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Würzburg
Hoffnungsträger Bor: Wie Forschern der Uni Würzburg ein Durchbruch beim Energiesparen gelungen ist
Nirgendwo auf der Welt wird so intensiv am chemischen Element Bor geforscht wie an der Uni Würzburg. Das könnte in der Energiekrise noch eine wichtige Rolle spielen.
Spezialisten für das chemische Element Bor, das in bestimmten Mineralien vorkommt: Professor Holger Braunschweig (links) und Doktorand Marco Weber.
Foto: Fabian Gebert | Spezialisten für das chemische Element Bor, das in bestimmten Mineralien vorkommt: Professor Holger Braunschweig (links) und Doktorand Marco Weber.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:46 Uhr

Es sorgt für den Durchblick bei Gläsern und die Reinigung bei Waschmitteln. Auch für Angelruten, Bremsbeläge oder Feuerwerksartikel kommt es zum Einsatz. Und es könnte den Weg weisen zu Energielösungen der Zukunft: Das chemische Element Bor ist ein Multitalent – wenn man seine Fähigkeiten kennt oder entdeckt. Forscher an der Uni Würzburg sind dafür weltweit die allererste Adresse. Nirgends sonst gibt es eine solche Expertise für das Halbmetall, das in bestimmten Mineralien vorkommt.

Holger Braunschweig ist der weltweit führende Bor-Forscher

An der Spitze steht seit vielen Jahren Professor Holger Braunschweig vom Institut für Anorganische Chemie. Der 60-Jährige gilt international als führend in der Bor-Forschung, schon in seiner Promotion hatte ihn das Element fasziniert. Heute zieht der Leibniz-Preisträger, der auch Mitglied der Leopoldina (Nationale Akademie der Wissenschaften) ist, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nach Würzburg.

Sie forschen an Grundlagen ebenso wie an der praktischen Anwendung. Und ihre Arbeit gewinnt angesichts der Energiekrise weiter an Bedeutung. Denn durch den Einsatz von Bor lässt sich viel Energie einsparen. Zum Beispiel bei der Produktion von Kunstdünger, der für die Ernährung der Weltbevölkerung eine wichtige Rolle spielt

Hoher Energieverbrauch bei der Herstellung von Ammoniak

Zentraler Bestandteil von Stickstoffdünger ist Ammoniak. Seit mehr als  100 Jahren wird es über das so genannte Haber-Bosch-Verfahren gewonnen – was extrem aufwändig ist. Man braucht Eisen, hohen Druck und Temperaturen von 500 Grad. Das frisst Energie: zwei Prozent des weltweiten Verbrauchs, fast fünf Prozent allein beim Erdgas, gehen auf das Konto der Ammoniak-Produktion.

Eine Mitarbeiterin steuert einen Versuch im Labor des Instituts für Anorganische Chemie an der Uni Würzburg. Es befindet sich in einem 2019 eröffneten Neubau direkt neben dem neuen Bor-Institut.
Foto: Silvia Gralla | Eine Mitarbeiterin steuert einen Versuch im Labor des Instituts für Anorganische Chemie an der Uni Würzburg. Es befindet sich in einem 2019 eröffneten Neubau direkt neben dem neuen Bor-Institut.

Dass sich die Stickstoffverbindung alternativ auch ohne diesen enormen Energieverbrauch erzeugen lässt – das ist ein wissenschaftlicher Durchbruch, der den Forscherinnen und Forschern am Würzburger Institut für nachhaltige Chemie und Katalyse mit Bor (ICB) gelungen ist.

Seit 2018 machte man am ICB dazu eine Reihe verblüffender Entdeckungen. Wesentlich dabei: Borhaltige Moleküle können Stickstoff aus der Luft binden und in Ammoniak verwandeln. Diese "Eintopf-Synthese" ist viel energiesparender und abfallärmer als das bisher bekannte Verfahren zur Ammoniak-Erzeugung. Das Ganze funktioniert bei normaler Raumtemperatur, es braucht keinen hohen Druck und kommt ohne den Einsatz problematischer Metalle aus.  

Weniger Energie für Düngemittel: Freistaat fördert Würzburger Bor-Forschung

"Wir stehen noch am Anfang", bremst Leiter Holger Braunschweig. Nun geht es darum, das neue Prinzip in die breite Anwendung zu bringen. Hierfür unterstützt die Staatsregierung das junge Institut und seine 30 Mitarbeitenden mit 800.000 Euro über eine neue Forschungsförderungsinitiative. Ansonsten sind es namhafte Firmen wie BASF, Merck oder Dräger, die mit dem ICB zusammenarbeiten und – neben der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der EU – mit ihren Drittmitteln das ICB finanzieren.

Wissenschaftler aus aller Welt forschen am Würzburger Bor-Institut, so auch der Neuseeländer Dr. Rian Dewhurst (links), hier mit Institutsleiter Professor Holger Braunschweig.
Foto: Fabian Gebert | Wissenschaftler aus aller Welt forschen am Würzburger Bor-Institut, so auch der Neuseeländer Dr. Rian Dewhurst (links), hier mit Institutsleiter Professor Holger Braunschweig.

Es ist weltweit das einzige Institut, das sich ausschließlich mit Bor beschäftigt. In nur wenigen Jahren haben die Verantwortlichen ein Forschungsnetzwerk mit über 140 Partnern in 28 Ländern aufgebaut. Im vergangenen Jahr konnte das Institut seinen Forschungsneubau am Hubland beziehen. Das Gebäude selbst hat der Freistaat errichtet, es ist nun das Herzstück der Würzburger Bor-Forschung und ein internationaler Leuchtturm. 

In hochmodernen Räumen wird untersucht, analysiert und gerechnet. Und dabei geht es um weit mehr als die Produktion von Kunstdünger. Denn Ammoniak und Bor werden auch für Medikamente verwendet. Oder als Energieträger: So wird wohl, davon gehen Experten aus, grüner Wasserstoff aus Kanada und Australien für den Schiffstransport nach Europa in Ammoniak umgewandelt. Kann es künftig ressourcenschonend durch den Einsatz von Bor hergestellt werden, eröffnet dies neue Perspektiven.

Großes Potenzial von Bor auch für Batterien oder als Brennstoff

Bor könnte auch für Speicher und Batterien zum Einsatz kommen: "Es ist kurzsichtig, hier nur auf Lithium zu setzen", sagt Professor Braunschweig, "es gibt nicht genug auf der Welt". Damit entstünden neue Abhängigkeiten. Eine Alternative wären borhaltige Natrium-Batterien. "Natrium ist leicht verfügbar, sogar in Deutschland", erklärt der Chemiker. 

Effiziente, neue Energiespeicher – in Würzburg werden borhaltige Verbindungen dafür intensiv erforscht.  Und schließlich wäre das silizium-ähnliche Bor sogar als Brennstoff für Fusionsreaktoren denkbar. Im Moment ist dies Science Fiction. Sicher aber ist für den Experten Braunschweig: "Bor hat ganz viel Zukunft."

 
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  • I. F.
    Es gibt sie also doch noch...

    ...die Forscher und Entwickler neuer Materialien in DE und sogar hier in WÜ 👍

    Meinen Respekt und Glückwunsch an das Team um Prof. Braunschweig.

    In die Entwicklung solch neuer Techniken m u s s unsere Wirtschaft und der Staat investieren!
    Dann werden wir auch aus dem derzeitigen Abwärtstrend wieder herauskommen und in die Spitzengruppe der Industriestaaten zurückkehren 😊
    Nur in veraltete und klimaschädliche Technik weiterhin Gelder zu stecken verschenkt unseren erreichten Wohlstand.
    WÜ hat ja schon früher einem Nobelpreisträger die Forschungsmöglichkeiten gegeben...
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  • K. K.
    Laeufer61: Da stimme ich Ihnen zu, aber: Leider kaufte und kauft die Öl- und Energieindustrie immer wieder Neuerungen und Patente auf und lässt sie in den Schubladen verschwinden, um mit ihren veralteten Anlagen die Verbraucher zu schröpfen und Milliardengewinne einzufahren.
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