"Die Klimakrise ist ein medizinischer Notfall", sagt der Mediziner und Kabarettist Eckhart von Hirschhausen. Steigende Temperaturen, Hitzewellen, Stürme, Hochwasser, erhöhte UV-Belastung - all das gefährde schon jetzt in erheblichem Maße die Gesundheit von Menschen, auch hierzulande. Weil sie sich Sorgen machen, haben Mediziner, darunter auch Kabarettist Hirschhausen, "Doctors for Future" gegründet. Auch der Deutsche Ärzte-Tag 2020 wird sich dem Thema Klimawandel und Gesundheit widmen. "Mutter Erde hat Fieber, und das steigt weiter. Der Planet gehört auf die Intensivstation", meint Hirschhausen.
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Viel schneller als erwartet müssten sich die Menschen hierzulande auf Krankheiten einstellen, mit denen sie noch vor ein paar Jahren noch nicht gerechnet haben, sagt Professor August Stich, Chefarzt der Tropenmedizin in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg. "Es überrascht mich als langjähriger Tropenmediziner nicht. Aber es erschreckt mich." Die medizinische Realität werde sich verändern, so Stich: "Wenn wir uns jetzt nicht alle bemühen, wird uns das alles massiv um die Ohren fliegen."
Kritische Punkte erreicht
Zwar sei man in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch gut aufgestellt, so der Tropenmediziner - "doch wir kommen jetzt an Punkte, die offenbaren, dass wir kämpfen müssen– und zwar jeder Einzelne von uns". Ein globaler Blick sei immer auch ein lokaler Blick: "Wir können das, was in Unterfranken passiert, nicht abkoppeln von den globalen Problemen."
Malaria, Dengue-Fieber und andere Tropenkrankheiten, übertragen durch Insektenarten wie Busch- oder Tigermücke, sind auf dem Vormarsch. Nicht nur, dass sie stechen – Tigermücken können auch gefährliche Viren übertragen: Zika, Dengue oder Chikungunya. In Italien gab es bereits einen schweren Ausbruch von Chikungunya-Fieber mit Hunderten Erkrankten. Im Südwesten Deutschlands vermehrte sich die Tigermücke bereits stark, weil hohe Temperaturen die Ausbreitung begünstigen.
Ausbruch steht bevor
"Die Möglichkeit eines Ausbruchs auch bei uns in der Region steigt von Jahr zu Jahr", sagt Mediziner August Stich. Impfungen gegen den größten Teil der tropischen und durch Mücken übertragenen Krankheiten gibt es (noch) nicht. Die allgemeine Empfehlung: Mückenschutz in Form von Sprays, sogenannte Repellentien. In warmen Regionen sind Moskitonetze eine gute Maßnahme und helle Kleidung, die den ganzen Körper bedecken sollte.
Hundertprozentigen Schutz aber gebe es in den meisten Fällen nicht. Er selbst sei, so sagt Stich, als Tropenmediziner gut vorbereitet auf Krankheiten wie Ebola und Malaria. Doch das Gesundheitssystem in Deutschland sei durch die Ökonomisierung der Krankenhäusern in Schräglage geraten, entwickle sich immer weiter weg von einer Versorgung hin zum Kunden-Käufer-Verhältnis. "Das ist unethisch", sagt Stich. "Wir sind dadurch nicht vorbereitet auf das, was jetzt durch den Klimawandel auf uns zukommen wird."
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Sandfliegen: Schlimme Hautgeschwüre
Unterfranken gilt schon jetzt durch Hitzerekorde und Trockenheit als problematisches Gebiet. Als Temperatur-Optimum für Viren gelten Hitzeperioden mit über 30 Grad. Auch ein niedriger Wasserspiegel des Mains und zu warme Seen bergen Risiken. Ist das Wasser wärmer als 21 Grad, vermehren sich Bakterien und Würmer, die Krankheiten übertragen.
Für Mediziner Stich liegt eines klar auf der Hand: "Wir haben schon jetzt mit Viruserkrankungen zu tun, die wir bislang nur aus den Mittelmeer-Regionen kannten." Dazu gehöre unter anderem auch die Infektionskrankheit Leishmaniose, auch "Orientbeule"genannt, die über Sandfliegen übertragen wird und zu Hautgeschwüren führt. Auch Malaria ist auf dem Vormarsch. Allerdings, so Stich, sei durch den komplizierteren Übertragungsweg nicht mit einer großflächigen Ausbreitung in der Region zu rechnen.
Während die Überlebenschancen für die tierischen Überträger der Krankheiten steigen, sinken sie für Menschen, die empfindlich oder geschwächt sind. Schon jetzt verweisen Experten auf eine rasant steigende Zahl an Hitzetoten und an Allergikern. Der Klimawandel bringt unregelmäßige oder verminderte Regenfälle mit sich, die Luft wird entsprechend seltener von Feinstaub und Pollen gereinigt. Höhere CO2-Konzentrationen bewirken zudem eine verstärkte Produktion von Pollen, durch den Temperaturanstieg kommt es verfrüht zu Austrieb und Blüte von Pflanzen. Durch regional unterschiedliche Blütezeiten und ein Pollenflug über größerer Entfernungen verlängert sich der Belastungszeitraum. 50 Prozent der Europäer, prognostizieren Forscher, werden in zehn Jahren von Allergien betroffen sein.
Umweltmediziner rechnen außerdem mit 400 000 Todesfällen in Europa pro Jahr durch die unmittelbaren Auswirkungen der Luftverschmutzung. Vor allem in Ballungsgebieten und Städten in Kessellage wie Würzburg führt der Anstieg der Feinstaubbelastung zu einem hohen Risiko für Krankheiten wie Lungenkrebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine hohe Ozonbelastung ist zudem ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Asthmatiker.
Sorgen bereiten den Ärzten auch die Lücken in der medizinischen Versorgung, vor allem im ländlichen Raum. "Bei Extremwetterperioden wird das noch sichtbarer werden", fürchtet etwa der Umweltmediziner und Mitbegründer von "Doctors for future", Hans-Peter Hutter. Extreme Hitze könne auch einen Anstieg von Anfällen bei bestimmten Epilepsie-Formen zur Folge haben. Auch ein Anstieg von Ängsten und Depressionen aufgrund der unaufhaltsamen Veränderung des Klimas und den daraus resultierenden negativen Folgen sei zu erwarten, so Hutter.
Ernährung nicht mehr gesichert?
Die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit zu untersuchen und Lösungsansätze zu entwickeln, ist die Aufgabe von Professorin Sabine Gabrysch. Die Ärztin und Epidemiologin hat an der Berliner Charité die bundesweit erste Professur für Klimawandel und Gesundheit übernommen. Gabrysch sagt: "Bisher standen die Folgen von Hitzewellen und die Ausbreitung tropischer Infektionen im Fokus der Forschung. Aber auch die Ernährungssicherheit ist bedroht, wenn Regen ausbleibt, zu stark, zu spät oder zu früh einsetzt."
Demgegenüber werden wir Bauern dato als Insektenvernichter in kaum mehr vorstellbarem Ausmaß medial verunglimpft.
Wie vielschichtig ist dieses Themenfeld mit seinen mannigfaltigen Problemstellungen also wirklich!? Von den NGOs werden wir Bauern jedenfalls in schockierenden Schwarz-Weiß-Attitüden unisono öffentlichkeitswirksam als massive Bedrohung für unsere Insektenvielfalt empfunden; bedrohen Insekten allerdings die Gesundheit unserer Bevölkerung, arbeitet man fieberhaft an Lösungen, in der Regel ist dabei das letale Insekt das Bessere.