Es war ein großes Fest, das Jürgen Schmidt mit Freunden und Mitarbeitern im Oktober 2011 in Stuttgart feierte. Einen ganzen Bus hatte die memo AG aus Greußenheim (Lkr. Würzburg) gechartert, damit viele Kollegen dabei sein konnten, als ihr Firmengründer aus den Händen des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff den Deutschen Umweltpreis in Empfang nahm. Schmidt sei ein „Trendsetter der Nachhaltigkeit“, hieß es in der Laudatio. Abends um 20.15 Uhr lief ein Beitrag in der „Tagesschau“. „Dieser Preis ist und bleibt eine große Ehre“, sagt der 53-Jährige im Rückblick. An diesem Sonntag verleiht Bundespräsident Joachim Gauck die mit 500 000 Euro höchstdotierte Umweltauszeichnung in Europa im Congress Centrum in Würzburg. Ehrensache, dass Schmidt unter den 1200 Gästen dabei ist, wenn Bas van Abel, Angelika Mettke und Walter Feeß den Preis erhalten (siehe Bericht unten).
Umweltpreisträger sollen Vorbilder sein für andere Personen, Organisationen oder Firmen. Ihre Leistungen sollen dazu beitragen, „Umweltprobleme rechtzeitig zu erkennen und mit Hilfe geeigneter Vorsorge- und Umsetzungsstrategien zu entschärfen“, heißt es in der Ausschreibung der Bundesstiftung Umwelt. Auf die Laufbahn von Jürgen Schmidt trifft das zu. Seit Jugendtagen verdient der gebürtige Miltenberger mit Ökologie Geld.
Er ist Kollegstufenschüler am Riemenschneider-Gymnasium in Würzburg, als der Umweltschutz Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre überall zum Thema wird. Waldsterben, Ölkrise oder „Atomkraft nein danke“ sind die Schlagworte. „Ein Planet wird geplündert“ von Herbert Gruhl und die Berichte des Club of Rome über Umwelt- und Naturzerstörung liest auch der Teenager Schmidt. Während Schulfreunde zum Demonstrieren auf die Straße gehen („das war nicht so mein Fall“), schlägt bei ihm, wie er sich schmunzelnd erinnert, das „Händler-Gen“ durch. Also organisiert er den Verkauf von Blöcken und Schulheften aus grauem Recycling-Papier. „Der Kombi der Eltern war randvoll.
“ Die Geschäfte laufen gut, öko ist in. Nur der Schuldirektor ist nicht so begeistert, „er wollte einen Gewerbeschein sehen“. Also verlegen Schmidt und seine Kumpels den Verkauf vor die Schultür. Klar auch, dass die Gewerbeanmeldung schnell folgt: „Jürgen Schmidt, Handel mit umweltfreundlichen Produkten“. Die Basis für memo.
Längst zeigen auch die Kollegiaten anderer Gymnasien Interesse am Umweltpapier. Schmidt macht auch dort gute Geschäfte, „ein paar hundert Mark sind da schon zusammengekommen“. Nach dem Abitur studiert er einige Semester Wirtschaft, mehr Praxis verspricht die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Bei Elektroland Zimmermann in Würzburg wird er 1985 für drei Jahre Filialleiter. Sein Herz indes schlägt weiter für den Handel mit Öko-Papier, der Vertrieb läuft jetzt über Bio- und Dritte-Welt-Läden. 1989 wird das eigene Geschäft größer. Schmidt gründet die Großhandelsgesellschaft Recover, 1990 fällt erstmals der Name memo.
„memo – der Firmenausstatter für Umweltbewusste“ sitzt im Alten Zollamt in Würzburg. Schon damals sind neben Schmidt noch die heutigen Vorstände Ulrike Wolf, Helmut Kraiß und Thomas Wolf dabei. Bis zu 40 Mitarbeiter arbeiten im Unternehmen – für 10 000 Kunden in ganz Deutschland. 1990 erscheint der erste Katalog. „800 Artikel von Recycling-Papier über Ordner bis hin zu Reinigungsmitteln, auch ein bisschen Beleuchtung und ein paar wenige Büromöbel.“ Damals wie heute oberstes Prinzip: „Die Dinge müssen umweltverträglich produziert sein.“ Schmidt wählt das Wort bewusst. „Eine umweltfreundliche Produktion gibt es nicht.“
1995 wird es im Alten Hafen zu eng. memo zieht nach Greußenheim in ein nach „modernsten gesundheitlichen und ökologischen Erkenntnissen“ geplantes Gebäude, die Expansion geht weiter. Der Versandhandel für gewerbliche Kunden bleibt das Kerngeschäft von memo. Aber auch Privatleute können seit 2004 ordern. Aktuell umfasst das Angebot 18 000 Artikel von Buntstift und Klarsichthülle bis zu Gummibärchen und Bürostuhl. Vor allem das Internet sorgt für wachsende Nachfrage. 124 000 Kunden zählt das Unternehmen.
Umweltverträglich produzierte Büro- und Haushaltswaren sind längt ein Massenmarkt. Jedes Jahr steigt der Umsatz, 2015 sind es 19,1 Millionen Euro. Der Umweltpreis 2011 ist nicht zuletzt gut fürs Image, er macht die Marke memo noch bekannter.
Ressourcen schonen und trotzdem Geld verdienen. Wer diesen Anspruch hat, braucht vor allem eines: Glaubwürdigkeit. Deshalb habe man, so Schmidt, von Beginn an ein „strenges Monitoring-System“ eingeführt, dokumentiert in regelmäßigen, öffentlich einsehbaren Nachhaltigkeitsberichten. Firmen, die für memo produzieren, würden regelmäßig kontrolliert, nicht nur auf die Qualität der Werkstoffe, sondern auch der Arbeitsbedingungen. Schmidt: „Das gehört unbedingt zusammen.“ Die Vergabe von Labels wie dem Blauen Engel bestätige diesen Kurs. Stolz ist der Firmengründer auch, dass es gelungen ist, mit der „memo Box“ aus Recycling-Kunststoff eine mehrfach verwendbare Alternative zum Versandkarton zu etablieren.
Nachhaltigkeit verspricht memo auch im Umgang mit den 120 Beschäftigten in Greußenheim. Viele sind schon lange dabei. Über eine Beteiligungsgesellschaft sind sie am wirtschaftlichen Erfolg beteiligt. Schmidt: „Ohne unser Team an motivierten Mitarbeitern wären die Erfolge nicht möglich.“
Unterdessen hat sich der Gründer aus dem operativen Geschäft bei memo verabschiedet. Jürgen Schmidt hält zwar weiter Aktien an der AG, ansonsten aber hat er entschieden, „noch mal etwas anderes zu versuchen“. Seit 2012 ist der 53-Jährige als Berater in ganz Europa unterwegs – um mittelständische Unternehmen „bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit“ zu unterstützen. Als Ratgeber mit einschlägigen Erfahrungen.
Deutscher Umweltpreis
Zum 24. Mal verleiht die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) am Sonntag, 30. Oktober, im Congress Centrum (CCW) in Würzburg den mit 500 000 Euro dotierten Deutschen Umweltpreis. Bundespräsident Joachim Gauck übergibt die Auszeichnung.
Das DBU-Kuratorium wählt die Preisträger auf Vorschlag einer Jury mit Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft aus. Ausgezeichnet werden Leistungen, „die vorbildlich zum Schutz und Erhalt der Umwelt beigetragen haben oder in Zukunft zu einer deutlichen Umweltentlastung beitragen werden“. Der Preis richtet sich an Personen, Firmen und Organisationen. Das Stiftungskapital stammt aus dem Privatisierungserlös der Salzgitter AG. Die Gründung der DBU beschloss der Bundestag 1990.
Umweltpreisträger waren unter anderem die Firma Foron (1993), der Textilunternehmer Klaus Steilmann (1999), der Tierforscher Heinz Sielmann (Ehrenpreis 2005), der Direktor des UN-Umweltprogramms Klaus Toepfer (2002) und der Klimaforscher Mojib Latif (2015). Daneben hat die DBU seit 1993 rund 9200 Projekte mit über 1,6 Milliarden Euro gefördert.
Bereits am Samstag diskutieren im CCW Experten die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris. Das Symposium kann von 13 bis 17 Uhr live im Internet verfolgt werden.