
Es war eine rauschende Nacht: Erst feierte der in Würzburg und Umgebung gedrehte Film „Der Cornet“ am 16. Dezember 1955 im nagelneuen CC-Filmtheater in der Eichhornstraße seine Welturaufführung, dann gab es eine große Premierenfeier im Mainfränkischen Museum auf der Festung. Das war kein Zufall: Der Streifen war hauptsächlich auf der Festung entstanden und Hunderte von Würzburgern und Würzburgerinnen hatten als Komparsen mitgespielt.
Rilke-Novelle diente als Vorlage
Rainer Maria Rilke schrieb die Novelle „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ 1899. Sie sollte die Bemühungen des jungen Dichters unterstützen, seine adelige Abstammung nachzuweisen. Seine Vorstellung, er sei ein direkter Nachkomme jenes Reiterfähnrichs Christoph, ist inzwischen von der Forschung widerlegt worden.
Rilkes lyrisch-impressionistische Prosa schwankt zwischen der Glorifizierung des Heldentodes und der Sinnlosigkeit jungen Sterbens. Nach einer wenig erfolgreichen Veröffentlichung 1906 erschien Rilkes Werk 1912 als erster Band der Insel-Bücherei. Bis heute erreichte der „Cornet“ eine Millionenauflage.

Festung diente zwei Monate als Filmkulisse
Der Film entstand ohne Atelierbauten in Würzburg und Umgebung. Für zwei Monate zog das Filmteam im Sommer 1955 mit 196 Pferden und knapp 2000 Schauspielern und Statisten auf die Festung Marienburg. Die Filmgesellschaft restaurierte die teilweise kriegszerstörten Räume; um die Liebesnacht des Cornet im Turmzimmer drehen zu können, wurde ein 40 Meter hohes Stahlrohrgerüst errichtet.

Der Produktionsleiter Heinz Fiebig kannte Würzburg; er war 1946 Intendant des Stadttheaters in der Turnhalle des Lehrerseminars am Wittelsbacherplatz gewesen, Cornelius Monske, der das „Lagerfeuerlied“ für den Film komponierte, war damals musikalischer Leiter des Theaters. Dritter im Führungsteam war 1946 Landrat Michael Meisner. Der, inzwischen Verleger der Main-Post, verzichtete 1955 auf eine Teilnahme an den Dreharbeiten, im Gegensatz zu seiner Frau Ruth Fischer, die eine Zigeunerin spielte. Die Reiterszenen wurden mit Unterstützung des Fränkischen Reitervereins gedreht.
Internationale Film-Prominenz in Würzburg
Regisseur und Drehbuchautor Walter Reisch war nach Erfolgen in Deutschland – unter anderem schrieb er das Script für den Hans-Albers-Abenteuerfilm „F.P.1 antwortet nicht“ – in die USA ausgewandert und arbeitete für Regisseure wie Ernst Lubitsch und George Cukor. Er verfasste das Drehbuch für den „Titanic“-Film von Jean Negulesco mit Barbara Stanwyck (1953) und erhielt dafür einen Oscar. Der Kameramann Göran Strindberg und die Hauptdarstellerin Anita Björk hatten bereits mit Ingmar Bergman gedreht.

Der aus Deutschland stammende Peter van Eyck war ein Hollywoodstar, dem mit dem Film „Lohn der Angst“ an der Seite von Yves Montand 1953 der internationale Durchbruch gelungen war. Der Schauspieler Wolfgang Preiss war kurz vor Beginn der Dreharbeiten in Berlin gewesen, wo am 21. Juni 1955 der Film „Der 20. Juli“ während der Berlinale uraufgeführt wurde. Preiss war hier in der Rolle des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg zu sehen. Walter Reisch hatte aus der kurzen Rilke-Novelle eine Filmhandlung mit 132 Einstellungen gefertigt, indem er, wie er sagte, „gründlich zwischen den Zeilen las“ und die „leeren Flächen des berühmten Buches“ durch neue, erdachte Szenen auffüllte.
Main-Post-Kritiker war nicht komplett überzeugt
Der Verleih musste sich gegen Angriffe verteidigen, dass der Cornet als „Reklametrommler für die Remilitarisierung“ der Bundesrepublik, über die damals heftig diskutiert wurde, diene. Das Anliegen des Films sei „keineswegs militant“, betonte man.
Beim Main-Post-Kritiker Anton Mayer hinterließ der Film bei der Premiere im CC einen zwiespältigen Eindruck. Rilkes Sprache sei „durchtränkt mit dem Reiz des Nur-Empfindbaren und Unausgesprochenen“; dies entziehe sich „der mehr oder weniger technischen Bilderschrift des Films und seiner Direktheit“ und führe im Fall des „Cornet“ gelegentlich zu „naturalistischem Theater ohne rechte Überzeugungskraft“. Die Arbeit des Kameramanns Göran Strindberg, vor allem beim Einfangen der fränkischen Landschaft, und von Darstellern wie Götz von Langheim und Peter van Eyck fand jedoch Mayers höchstes Lob.
Den Filmkritiker Fritz Göttler begeisterte „Der Cornet“ dagegen uneingeschränkt. Er schrieb später in der „Geschichte des deutschen Films“, es handle sich um einen Streifen, „dem nichts gleicht im deutschen Kino der damaligen Zeit“. Der Film sei „keine Geschichte mehr, nur noch eine Landschaft, ein Ort der Träume, Weinberge und Wälder, Felder und Auen, Lagerfeuer und Pferde, verlassener Gehöfte und Schlösser, Karren und Kanonen, die einsam in der Gegend stehen.“
Der Film wird bald im Central-Kino gezeigt
Auch der Kritiker Thomas Klarmeyer brach eine Lanze für den „Cornet“. „Die kleine, aus aller Welt zusammengezogene und doch innig verschworene Truppe in feindlicher Welt, die von Melancholie und Heimweh durchwobene Stimmung, die geradezu mystische Bedeutung der Fahne des Regiments“ erinnerten ihn an die Western des amerikanischen Kultregisseurs John Ford.
Der Film „Der Cornet“ läuft am Sonntag, 5. März, um 11 Uhr in der Reihe „Der besondere Film“ im Central/Bürgerbräu; Reservierungen: Tel. (0931) 78011055.