würzburg. Behrens‘ Kunden kommen vor allem aus der deutschen Automobilindustrie, unter anderem von Daimler, Volkswagen oder Porsche. 

Frage: Herr Behrens, auf Ihrer Homepage nennen Sie sich selbst AI-Guru (Artificial Intelligence), also auf Deutsch KI-Guru. Hat die Beschäftigung mit Künstlicher Intelligenz etwas Religiöses?

Tristan Behrens (lacht): Nein, gar nicht. Das hat einfach damit zu tun, dass ich auch Yogalehrer bin. Eine Kollegin hat mir diesen Spitznamen gegeben.

Möglichst kurz, in ein, zwei Sätzen: Was ist Künstliche Intelligenz?

Behrens (lacht): Das ist die beste Frage überhaupt. Weil es keine einheitliche Definition gibt, schon gar keine kurze. Ich versuche es mal so: Im Wesentlichen geht es bei KI um künstlich geschaffene Entitäten, also Wesen, die irgendwie eine intelligente Sache machen. Systeme, die menschlich – oder besser: rational – denken und handeln. Ich weiß, das ist sehr, sehr schwammig.

Wo liegen die größten Chancen für Künstliche Intelligenz?

Behrens: In der Befreiung der Menschheit.

Klingt gut.

Behrens: Wir bekommen durch die Automatisierung weiter Teile des Alltags in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich viel mehr Chancen, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Wer sind wir? Was ist unser Lebenszweck? Was bedeutet es, Mensch zu sein?

Geht es etwas konkreter?

Behrens: Nehmen wir das autonome Fahren. Wir wissen heute, Zugfahren und Autofahren bieten unterschiedliche Qualitäten. Im Zug kann man wunderbar arbeiten oder lesen, ist aber an Fahrpläne gebunden. Im autonomen Auto hingegen kommt man von A nach B – ganz entspannt ohne solche Einschränkungen. Und man kann auf dem Weg noch arbeiten. Das ist neu.

Wann wird es soweit sein?

Behrens: Das ist jetzt schon so weit. Nur noch nicht bei uns. Ein Kollege, der neulich im Silicon Valley war, erzählte, es dauert drei Minuten, dann sieht man dort das erste autonom fahrende Auto auf der Straße. Spätestens in 20 Jahren gehören die autonomen Autos auch hier zum Straßenbild.

Bei aller Euphorie, es gibt viele offene Fragen. Etwa die berühmte Dilemma-Situation: Wie entscheidet sich die KI im autonomen Auto, wenn geradeaus Fahren bedeuten würde, ein Kind zu überfahren – ausweichen aber hieße, eine alte Frau zu überfahren?

Behrens: Das Dilemma haben wir doch heute schon. Auch der Mensch am Steuer entscheidet sich in der beschriebenen Situation.

Mit solchen Unzulänglichkeiten müssen wir also weiter leben.

Behrens: Genau. Man würde gerne der KI in den Kopf gucken, damit man weiß, wie sie zu Entscheidungen gekommen ist. Das Dilemma hierbei ist: Man kann uns Menschen ja auch nicht in den Kopf gucken. Wenn ich jetzt im Straßenverkehr eine Entscheidung treffe, kann ich vielleicht hinterher erklären, wie es dazu gekommen ist. Aber nicht im Moment der Entscheidung.

Was ist dann der Vorteil des autonomen Fahrens?

Behrens: Dass es insgesamt weniger Unfälle geben wird. Es muss das Ziel sein, dass wir Autos bekommen, die ein bisschen besser fahren als die, die wir Menschen steuern. Das heißt in der Konsequenz:  weniger Verkehrstote.

Wie sehen Sie die Chancen für Künstliche Intelligenz in der Medizin?

Behrens: Umfangreich. Das eine ist die Diagnostik mit bildgebenden Verfahren. KI wird den Krebs auf radiologischen Aufnahmen besser erkennen als das Auge eines Röntgenspezialisten. Hinzu kommt die Robotik. Ein Roboter, der  Operationen zum Teil autonom ausführt, wird quasi als Werkzeug dem Chirurgen an die Hand gegeben. Und dann wäre noch der Einsatz von KI in Expertensystemen zur Erstberatung: Sogenannte Chatbots empfehlen bei kleinen Zipperlein den Gang zur Apotheke, bei anderen Symptomen sagen sie, gehen Sie mal lieber zum Arzt.

"Menschen werden durch KI und Digitalisierung mehr Zeit bekommen für Kunst und Kultur, für Ethik und Philosophie." 
Tristan Behrens, KI-Trainer

Schafft sich der Mensch auf Dauer ab durch KI?

Behrens (lacht): Nein, das wird nicht passieren. Es gibt Propheten, die sagen, es wird die Zeit kommen, wo uns Kampfroboter vernichten wie in einem Film mit Arnold Schwarzenegger. Das wäre eine Dystopie. Das Gegenteil ist die Utopie: Menschen werden dank KI und Digitalisierung mehr Zeit bekommen für Kunst und Kultur, für Ethik für Philosophie. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir eher auf so eine Utopie zusteuern.

Mehr Zeit für Kultur ist schön und gut. Aber die Menschen brauchen Arbeit. Gehen Jobs verloren?

Behrens: Hierzulande sind etwa drei Millionen Menschen in der Logistik tätig oder in Berufen, die irgendwas mit Fahren zu tun haben: Staplerfahrer, Lkw-Fahrer, Taxifahrer. Wenn sich das autonome Fahren durchsetzt und die Erkenntnis, dass es zu gefährlich ist, mit Menschen zu fahren, dann fallen diese Berufe weg. Die Menschen müssen sich dann in andere Berufe bewegen.

Das sagt sich so leicht.

Behrens: Es entstehen auch neue Jobs. Aber ja, es werden auch Beschäftigte auf der Strecke bleiben. Da muss man sich unterstützende Systeme ansehen wie zum Beispiel das bedingungslose Grundeinkommen.

Sehen Sie ethische Grenzen für den Einsatz von KI? In China etwa wird mit Hilfe von per KI gewonnenen Daten die politische Zuverlässigkeit von Menschen bewertet. Droht uns das auch?

Behrens: Ethik meint, dass man definiert, was ist gutes und was ist schlechtes Verhalten. Was für Chinesen ein gutes Verhalten ist, ist für uns in Europa keines. Und umgekehrt. Ich persönlich hätte mit mancherlei Ansätzen der Chinesen ein Problem. In 10 000 Jahren Menschheitsgeschichte haben sich ethische Kodizes aber immer wieder gewandelt. Auch hierzulande hat man schon an totalitäre Systeme geglaubt. Zum Glück haben wir uns da wegbewegt, die meisten jedenfalls. Ich habe die Hoffnung, dass wir durch die Demokratisierung der Technik die Möglichkeit bekommen, dass es keine totalitären Systeme mehr geben wird.

Unter dem Titel "Künstliche Intelligenz: Fluch oder Segen" diskutieren beim Würzburger Kellergespräch, veranstaltet von Main-Post und Juristen-Alumni, am Donnerstag, 18. April, um 19 Uhr im Max-Stern-Keller der Alten Universität Würzburg (Domerschulstr. 16) unter anderem KI-Experte Dr. Tristan Behrens, Philosoph Prof. Wolfgang Schröder und die Juristen Dr. David Roth-Isigkeit und Prof. Eric Hilgendorf. Moderator ist Andreas Jungbauer (Main-Post). Der Eintritt ist frei. 

 
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