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Würzburg
Herr Nachtbürgermeister, was machen Sie eigentlich?
Die SPD möchte einen Beauftragten für Würzburgs Nachtleben. Das Rathaus verfolgt den Antrag weiter. Doch was macht der? Das verrät Deutschlands erster Nachtbürgermeister.
Hendrik Meier ist der erste Nachtbürgermeister in Deutschland. Seit August 2018 vermittelt er in Mannheim bei Konflikten im Nachtleben, etwa zwischen Partygästen und ruhebedürftigen Anwohnern.
Foto: Benedikt Spether, dpa | Hendrik Meier ist der erste Nachtbürgermeister in Deutschland. Seit August 2018 vermittelt er in Mannheim bei Konflikten im Nachtleben, etwa zwischen Partygästen und ruhebedürftigen Anwohnern.
Lucas Kesselhut
Lucas Kesselhut
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:56 Uhr

Würzburgs Nachtleben ist immer wieder Schauplatz für Streitigkeiten. Erst Anfang Juli kam es im Bereich der Sandersraße – ein beliebter Treffpunkt mit vielen Kneipen und Bars – zu einer Prügelei zwischen fünf jungen Männern. Die Polizeiinspektion Würzburg-Stadt hat dieses Jahr fast 50 Mal ausrücken müssen, um im Innenstadtgebiet zu schlichten. Auch tätliche Angriffe gegen die Beamten waren dabei. Doch Konflikte gibt es auch zwischen Anwohnern und Nachtschwärmern. Vor allem Ruhestörungen und Urinpfützen sorgen in Würzburg für Missmut, wie kürzlich im Bau- und Ordnungsausschuss aufgeführt wurde. Doch wie können Konflikte verhindert werden? Die SPD-Stadtratsfraktion hat per Antrag einen Nachtbürgermeister ins Spiel gebracht. Das Rathaus verfolgt den Antrag derzeit weiter. Doch was macht der eigentlich? Die Frage kann am besten Hendrik Meier beantworten. Er ist der erste Nachtbürgermeister Deutschlands und arbeitet in Mannheim.

Frage: Herr Meier, streifen Sie, so wie es der Amtstitel vermuten lässt, nachts durch die Straßen und schauen, ob alles in Ordnung ist?

Hendrik Meier: Es ist ein Tagesjob, der sich natürlich auf das Nachtgeschehen und auf die Gegebenheiten vor Ort bezieht. Meine Kernzeiten sind zwischen neun und 18 Uhr. Es hat sich ergeben, dass die Ansprechpartner wie beispielsweise das Ordnungsamt, die Stadtverwaltung oder Politiker zu diesen Uhrzeiten am besten erreichbar sind.

Was sind die Aufgaben im Alltag eines Nachtbürgermeisters?

Meier: Mit 28 Jahren bin ich als WG-Bewohner auch im Privatleben viel abends unterwegs und habe zwei Blickwinkel auf das Geschehen. Ich betrachte es auf der einen Seite als Privatperson, auf der anderen Seite als Nachtbürgermeister, der schaut, wo es zum Beispiel etwas zu verbessern gibt. Man spricht ja viel darüber, was in der Szene passiert und die Schnittmenge aus diesen Ergebnissen lasse ich mit in meine Arbeit einfließen.

Der 28-Jährige ist auch oft privat im Nachtleben unterwegs, um den Austausch mit Gastronomen oder anderen Akteuren zu suchen.
Foto: Uli Deck, dpa | Der 28-Jährige ist auch oft privat im Nachtleben unterwegs, um den Austausch mit Gastronomen oder anderen Akteuren zu suchen.

Und angestellt sind Sie bei der Stadt Mannheim?

Meier: Genau, ich arbeite für "Startup Mannheim". Das ist eine hundertprozentige Tochter der Stadt Mannheim und bin dort bei der kulturellen Stadtentwicklung angestellt. Unsere Hauptkontakte sind der Oberbürgermeister, die Referenten, aber auch viele andere Fachbereiche wie Sicherheit und Ordnung, das Tiefbauamt, die Stadtplanung und viele mehr.

Kam von der Stadt auch der Vorschlag, einen Nachtbürgermeister einzustellen?

Meier: Unter anderem, ja. Die Stadt ist sehr progressiv in dem, was sie tut und agiert oft als Vorreiter – auch im Austausch mit anderen Metropolen. Es muss aber auch keine Metropole sein. Wichtig ist, dass das Nachtleben und die Nachtkultur und all seine Teilhaber neutral vertreten werden.

Mit welchem Ziel? Stand es um Mannheims Nachtleben so schlimm?

Meier: Mannheim ist eine Ausgehstadt – es gibt 130 Bar- und Clubbetriebe im Stadtgebiet. Dementsprechend steht die Frage im Raum, wie wir das Ganze noch weiterentwickeln können. Es ist nicht so, dass die Stadt sagte "Hier kracht alles aus allen Nähten und wir müssen ganz schnell handeln". Doch sich an den Nachtbürgermeister zu wenden ist etwas anderes, als sich an einen Fachbereichsleiter zu wenden, der seit 20 Jahren nicht mehr im Nachtleben unterwegs war und entscheiden soll, was passiert.

Wie laufen Gespräche, zum Beispiel zwischen Anwohnern und Nachtschwärmern, ab?

Meier: Alle Probleme lassen sich nicht durch Dialoge lösen, aber sehr viele. Bei Fällen wie beispielsweise dem Bewohnerverein, der sich sehr stark – und meiner Meinung nach berechtigt – gegen den Lärm ausspricht, muss man dementsprechend handeln. Und das machen wir. Wir schauen zum Beispiel zusammen mit dem Ordnungsdienst, ob die Außenbestuhlungen rechtzeitig reingeräumt werden. Und wir werden extra mit den Gastronomen einen privaten Sicherheitsdienst einstellen, der durch die Straßen läuft. Nach ein paar Monaten gilt es zu schauen, ob es besser oder schlimmer geworden ist.

Sie sind seit rund einem Jahr im Amt. Hat sich im Nachtleben von Mannheim etwas gebessert?

Meier: Die Leute wissen, an wen sie sich am besten wenden können. Wir haben sehr viele Initiativen eingeführt, wie beispielsweise die gegen das Zerbrechen von Glas oder gegen Gewalt in Bars. Leute haben verstanden, was Nachtkultur ist und wie sie lernen können, diese zu wertschätzen. Und das ist für mich der wichtigste Punkt. Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen.

"Ich möchte niemanden vor den Kopf stoßen."
Nachtbürgermeister Hendrik Meier

Die Leute haben also wahrgenommen, dass es Sie gibt?

Meier: Es ist eine neue Position gewesen, die sich erst einmal durchsetzen musste. Aber ich denke, wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es so weitergehen kann.

Das heißt?

Meier: Wir werden unsere Arbeit weiter intensivieren. Ab August habe ich neben einer Praktikantenstelle noch eine Night Scout Stelle, die nach neuen Entwicklungen und Trends im Nachtleben Ausschau hält und mir dabei hilft, diese Entwicklungen frühzeitig zu fördern.

Glauben Sie, dass ein Nachtbürgermeister auch in anderen Städten – zum Beispiel in Würzburg – Sinn macht?

Meier: Absolut. Es braucht eine gewisse Handlungsweise und eine Struktur, so einen Job auszuüben. Es war und ist unsere Aufgabe, genau das in Mannheim mal auszubalancieren und zu schauen, wie so ein Job funktionieren kann. Nach einem guten Jahr ist der Punkt gekommen, an dem ich sage, es würde extrem viel Sinn machen.

Hendrik Meier
Der 28-Jährige und ist gebürtiger Bayer. Geboren wurde er in Nürnberg, hat aber auch schon in Bamberg gelebt. Im August 2018 schloss er sein Masterstudium an der Popakademie Baden-Württemberg im Fachbereich Music & Creative Industries ab und schrieb seine Masterarbeit über die Veranstaltungswirtschaft der Metropolregion Rhein-Neckar. Aus über 40 Bewerbungen, die für das Amt eingingen, stellten sich am Wahlabend noch zehn Kandidaten dem anwesenden Publikum und einer Fachjury vor.
 
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