Die ehemaligen Würzburger Studentinnen Sandra Dotou und Julia Sukop fordern, nicht länger die Augen vor Rassismus im Alltag zu verschließen. In ihrer Abschlussarbeit "Escape Racism International" haben die beiden Kommunikationsdesign-Studentinnen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) ein Konzept für eine Ausstellung entwickelt, die zum Nachdenken anregen und eine rassismuskritische Haltung fördern soll. Für ihre Arbeit wurden sie mit dem Art Directors Talent Award 2021 ausgezeichnet. Im Interview mit dieser Redaktion erzählt die 24-jährige Sandra Dotou, eine der beide Initiatorinnen, über den Umgang mit Alltagsrassismus, eigene Erfahrungen und, wie jeder Einzelne sprachlich sensibler werden kann. Dotou ist in Deutschland geboren, ihre Eltern stammen aus Togo in Westafrika.
Sandra Dotou: Prinzipiell halte ich solche Aktionen für einen guten Ansatz. Ich finde es wichtig, wenn einem solchen Thema eine komplette Woche geschenkt wird. Allerdings weiß ich nicht, ob man es innerhalb einer Woche schafft, so viele Aspekte abzudecken. Letztlich machen aber die Inhalte und die Art und Weise wie das Ganze vermittelt wird, den Erfolg einer solchen Aktion aus. Außerdem ist es wichtig, möglichst viele verschiedene Gesprächsteilnehmer mitzunehmen: Forscher, Unternehmer, Schüler, Studierende, Familien, Alte und Junge - hier sollten alle in der Debatte mitgenommen werden.
Dotou: Ja, auch in Würzburg gibt es Rassismus. Allerdings, bei mir, weniger in der Hochschule als im Alltag in der Stadt. An der Hochschule herrscht eine höhere Sensibilität für gesellschaftskritische Themen, zumindest in unserer Fakultät Gestaltung. Das heißt nicht, dass es keine Fehltritte gibt, aber der Dialog ist offener, und es wird mehr darüber gesprochen.
Dotou: Ich bin geboren und aufgewachsen in Bamberg. Ich war dort im Kindergarten und auf der Schule und habe mein ganzes Leben lang nichts anderes gesehen. Dennoch frage ich mich, wann die Menschen damit aufhören, mich über meine Hautfarbe einzuordnen. Man hat konstant das Gefühl, jemand anders zu sein und nicht dazuzugehören. Auch wenn die Intention eine andere ist, kommt es trotzdem bei mir so an. Auch solche Aussagen wie: 'Sie sind ganz anders als die anderen Schwarzen, die ich kenne', sind keine Komplimente, sondern reduzieren auf Äußerlichkeiten.
Dotou: In jeder Situation, so doof wie es klingt. Bei der Wohnungssuche oder wenn man sich auf etwas bewirbt, kann es sein, dass man aufgrund eines migrantisch klingenden Namens nicht eingeladen wird. Aber auch in ganz banalen Situationen passiert es: Wenn man zum Bäcker geht, in den Bus einsteigt oder einfach nur an Leuten vorbeiläuft. Selbst in der Schule oder an Orten wie der Universität, wo jeder denkt, er sei super aufgeschlossen. Es kommt vor, dass rassistisch agiert wird und das nicht aus Böswilligkeit.
Dotou: Da ist von Anmerkungen bis hin zu Beleidigungen auf offener Straße alles dabei. Aber auch, wenn man zum Beispiel im Restaurant vorsätzlich ignoriert und nicht bedient wird oder in Geschäften als potenzielle Diebin betrachtet wird.
Dotou: Enorm wichtig. Dass Rassismus noch existiert, sollte allerspätestens heute jedem bewusst sein. Bewegungen wie Black Lives Matter in den USA zeigen, dass der Rassismus nie weg war. Aufklärung und die Auseinandersetzung damit sind deshalb das A und O. Dabei geht es nicht darum, Menschen die von Rassismus betroffen sind auf eine Bühne zu stellen und zu bemitleiden, sondern darum, sich rational mit dem Aufbau und den Strukturen von Rassismus zu beschäftigen. Man muss aufzeigen, wie sich Rassismus ausdrückt und wie er aussieht.
Dotou: Wir müssen Menschen aktiv darauf hinweisen dürfen, wenn sie etwas Rassistisches sagen und dürfen das nicht durchgehen lassen. Denn, viele reagieren allergisch darauf, wenn das Rassismus-Wort fällt und fangen an sich zu rechtfertigen. Nach dem Motto 'niemals' und, man habe doch selbst einen Freund mit dunkler Hautfarbe oder Ähnliches.
Dotou: Ich wünsche mir vor allem, dass die Leute zuhören. Vielen ist oftmals nicht klar, dass auch unbedachte Äußerungen eine diskriminierende Wirkung haben können. Man kann sich in das Thema einlesen, Unterhaltungen führen oder sogar Musik darüber hören. Der deutsche Rapper Samy Deluxe zum Beispiel: Der hat viele Lieder, in denen er sich mit Rassismus beschäftigt.
Dotou: Julia Sukop und ich haben drei Jahre während des Studiums in Würzburg zusammen gewohnt. Am Anfang hatte ich gar keine Lust mit Freunden über meine rassistischen Erfahrungen zu sprechen. Je mehr wir aber über das Thema geredet haben, desto mehr wurde uns bewusst, wie oft rassistische Vorfälle passieren. Daher wollten wir die Debatte fortführen und uns dem Thema wissenschaftlich und zugleich künstlerisch annähern.
Dotou: Unser Projekt kommt gut an. Unser Ausstellungs-Konzept wurde Anfang des Jahres sogar mit dem 'Goldnagel' des Art Directors Club Deutschland Talent Award ausgezeichnet. Dabei handelt es sich um einer der größten Auszeichnungen im Bereich Design. Wir haben den 'Goldnagel' in der Kategorie Abschlussarbeiten gewonnen. Nun planen wir nach unserem Konzept eine richtige Ausstellung zu entwerfen und suchen derzeit nach Förderern, um sie im Sommer 2022 zu starten.