Was Albrecht Dürer an jenem Sommertag vor 500 Jahren in Erlabrunn für 22 Pfennige verzehrte, ist nicht überliefert. Dass der berühmte Maler und Mathematiker aus Nürnberg aber am 16. Juli 1520 auf seiner Reise in die Niederlande in dem kleinen Ort am Main übernachtete, ist jedoch gut dokumentiert im Reisetagebuch des Künstlers. In seiner Dorfchronik aus dem Jahre 1984 hat der Erlabrunner Karl Lott den berühmten Besuch bereits auf zwei Seiten gewürdigt, 25 Jahre später trug Mechthild Hersel im Kapitel "Die kleine Zeche des großen Malers" für die Jubiläumschronik "800 Jahre Erlabrunn" weitere Details zusammen.
Im Reisetagebuch erwähnt
Anlässlich des 500. Jahrestages hat nun Simon Mayer für die Erlabrunner Dialektgruppe erneut Archive ausgewertet. In einem Beitrag für die Gemeinde zitiert er aus einer Abschrift des Reisetagebuchs vom 16. Juli 1520: "Und am Montag waren wir früh auf und fuhren für Dettelbach und kamen gen Kizing. Ich verzehret 37 Pf. Und fuhren darnach für Sulzfeldt gen Prait, für Frickenhausen, Ochsenfurth, gen Euffelstorff, von dannen gen Haidensfeldt und von dannen gen Würzburg. Da zeugt ich meinen Zollbrief, also ließen sie mich fahren. Darnach fuhren wir gen Erlaprunn, do lagen wir über Nacht und verzehrten 22 Pf."
Albrecht Dürer (1471 - 1528) ist einer der bedeutendsten deutschen Künstler, berühmte Werke des Franken wie das "Selbstbildnis im Pelzrock", "Büßender Hieronymus" oder "Bildnis des Vaters mit Rosenkranz" hängen in herausragenden Museen der Welt. Zu seiner Reise in die Niederlande war Dürer mit seiner Frau und Magd am 12. Juli 1520 in Nürnberg aufgebrochen. Im Januar 1519 war Kaiser Maximilian gestorben und Dürer wollte von Karl V., der auf dem Weg zu seiner Kaiserkrönung in Aachen war, eine Fortsetzung der vom Vater gewährten Leibrente erbitten. Gleichzeitig führte er zahlreiche Kupferstiche und Holzschnitte mit sich, die er verkaufte.
Weite Teile der Reise legte die Gruppe per Schiff auf dem Main zurück. Wo genau Albrecht Dürer in Erlabrunn übernachtete, ist nicht überliefert – vermutlich im Leinreiterhaus. Dort wo heute der Meisnerhof seine Gäste in Biergarten und Hotel bewirtet, war früher eine Raststation für die Schiffszieher, die sogenannten Leinreiter. Mit Pferden, die am Ufer auf Lein- oder Treidelpfaden liefen, wurden die Schiffe damals flussaufwärts gezogen.
Eine Erinnerung für das Foyer
Im Meisnerhof, der im Laufe seiner jahrhundertealten Geschichte mehrmals umgebaut wurde und seit 1989 im Besitz der Erlabrunner Familie Kempf ist, erinnert bislang nichts an den berühmten Gast. Das allerdings ändert sich für wenige Wochen, denn im Foyer des Hotels hängt ab dem 16. Juli ein Gemälde von Jürgen Roth, das von Albrecht Dürers Kupferstich "Nemesis oder Das große Glück" aus dem Jahre 1502 inspiriert ist.
Dürers Original zeigt die römische Glücksgöttin Fortuna und Nemesis, die griechische Göttin der Vergeltung, in einer Person. Roth, Mitinitiator der Erlabrunner Kunstgruppe, hat in seiner Interpretation die klassischen Attribute durch zeitgemäße Gegenstände ersetzt. So symbolisiert das wankelmütige Glück nicht eine Kugel wie bei Dürer, sondern das Symbol des World Wide Web. Auch schwebt Nemesis nicht über dem Eisacktal, "sondern über Erlabrunn, der Perle des Mains, wo Dürer vor 500 Jahren übernachtete", sagt Roth.
"Wer sich mit Malerei beschäftigt", so der Erlabrunner Künstler, "kommt an Albrecht Dürer nicht vorbei". Roth fand die Auseinandersetzung reizvoll: "Zu Zeiten Dürers begann mit der Reformation eine Phase des gesellschaftlichen Umbruchs. Etwas Ähnliches erleben wir derzeit in der Corona-Krise", sagt der Maler, der sich für seine Ausstellung "Glaube, Kunst & Quantensprung", die ab 7. August in der Galerie KuK. in Dettelbach zu sehen ist, mit der aktuellen Krisensituation künstlerisch auseinandergesetzt hat.
Jürgen Roths Bild "Nemesis – glauben und wissen" wird bis Anfang August im Erlabrunner Meisnerhof zu sehen sein.