Derzeit stößt man im Internet, in Zeitungen und Magazinen immer wieder auf den Begriff "Immobilienverrentung". Die Verbraucherzentralen beobachten, dass ein neuer, großer Markt an Modellen der Wertschöpfung aus der eigenen Immobilie im Alter entsteht, während man gleichzeitig in ihr wohnen bleiben kann.
Ist Immobilienverrentung also eine Möglichkeit, an Geld zu kommen? Welches Prinzip steht dahinter? Und was sollten Interessenten unbedingt beachten? Merten Larisch, Teamleiter Altersvorsorge-, Geldanlage- und Immobilien-Finanzierungsberatung bei der Verbraucherzentrale Bayern, hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was ist Immobilienverrentung?
Immobilienverrentung oder Immobilienkapitalisierung ist ein Oberbegriff für Möglichkeiten, wie man für seine Immobilie Geld bekommen und gleichzeitig darin wohnen bleiben kann. Es gibt dabei verschiedene Modelle wie Darlehen oder Seniorenimmobiliendarlehen, Nießbrauch, Leibrente oder Teilverkauf und Verkauf gegen Rückmietung. Verbraucherschützer Merten Larisch warnt: "Egal welche Form oder welches Modell: jedes hat gravierende Nachteile, die wir als nicht empfehlenswert einschätzen."
Ist Immobilienverrentung etwas Neues?
Nein, das lebenslange Wohnrecht gegen Verkauf der Immobilie an jüngere Verwandte hat es "schon immer gegeben", sagt der Ruhestandsplaner der Verbraucherzentrale Bayern. Seit etwa 20 Jahren würden die Verbraucherzentralen auf dem Markt auch gewerbliche Anbieter der Immobilienverrentung beobachten.
Ist Immobilienverrentung rentabel?
Nein, sagt der Verbraucherschützer: "Aufgrund einer Lebenserwartungskalkulation bekommt der Verkäufer deutlich weniger Geld für seine Immobilie als sie eigentlich wert ist", erklärt Larisch. "Denn vom Verkaufspreis wird der Wert der zukünftigen Nutzung abgezogen, um die Auszahlungssumme zu berechnen." Die Lebenserwartungszeit werde häufig zu Ungunsten des Verkäufers errechnet.
Interessenten sollten sich deshalb auf jeden Fall vorab bei einem gerichtlich bestellten Sachverständiger über den Verkehrswert der Immobilie informieren, empfiehlt Larisch. Generell rät die Verbraucherzentrale von Nießbrauch, Verkauf gegen lebenslanges Wohnrecht und Teilverkauf mit Nutzungsentgeld ab, wenn dies über gewerbliche Anbieter laufe: "Alle diese Modell sind ökonomisch nachteilig für den Verkäufer."
Was ist der größte Nachteil?
Die Berechnung des zukünftigen Miet- oder Nießbrauchswertes basiere meist auf fiktiven, überdurchschnittlichen Lebenserwartungen, erklärt Larisch. Beim normalen Verkauf der Immobilie sei der Wert wesentlich höher. "Wenn man nicht steinalt wird, können Tausende bis Hunderttausende Euro vom Miet- oder Nießbrauchswert verloren sein, die dann als Sterblichkeitsgewinn beim Investor verbleiben", sagt Larisch. Auch wer keine Erben in der Familie hat, würden beim genaueren Nachdenken solch einen hohen Betrag vielleicht lieber einer Stiftung oder einer Kinder-, Tierhilfs- oder Umweltorganisation hinterlassen als einem gewinnorientierten Investor.
Wie wird das Auszahlungskapital berechnet?
Der Verbraucherschützer hat dazu ein stark vereinfachtes Zahlenbeispiel: Der Marktwert einer Immobilie beträgt 500 000 Euro, der Eigentümer ist 70 Jahre alt. Die Vergleichsmiete, solange der "Kunde" in der Immobilie seinen Hauptwohnsitz hätte, würde pro Monat in dieser Lage 1000 Euro betragen. Der Vergleichswert des lebenslangen Nießbrauchsrechtes wäre 1100 Euro pro Monat. Die Lebenserwartungskalkulation des Käufers, der dann das lebenslange Wohnrecht geben würde, gehe von 95 Lebensjahren aus. Dadurch liege der Preis etwas höher.
Nun erfolgt die Berechnung des Wohnrechtes: 1000 Euro Miete mal zwölf Monate mal 25 Jahre Restlebenszeit = 300 000 Euro. Vom Verkehrswert 500 000 Euro werden diese 300 000 Euro als Wohnrecht abgezogen. Der Eigentümer würde für seine Immobilie (als Kapital oder Leibrente) also noch 200 000 Euro erhalten. Beim Nießbrauch wären es sogar nur 170 000 Euro. (Hier würden laut Berechnung 1100 Euro mal zwölf Monate mal 25 Jahre Lebenszeit = 330 000 Euro abgezogen.)
Was rät die Verbraucherzentrale?
Die Verbraucherzentrale Bayern rät generell von allen gewerblichen Modellen der Immobilienverrentung ab. Denn, sagt Merten Larisch: Bei der Immobilienverrentung liege der Verkaufspreis immer deutlich unter dem regulären Verkehrswert des Hauses. Damit sichere sich der Käufer vor einer überdurchschnittlich hohen Lebenserwartung des Verkäufers ab. Das sei nachteilig für den Verkäufer. "Finanziell ist eine Immobilienverrentung daher nicht attraktiv."
Wie kann man Geld aus seiner Immobilie herausholen?
Viel lukrativer als die Immobilienverrentung sei es, die Immobilie selbst zu verkaufen, sagt der Berater. Denn wer verkauft, kann sich im Idealfall ohne Zwischenanbieter selbst in seine bisherige Wohnung oder sein Haus wieder einmieten. "Natürlich sollte der Mietvertrag einige besondere Klauseln enthalten, zum Beispiel sollte eine Kündigung wegen Eigenbedarf ausgeschlossen sein", erklärt Larisch. Die Verkäufer könnten sich aber auch dafür entscheiden, in eine altersgerechte Wohnung mit günstigeren Wohnnebenkosten zu ziehen.
Welche Alternativen gibt es, wenn man im Alter Geld braucht?
Einige Banken bieten Kredite für Senioren an, bei denen man keine Tilgung bezahlen muss und die man zu Lebzeiten nicht zurückzahlen muss, sagt der Teamleiter Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Bayern. Die Erben müssten dann den Kredit zurückzahlen, die Immobile diene als Sicherheit.
Ist ein eigenes Haus tatsächlich die beste Altersvorsorge?
Merten Larisch sieht Wohneigentum zwar als wertvolle Altersvorsorge, aber er warnt auch: "Eine selbst genutzte Immobilie macht finanziell nur Sinn, wenn man seine geldliche Altersvorsorge so durchgerechnet hat, dass man auch im Rentenalter in dieser – abgezahlten – Immobilie seinen gewohnten Lebensstandard und die Werterhaltung der Immobilie bezahlen kann." Genau das würden viele Verbraucher falsch einschätzen und sich bei Erwerb und Finanzierung einer Immobilie im Verhältnis zu einer ausreichenden Altersvorsorge überschätzen.
Langfristig, so Larisch, sei es günstiger, zur Miete zu wohnen. Eine Immobilie kaufe man mit den Investitionen für den Substanzerhalt in bestimmter Zeit immer zwei Mal. Die Wertzuwächse von Wohnimmobilien in Ballungsräumen müssen sich nicht zwangsläufig in der Zukunft fortschreiben.
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