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IP-Technologie: Worauf Telekom-Kunden achten sollten
Telekom Ärger: Sechs Wochen ohne Telefon und acht Wochen ohne Internet Andreas Wenzel und Iris Voll mit Sohn Philipp
Foto: Siegfried Farkas | Telekom Ärger: Sechs Wochen ohne Telefon und acht Wochen ohne Internet Andreas Wenzel und Iris Voll mit Sohn Philipp
Claudio Höll
 |  aktualisiert: 07.04.2020 10:57 Uhr

Neun Wochen ohne Internet, fünf Wochen ohne Telefon: Eine Familie aus Oehrberg im Landkreis Bad Kissingen erlebte einen holprigen Start in das, was die Telekom als Zukunft der Kommunikation vermarktet. Die Oehrberger wollten eine schnellere Internetverbindung. Ihr Anschluss wurde wie Millionen andere von der Telekom auf IP-Technologie umgestellt. Oft klappt das reibungslos, aber immer wieder ist von Problemen beim Umstieg zu hören. Anfang Juni sollte für die Wenzels in Oehrberg der Anschluss fürs schnelle Internet bereitgestellt werden. Stattdessen hatte die Familie wochenlang gar keine Verbindung und musste zum Telefonieren zu Nachbarn oder Bekannten. Was ist eigentlich die IP-Technologie und worauf sollte man bei der Umstellung achten?

Worum geht es?

Die Telekom und andere Anbieter stellen Anschlüsse auf IP-Technologie um, das Kürzel steht für Internet Protocol. Über die Hälfte der Telekomanschlüsse laufen bereits über IP. Telefon, Internet und, wenn gewünscht, Fernsehen kommen dann über diesen Anschluss. Analoge Anschlüsse und ISDN-Anschlüsse, über die viele Haushalte noch telefonieren und ins Internet gehen, sollen bei der Telekom bis Ende 2018 durch IP-Anschlüsse ersetzt werden. Im Schnitt stelle man bundesweit etwa 70 000 Anschlüsse in der Woche um, so ein Sprecher der Telekom. Das sind jede Minute etwa sieben Umstellungen.

Warum macht die Telekom das?

Für das Unternehmen ist es günstiger, nur ein einziges Netz zu betreiben, als mehrere Netze mit verschiedenen Technologien laufen zu lassen. Das Unternehmen argumentiert, man setze auf eine neue, zukunftsfähige Technologie, die alten Netze seien technisch überholt.

Ich bin bei einem anderen Anbieter, betrifft mich die Umstellung?

Auch andere Anbieter stellen ihr Netz auf IP-Technologie um. Allerdings basieren die meisten Anschlüsse hier schon auf IP: Eine Studie des Verbands VATM, in dem vor allem Konkurrenten der Telekom vereint sind, schätzte den Anteil der IP-Anschlüsse bei anderen Anbietern für das vergangene Jahr auf fast 70 Prozent. Die übrigen Telekommunikationsfirmen lassen sich mit der Umstellung mehr Zeit als die Telekom: So erklärte Vodafone, bis 2022 nur noch IP-Anschlüsse betreiben zu wollen.

Woher weiß ich, ob ich betroffen bin?

Wenn Sie als Telekomkunde einen neuen Vertrag abschließen, weil Sie umziehen oder Ihren Tarif wechseln, handelt es sich immer um einen IP-Anschluss. Kunden, die noch ISDN- und Analoganschlüsse haben, bekommen vier Monate vor Ablauf des Vertrags Post von der Telekom, wenn das Unternehmen den Anschluss umstellen möchte. Kunden können dann bei Ablauf einen Vertrag mit neuem Anschluss abschließen oder wechseln und bei einem anderen Anbieter einen Vertrag abschließen, diese bieten aber in der Regel auch nur noch IP-Anschlüsse an.

Was sind die Vorteile?

Bei herkömmlichen Anschlüssen bleibt immer ein Teil der Bandbreite für das Telefon reserviert, auch wenn es nicht genutzt wird. Bei einem IP-Anschluss belegt das Telefon nur dann Bandbreite, wenn auch telefoniert wird, der Rest steht für Internet und gegebenenfalls Fernsehen zur Verfügung. In der Praxis macht sich dieser Unterschied aber nicht unbedingt bemerkbar. Die Telekom wirbt mit einer besseren Gesprächsqualität. Wie bei ISDN kann man bei IP mehrere Rufnummern nutzen.

Welche Nachteile gibt es?

Immer wieder gab es Berichte über Probleme bei der Umstellung von Anschlüssen. Teilweise konnten Betroffene wochenlang weder telefonieren noch auf das Internet zugreifen. Außerdem kann das IP-Netz, wie andere Netze auch, ausfallen. Kommt es im neuen Netz zu so einem Ausfall, geht im betroffenen Gebiet nichts mehr: weder Internet noch Telefon. Ein Sprecher der Telekom erklärte auf Nachfrage zwar, die Telekom garantiere jedem Kunden in neuen wie alten Verträgen 97 Prozent Verfügbarkeit des Netzes, allerdings entspricht das im Extremfall fast elf Ausfalltagen im Jahr pro Anschluss. Die Bundesnetzagentur registrierte im vergangenen Jahr 2200 Beschwerden wegen der Umstellung auf IP-Telefonie.

Dabei handelt es sich nicht nur um Anfragen von Telekomkunden, diese machen aber wegen den vielen Anschlüssen, die das Unternehmen umstellt, den größten Teil aus. Auch die Verbraucherzentralen erhielten Beschwerden zu dem Thema. Eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Bayern erklärte, es habe einige Zeit viele Beschwerden gegeben, diese seien aber im Moment überschaubar.

Wie sieht es mit Datenschutz aus?

Bisher gibt es bei der IP-Telefonie der Telekom noch keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Diese Technik verschlüsselt die Datenpakete, die bei einem Telefonat verschickt werden, direkt beim Anrufer und entschlüsselt sie erst beim Gesprächspartner wieder. So könnte selbst die Telekom nur verschlüsselte Daten sehen und hätte keinen Zugriff auf Gesprächsinhalte – eine Maßnahme, die als besonders sicher gilt. Das ist geplant, ein Sprecher der Telekom konnte aber noch keinen konkreten Zeitplan für die Umsetzung nennen. Thomas Petri, Landesbeauftragter für Datenschutz in Bayern, erklärte auf Anfrage, ihm seien keine Praxisfälle bekannt, in denen es wegen IP-Telefonie Datenschutzbedenken gegeben habe. Der Datenschutzbeauftragte befürwortet die Umsetzung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.

Kann ich mein altes Telefon weiterbenutzen?

In der Regel schon. Auch ISDN-Telefone lassen sich weiterverwenden, dafür muss der Router aber geeignet sein. Nicht an alle Router, die grundsätzlich für den IP-Anschluss geeignet sind, lässt sich auch ein ISDN-Telefon anschließen.

Kann ich die Telefonbuchsen bei mir zu Hause für mein Telefon weiter benutzen?

Nein. Das Telefon beziehungsweise seine Basisstation lässt sich nur noch an den Router anschließen, im Haus verteilte Telefondosen werden damit größtenteils nutzlos.

Ich habe nur ein Telefon und keinen Internetanschluss. Betrifft mich die Umstellung auf IP?

Ja, aber Sie sollten davon im Alltag nichts bemerken. Bei Kunden, die über ihren Anschluss nur telefonieren, bleibt das Telefon wie bisher mit der Telefondose verbunden, sie müssen keine neuen Geräte anschaffen.

Muss ich meinen Router wechseln?

Manche alten Router können auch an einem IP-Anschluss betrieben werden, andere sind dafür nicht geeignet. Der Kunde muss dann einen neuen Router kaufen oder mieten, es gibt kompatible Geräte von der Telekom und von anderen Herstellern.

Was muss ich beachten, wenn ich Zusatzgeräte wie einen Hausnotruf habe?

Manche Geräte, wie Hausnotrufe, Alarm- und Brandmeldeanlagen und Aufzugnotrufe sind mit dem Telefonnetz verbunden, um zum Beispiel im Notfall beim Pflege- oder Sicherheitsdienst Alarm zu schlagen. Wenn Sie so ein Gerät haben, sollten Sie den Anbieter des Geräts, bei Hausnotrufen also oft eine Hilfsorganisation wie die Caritas oder das Rote Kreuz, kontaktieren. Die Hersteller von Hausnotrufen wissen, ob ihr Gerät ohne weiteres an einem IP-Anschluss betrieben werden kann: Die Telekom lässt die Firmen deren Geräte in einem Testzentrum in Bonn prüfen.

 
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  • arnold.friedrich@t-online.de
    Im Zeitalter von Mail noch faxen ist ja von vorgestern. Man kann alle Dokumente einscannen und an die Mail anhängen. Wenn es sicher sein soll gibts auch noch D-Mail die ist verschlüsselt und gerichtsverwertbar. Ich selber habe schon seit 5 jahre einen IP Anschluss, und wenn das Fax richtig eingestellt ist klappts auch über IP.
    Und wegen Ihren Bezahlgeräten für EC oder Kreditkarte, die können alle schon LAN (Netzwerk) , der Kunde muss halt vielleicht ein bißchen investieren. Außerdem können Lesegeräte auch Wlan, die haben dann einen Akku und da kann der Kunde im Restaurant direkt am Tisch bezahlen. Ich verstehe nicht wo sie das Problem ist.
    Ich Arbeite in der Branche und viele Kunde können sich einfach nicht von Ihrem alten gewohnten Sachen trennen.
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  • zwrecht@aol.com
    schade, das Hauptübel haben Sie nicht beschrieben, nicht einmal angesprochen ! Fragen Sie mal wie die Lösung für Firmen ausschaut ! Das Fax ist das einzige Gerät mit dem man den Empfang beim Adressaten gerichtsverwertbar nachweisen und belegen kann. Mit dem Fax können Sie Klagen einlegen und alle ansonsten schriftlich zu erledigende Sachen über weite Entfernungen hinweg besorgen. Auslandskontakte der Firmen - Rechungen und Bestellbestätigungen laufen alle über das FAX. Und wie ist hier die offizielle Empfehlung der TELEKOM: sie bekommen eine zweite Leitung - ANALOG! für knapp 20 EUR monatlich ! Wahnsinn. Die Telekom ist nicht in der Lage einen bezahlbaren Faxdienst bereit zu halten ! Für das gleiche Geld wie für die ach so tolle superschnelle moderne IP- Hauptleitung muss man sich ne alte Zweitleitung mieten. Auch die netten Geldbezahl-Lesegeräte die beinnahe in jedem Geschäft und Restaurant stehen funktionieren nicht mehr. Das sind die Nachteile ! Hätte man im Artikel erwarten können.
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