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Würzburg
Interview: Klimaexperte Edenhofer fordert CO2-Preis
Kommt die CO2-Steuer? Während die Regierung streitet, kommt am Freitag ein neues Gutachten auf den Tisch. Wir sprachen mit Autor Ottmar Edenhofer über den CO2-Preis.
Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, war am Montag zu Gast an der Universität Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Prof. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, war am Montag zu Gast an der Universität Würzburg.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:25 Uhr

Er ist einer der gefragtesten Experten zur Klimapolitik in Deutschland: An diesem Freitag wird Ottmar Edenhofer als Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung gemeinsam mit den Wirtschaftsweisen ein Gutachten zur Frage einer CO2-Steuer an die Kanzlerin übergeben. Spekuliert wird über einen CO2-Preis von aktuell 50 Euro bis zu 130 Euro pro Tonne im Jahr 2030. Edenhofer ist Professor an der TU Berlin und Inhaber des Lehrstuhls Ökonomie des Klimawandels. Er macht sich seit Jahren für eine CO2-Bepreisung stark. Auf Einladung des langjährigen Wirtschaftweisen und Volkswirtschaftsprofessors Peter Bofinger nahm er an der Uni Würzburg an einem Klima-Forum der Wirtschaftswissenschaften teil. Edenhofer sprach - wegen einer Zugpanne deutlich verspätet - über die globale "Renaissance" der Kohle. Aus seiner Sicht eine fatale Entwicklung. Deutschland müsse gegensteuern. Wie, das erklärt er im Gespräch mit der Redaktion.

Frage: Die Bundesregierung hat den Kohleausstieg bis 2038 beschlossen. Warum reicht das nicht?

Ottmar Edenhofer: Mit dem Ausstiegsplan will man die Reduktionsziele bis 2030 erreichen. Er hat aber ein Risiko: Wenn Deutschland seine frei werdenden Zertifikate im Emissionshandel nicht stilllegt, sondern sie auf den Markt geworfen werden – dann sinkt der Preis und die Kohlenutzung steigt woanders in Europa. Das ist ein handwerklicher Fehler im Kohlekompromiss, der unbedingt behoben werden muss. Sonst wird der Kohleausstieg ein Schildbürgerstreich.

Lässt sich die CO2-Menge durch den Emissionshandel nicht besser begrenzen als durch eine CO2-Steuer?

Edenhofer: Grundsätzlich kann man Mengen damit begrenzen. Nur: Die Emissionshandelssysteme sind Wettbüros für politische Entscheidungen. Die Händler testen die Glaubwürdigkeit der Politik und spekulieren auf eine Lockerung der Emissionsobergrenzen. Deshalb müssen wir einen Mindestpreis einführen.

Ottmar Edenhofer legt an diesem Freitag gemeinsam mit dem Wirtschaft-Sachverständigenrat ein Gutachten zur CO2-Bepreisung vor.
Foto: Daniel Peter | Ottmar Edenhofer legt an diesem Freitag gemeinsam mit dem Wirtschaft-Sachverständigenrat ein Gutachten zur CO2-Bepreisung vor.

Trotzdem reicht Ihnen der Emissionshandel nicht und Sie fordern eine CO2-Steuer?

Edenhofer: Ich mache mich stark für einen CO2-Preis. Ob er über den Emissionshandel mit einem Mindestpreis oder über eine Steuer umgesetzt wird, ist zunächst nachrangig. Beides hat ähnliche Wirkungen.

Das würden Sie der Bundesregierung so empfehlen? Ihr Gutachten dazu ist fertig.

Edenhofer: Wir wollen das Gutachten zuerst am Freitag der Kanzlerin übergeben, am 18. Juli wird es dann im Klimakabinett vorgestellt.

Was halten Sie vom Vorstoß der Umweltministerin, basierend auf drei Gutachten, mit einer CO2-Steuer von 35 Euro pro Tonne bis zu 180 Euro im Jahr 2030?

Edenhofer: Die Gutachten suchen nach Lösungen, wie man mit den Einnahmen aus einer CO2-Steuer diejenigen entlasten kann, die durch eine Einführung am stärksten benachteiligt werden – also einkommensschwache Haushalte. Das deckt sich etwa mit unseren Zahlen. Die andere Frage ist, wie man die klimapolitischen Ziele erreichen kann. Da gehen unsere Gutachten breiter heran: Wir als Wissenschaftler zeigen der Politik Wege, wie sie den Gipfel erreichen kann.

Die soziale Abfederung ist für die Akzeptanz einer CO2-Steuer nicht unwesentlich.

Edenhofer: Absolut, sie ist für die Durchsetzung entscheidend. Aber es geht noch um mehr: Ein CO2-Bepreisungssystem muss effektiv sein, muss zu sinkenden Emissionen führen, darf nicht zu viel kosten und ja, es muss sozial fair sein. Unsere Vorschläge genügen diesen Kriterien.

Unter dem Titel 'Economics for Future' lud die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg zum Klima-Forum ein.
Foto: Daniel Peter | Unter dem Titel "Economics for Future" lud die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Würzburg zum Klima-Forum ein.

Wer würde am meisten profitieren, wer am meisten verlieren?

Edenhofer: Am meisten wird belastet, wer CO2-intensiven Konsum hat. Und entlastet wird am meisten, wer gute Ideen hat, um CO2 zu reduzieren. Von Rückerstattungen würden stark Familien mit Kindern profitieren. Mir scheint zusätzlich ein Fonds sinnvoll, der unvermeidliche Härtefälle ausgleicht.

Würden Unternehmen eine Mehrbelastung nicht an die Verbraucher durchreichen?

Edenhofer: Das soll ja auch so sein, damit Verbraucher ihr Verhalten ändern. Sie sollen möglichst CO2-freie Produkte kaufen. Das ist kein Fehler, das ist erwünscht. Haushalte, die dadurch überproportional betroffen sind, können durch eine Pro-Kopf-Rückerstattung wieder entlastet werden.

Klingt nach einem ziemlich komplexen und komplizierten System...

Edenhofer: Nein. Wenn ich jedem Bundesbürger zu Weihnachten den gleichen Betrag aus der CO2-Bepreisung rückerstatte – was ist kompliziert daran?

Reden wir bei der CO2-Steuer über ein politisches oder ein pädagogisches Instrument?

Edenhofer: Wenn Sie mit "pädagogisch" ein Instrument meinen, um die Leute zu schröpfen und zu gängeln, dann will ich das verneinen. Die Leute haben eine große Bereitschaft, Klimaschutz zu betreiben. Was sie aber zum Zynismus bringt: Wenn die Emissionen, die ich selber einspare, von anderen überkompensiert werden. Der Wachstumseffekt schlägt den Effizienzeffekt: Wir fahren mit sparsameren Autos, aber wir fahren mehr und mit schwereren Autos. Das ist nur mit einer CO2-Bepreisung zu verhindern.

Warnt vor den dramatischen Folgen des Klimawandels: Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung
Foto: Daniel Peter | Warnt vor den dramatischen Folgen des Klimawandels: Ottmar Edenhofer, Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung

Also weniger verbrauchen... Macht vor dem Hintergrund ein nationaler Alleingang Sinn?

Edenhofer: Den machen wir ja nicht. Es geht nicht um eine deutsche Vorreiterrolle, sondern um europarechtliche Verpflichtungen. Erfüllen wir sie nicht, müssen wir von anderen europäischen Staaten Emissionsrechte für teures Geld kaufen. Das sollten wir vermeiden.

Andere Länder wie Schweden oder Slowenien haben längst eine CO2-Steuer.

Edenhofer: Oder Großbritannien. Das Land hat durch eine CO2-Bepreisung den Kohleausstieg innerhalb weniger Jahre geschafft.

 
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Kommentare
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  • T. M.
    Übrigens gibt es seit 20 Jahren!!! schon die Ökösteuer! Siehe Wikipedia

    Mit dem Begriff Ökosteuer wird eine Reihe steuerpolitischer Maßnahmen bezeichnet, die mit dem „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform“ beschlossen wurden. Der Begriff bezeichnet mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem Steuern, die auf dem Verbrauch von Energie lasten. Wikipedia

    Wieviele Steuern muss der Autofahrer noch Blechen?
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  • M. F.
    Wie soll das eigentlich gehen mit der Auszahlung von 100,- Euro an jeden Bürger?
    Hat der Staat die Kontonummer von jedem Bürger, wird ein vielleicht ein Bar- oder Verrechnungsscheck versandt? Muss ein Antrag gestellt werden, wenn ja an welche ( neu zu gründende ) Behörde ? Wenn es ohne Antrag gehen sollte ( wäre wohl einmalig in Deutschland ) wer ist die auszahlende Stelle und wieviel kostet der Verwaltungsaufwand? Fragen über Fragen.
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  • G. L.
    Danke für den post !
    "SCHWACHSINN" , das Ganze .
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  • C. D.
    Wieder ein Theoretiker mehr, welcher nur schön daher reden kann .
    Es wird wieder auf die Bürger als Steuer verteilt und zurückkommen wird
    nichts .
    Sollen Sie erst mal ihre Hausaufgaben machen und praxisnahe Ersparnisse
    auf dem Markt bringen , welche unsere Zukunft sichert und nicht nur den
    kleinen Leuten das Geld abknöpfen.
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  • A. S.
    Diese neue Steuer, gerne als "CO2-Bepreisung" verklärt", belastet Pendler vom Land über Gebühr. Keiner dieser Pendler kann mal eben auf sein Auto verzichten, er zahlt halt fett drauf. Ganz tolles Konzept! Irgendwie muss ja der abzuschaffende Soli kompensiert werden.
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  • S. F.
    Doppelpost
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  • S. F.
    Wieso? Bin Single, fahr kein Auto nach meiner Scheidung und bin trotzdem glücklich. Nach dem mir mein Stromanbieter vorgerechnet hat, dass ich für einen durchschnittlichen Singlehaushalt fasst nur ein Drittel des Stroms verbrauch, trotz zweier Fernseher, bin ich noch glücklicher. Muss mir anscheinend für die Zukunft noch eine Tiefkühltruhe kaufen, ein elektrischen Lockenwickler, ein Dampfbügeleisen und zweimal im Jahr nach Dubai fliegen um wirklich hip zu sein.
    Nein Danke, mir genügt das ein oder andere Bier unter guten Freunden!!
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  • Veraltete Benutzerkennung
    CO2-Steuer für die kleinen Leute, klar, der Herr Professor ist natürlich dafür. Er sollte besser mit einer SUV- und Oberklassen-PKW-Steuer anfangen! Und eine Steuer für Professoren-Geblubber.
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  • T. M.
    Ich weiß nicht was das mit den SUV immer soll??? Hier die aktuellen Zulassungszahlen:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/253300/umfrage/automodelle-mit-den-meisten-monatlichen-neuzulassungen-in-deutschland/

    Ihre SUVs spielen hier doch wohl nicht die Hauptrolle!!!
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  • M. H.
    Wer von Fördergeldern lebt muss natürlich solch ein Zeug daherreden.
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  • M. G.
    Leider völlig daneben, sollte besser in Potsdam bleiben! Panikmache! Das wars!
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