Bayerns Lehrerverbände wünschen sich zwei Lehrer pro Klasse. Dabei ist es in Bayern derzeit schon schwierig genug, für manche Schularten nur einen Lehrer pro Klasse zu finden. Wie begegnet Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) dem Problem? Seit knapp einem Jahr übt sich der 59-Hochschulprofessor in der Kunst der Unterrichtsversorgung.
Frage: Was ist aktuell das drängendste Problem an Bayerns Schulen?
Michael Piazolo: Das Thema, das uns immer beschäftigt und auch aktuell herausfordert, ist die Unterrichtsversorgung. Gerade im Grund- und Mittelschulbereich haben wir besonderen Bedarf.
Immer noch? Die Zweitqualifizierungmaßnahmen, bei denen Gymnasiallehrer zu Grundschullehrern umgeschult werden, laufen doch seit Jahren.
Piazolo: Wenn Sie in der Schule tätig sind, verspüren Sie immer den Wunsch nach mehr Lehrern. Das gilt nicht nur für Bayern. Wir in Bayern machen regelmäßig Lehrerbedarfsprognosen; und den Prognosen zufolge müssen wir in den nächsten Jahren schauen, dass wir an Grundschulen und Mittelschulen genügend Lehrkräfte haben. Was das Programm zur Zweitqualifizierung betrifft, läuft es gut. Rund 900 ehemalige Gymnasial- und Realschullehrer sind mit der Zweitqualifizierung fertig; weitere 1700 Pädagogen durchlaufen gerade das Programm. Außerdem haben wir gerade die Zahl der Studienplätze erhöht. Das hilft, auch wenn es eine Weile dauern wird, bis der Nachwuchs in unseren Schulen ankommt.
Sie empfehlen Abiturienten, Grundschul-Lehramt zu studieren und versprechen ihnen mit einiger Sicherheit eine Stelle?
Piazolo: Wer Grund-und vor allem Mittelschullehramt studiert, hat gute Chancen. Wir machen mittlerweile mit Blick auf den Ausbau des neuen G9 auf den steigenden Lehrerbedarf am Gymnasium ab 2025 aufmerksam. Da gibt es ja aktuell noch zu viele Absolventen; aber man muss berücksichtigen, wie lange das Studium dauert. Derzeit nehmen junge Leute das Überangebot an Gymnasiallehrkräften wahr und studieren das nicht mehr so häufig - dann haben wir in fünf Jahren wieder zu wenig Lehrer.
Piazolo: Viele Forderungen kann man ja nicht von der Hand weisen. Aber natürlich ist die Forderung nicht realistisch und nicht finanzierbar. Wir haben in Bayern 100 000 Lehrer und wir können deren Zahl ja nicht einfach verdoppeln. Das ist nicht drin. Die 2000 Lehrer, die wir jetzt im Doppelhaushalt 19/20 neu bekommen, stellen ja schon mehr als 50 Prozent aller neuen Stellen im Öffentlichen Dienst in Bayern dar. Aber wir helfen; zum Beispiel, indem wir mehr Schulsozialarbeiter und Psychologen anstellen, die die Lehrer entlasten. Im Bundesländervergleich sind wir gut aufgestellt.
Wie sehen Ihre Pläne zum Ausbau der neuen gymnasialen Oberstufe aus?
Piazolo: Noch wird das alles diskutiert. Viele Verbände tragen ihre Wünsche an uns heran. Das neue G9 bietet insgesamt mehr Stunden als das G8; aber bei all den Wünschen sind die zusätzlichen Stunden schnell aufgebraucht.
Kommen im neuen G9 die Leistungskurse zurück?
Piazolo: Ich erlebe gerade rege Diskussionen zwischen jenen, die das breite und für alle gleiche Allgemeinwissen stärken wollen und jenen, die das Wissen in gewählten Fächern vertiefen wollen. Es zeichnet sich aber ab, dass wir uns in der Oberstufe ein, zwei Fächer mit vertieftem Niveau leisten wollen. Wobei wir den Begriff "Leistungskurse" nicht verwenden werden.
Wann wird bekannt gegeben, wie die neue gymnasiale Oberstufe aussieht?
Piazolo: In diesem Jahr wollen wir das schon auf die Schiene setzen.
Bei der andauernden Aufregung um die von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Bewertung des Mathe-Abis hat sich gezeigt, dass es so etwas wie ein bundeseinheitliches Abi immer noch nicht gibt. Würden Sie den Plan, Abi-Qualifikationen anzugleichen, als gescheitert betrachten?
Piazolo: Man muss berücksichtigen, dass andere Bundesländer andere Schulsysteme haben. Hamburg etwa bietet seinen Schülern die Möglichkeit, zwischen Grund- und Leistungskursen zu wählen. Weshalb dort auch zwei Arten von Mathe-Abituren angeboten werden; eines auf grundlegendem Niveau, ein zweites auf erhöhtem Niveau. Insofern gibt es natürlich Unterschiede im Abitur einzelner Länder. Wir haben den länderübergreifenden Abi-Pool, aus dem man sich bedienen kann. Hamburg hat alle seine Abitur-Aufgaben auf grundlegendem Niveau aus dem Abi-Pool entnommen. Bayern hat sich etwa zu einem Drittel beim Abitur aus dem Pool bedient. Wobei man noch erwähnen muss, dass die Aufgaben je nach Land auch noch leicht modifiziert werden können.
Das bedeutet aber doch, dass das Ziel eines gemeinsamen Abiturs noch weit weg ist.
Piazolo: Ja, das Ziel ist weit weg. Es gibt viele Unterschiede von Bundesland zu Bundesland, etwa was die Zahl der Schulstunden in einzelnen Fächern angeht oder was inhaltliche Anforderungen betrifft. Wir bewegen uns in der Kultusministerkonferenz zwar aufeinander zu, aber es sind harte Verhandlungen. Wir in Bayern schauen natürlich auch, dass wir unser gutes und qualitativ hochstehendes Abitur nicht absenken.